Frankreich

Frankreich

Frankreich (frz. la France, lat. Gallia, Franco-Gallia), ein europ. Hauptland 9748,19 QM. groß, zwischen dem atlantischen u. dem Mittelmeer gelegen, an Spanien, Sardinien, die Schweiz, Deutschland und Belgien gränzend, fast überall durch Naturgränzen geschieden, hat unter allen Ländern Europas die vortheilhafteste geograph. Lage. Seine Küstenentwicklung ist jedoch etwas dürftig, besonders am atlant. Meere, wo die meisten Häfen größtentheils künstliche Schöpfungen sind. Seiner Bodenbeschaffenheit nach ist F. im allgemeinen Hügelland und Ebene, einförmiger als Deutschland, u. dacht sich in der Hauptmasse nach Westen ab. Den südwestl. Theil erfüllt das Hochgebirge der Pyrenäen, die auf franz. Seite im Vignemale u. Montperdu 10000' übersteigen. Zwischen Rhone, Garonne und Loire erheben sich die Sevennen, die sich als Lozèregebirge, als Gebirge von Auvergne, Limousin und Lyonnais verzweigen und im Cantal 6320' Höhe erreichen. Nordwärts setzen sie sich fort als Gebirge von Charolais, Côte dʼOr, Plateau von Langres, Argonner Wald und schließen sich an die Ardennen an. Zwischen Mosel, Rhein und Doubs erhebt sich das Granitgebirge der Vogesen, im Ballon dʼAlsace 4198' hoch, gegen Westen sanft ab fallend, mit steilen Thalwandungen gegen die Rheinebene. Von der Wendung des Rheinstroms gegen Norden bis zur Wendung der Rhone gegen Süden erstrecken sich die Parallelketten des Jura (in der Dôle, Prè de Marmiers und Mont Réculet etwas zu 5000' hoch) u. südwärts auf dem rechten Rhoneufer bis zum Mittelmeer die penninischen, cottischen, grajischen u. Seealpen; in den Pics des Ecrins, 12640, bilden sie die höchste Erhebung des frz. Bodens. – F. ist wohlbewässert u. durch seine Flüsse mit der Nordsee, dem Canale, dem atlant. Meere und Mittelmeere in Verbindung; der Rhein ist Gränzfluß, Mosel, Maas u. Schelde verlassen Frankreich, dagegen sind Seine, Loire und Garonne bis zu ihrer Mündung franz., die Rhone in ihrem mittleren und unteren Laufe. Die Zahl der Küstenflüsse ist beträchtlich u. die meisten sind schiffbar gemacht: Somme, Orne, Vire, Blavet, Aulne, Vilaine, Charente, Adour, Herault, Var etc. Alle Flußsysteme sind durch Kanäle verbunden; kein Land von der Größe F.s hat ein ähnliches Kanalnetz (109 Kanäle), so daß die natürlichen u. künstlichen Wasserstraßen eine Ausdehnung von 1600 M. erreicht haben. – Das Klima F.s gehört zu den schönsten und ist ziemlich gleichförmig, jedoch bei der großen Ausdehnung des Landes (42°20' bis 51°5' nördl. Breite und 12°52' und 25°51' östl. Länge) u. der mannigfaltigen Gebirgsbildung nicht ohne Abwechslung. Im Süden ist das Klima das italien., in der östl. Mitte das des südl. Deutschlands, nach Westen ist es feuchter und veränderlicher, dabei aber wärmer. Der Mineralreichthum F.s kommt dem von England und selbst von Deutschland bei weitem nicht gleich; obwohl das Zollsystem den Bergbau auf Eisen und Steinkohlen ungemein begünstigte, so muß doch von beiden ein namhafter Theil eingeführt werden. Sonst wird noch auf Blei, Kupfer und Silber gebaut; Steinsalz ist im Ueberfluß vorhanden, auch wird viel Seesalz bereitet; an Marmor, Alabaster, Flintensteinen, Porzellanerde, Salpeter, Kreide, Bausteine etc. ist kein Mangel. Der Boden ist im allgemeinen der Vegetation sehr günstig, die Haideflächen von Guyenne u. Gascogne (les Landes) machen jedoch eine Ausnahme. Seinen Bedarf an Holz deckt F. bei weitem nicht; nicht nur das meiste Schiffbauholz wird eingeführt, sondern auch Werkholz, Schnittwaaren etc.; die Schuld trägt größtentheils die Revolution, welche die Wälder verwüsten ließ od. in die Hände von Speculanten lieferte, welche den größtmöglichen augenblicklichen Nutzen ziehen wollten. Getreide (besonders Weizen) gedeiht überall, dennoch genügt die Aernte nur in guten Jahrgängen dem einheimischen Verbrauche u. schon bei Mittelärnten ist fremde Zufuhr nothwendig. Dagegen erzeugt F. einen Ueberfluß an Wein (auf 2227000 Hectare), der einen Hauptgegenstand der Ausfuhr bildet; die Olivenpflanzungen (Roussillon u. Provence) nehmen 43000 Hectare ein, die Maulbeerpflanzungen 13000 Hectare u. liefern für mehr als 100 Mill. Fr. Rohseide. Der Obstbau ist sehr ausgedehnt, selbst noch im Norden, u. übertrifft an veredelten Sorten wohl alle Länder Europas. Von Wichtigkeit ist ferner der Anbau von Tabak (die Fabrikation desselben ist Staatsmonopol), Krapp (das rothe Tuch des Militärs ist mit einheimischem Stoffe gefärbt), Runkelrüben (es bestehen über 300 Runkelrübenzuckerfabriken, die über 80 Mill. Kilogramm Zucker liefern). Die Viehzucht genügt dem Bedarfe keineswegs; Pferde und Schlachtvieh werden besonders aus Deutschland bezogen. Veredelte Pferde haben Navarra. Normandie und Limousin; einige Depart. des Ostens, die Normandie u. Vendée, können sich einer schönen Rindviehzucht rühmen; die Schafzucht hat sich in neuester Zeit bedeutend gehoben, jedoch muß die für die Fabrikation bestimmte Wolle größtentheils eingeführt werden. Die Fischerei ist an den Küsten von großer Bedeutung und liefert besonders Sardellen, Makrelen, Thunfische u. Austern. Die Industrie ist in hohem Grade entwickelt; in der Verarbeitung der Seide übertreffen die Franzosen alle anderen Nationen; ebenso sind sie es, welche die ganze Welt mit Modeartikeln, Galanteriewaaren, Luxusartikeln verschiedenster Art versorgen, denn die franz. Industrie zeichnet sich namentlich in den Artikeln aus, wo Kunstgeschmack und Feinheit der Waaren in Betracht kommt, sie hat also ihre Abnehmer vorzüglich bei den reicheren Volksklassen. Hauptgegenstände dieser Ausfuhr sind: Seidewaaren jeder Art (Lyon, Nismes, St. Etienne); Bijouteriewaaren, Modeartikel, Kupferstiche, Lithographien, Uhren (Paris); seines Wollentuch (Sedan, Elbeuf, Abbeville); Glas, Spiegel, Krystall, farbige Glasflüsse (Gobin, Tour la Ville, Paris), Handschuhe (Paris, Grenoble, Luneville); Baumwollewaaren, Spitzen, Leinwand, Lederwaaren (Lille, Rouen, Amiens, Nancy), Hüte (Paris), Franzbranntwein, chirurgische Instrumente, Tapeten, Parfumerien, seine Meubles, Bücher. Der Handel F.s ist demnach sehr blühend; der Seehandel beschäftigt ungefähr 15000 Schiffe verschiedener Größe, steht also nur dem engl., nordamerikan. u. deutschen nach. 1852 belief sich der Werth der Einfuhr zu Lande auf 509100000 Fr., zur See 929300000 Fr., die Eingangszölle betrugen 1853 nahezu 1401/2 Mill. Fr. Eisenbahnen werden 535 M. befahren; das Eisenbahnnetz wird immer mehr vervollkommnet. – Die Zahl der Einw. betrug 1852 nach amtl. Zählung 35781628 Seelen, der Gang der Bevölkerung ist demnach langsamer als in Rußland, England, Preußen, Oesterreich, den meisten deutschen und italien. Staaten, u. durchschnittlich ergeben sich auf die Geviertmeile 3670 E.; die städtische Bevölkerung ist verhältnißmäßig viel größer als in Deutschland. Der Abstammung nach sind die Franzosen ein Mischvolk aus romanisirten Galliern u. Franken mit vorschlagendem gallischem Elemente; etwa 2 Mill. Deutsche wohnen zerstreut oder im Elsaß zusammen; über 1 Mill. Gallier und eingewanderter celtischer Britten in der Bretagne, 170000 Basken in den Pyrenäen, 200000 Italiener auf Corsica, über 70000 Juden zerstreut überall im Lande, endlich eine geringere Anzahl von Cagots und Zigeunern. Daß die Franzosen eine sehr begabte und geistreiche Nation sind, beweisen ihre Leistungen auf dem Gebiete der Wissenschaften u. Künste; ihre kriegerische Tüchtigkeit ist unbestritten, dagegen läßt sich nicht leugnen, daß sie im allgemeinen eine leichtsinnige, wankelmüthige, undankbare und selbstsüchtige Nation sind; ihre nationale Eitelkeit muß man ihnen verzeihen, da sie von den Vornehmen und neuester Zeit von den Nichtvornehmen aller europ. Nationen gehätschelt werden. Die Mehrzahl bekennt sich zur röm. kathol. Kirche, welche unter 15 Erzbischöfen u. 65 Bischöfen steht u. ihrer Freiheit fast ohne alle Beschränkung genießt; F. ist das Land der religiösen Frivolität, zugleich aber auch des innigsten thätigsten Glaubens, wie die große Anzahl religiöser Institute und der in alle Theile der Heidenwelt ausgehenden Missionäre bezeugt. Protestanten verschiedenen Bekenntnisses zählt man gegen 2 Mill.; sie genießen wie auch die Juden völlige Freiheit des Cultus und alle bürgerl. Rechte. Für den öffentl. Unterricht ist durch 27 Universitätsakademien, eine Menge Staats-, Gemeinde- u. Privatcollèges, durch Fachschulen aller Art vortrefflich gesorgt, so weit es den höheren Unterricht anbelangt; für den Elementarunterricht geschieht aber weder von dem Staate noch von den Gemeinden so viel als in Deutschland. – In administrativer Beziehung zerfällt F. in 86 Departements, 363 Arrondissements, 2847 Cantons und 36835 Gemeinden; an der Spitze des Departem. steht der Präfect, des Arrondissem. der Unterpräfect, der Gemeinde der Maire; ihnen zur Seite stehen als controlirende Behörden die Departemental-, Arrondissements- u. Municipalräthe; die übrigen Departementalbehörden sind die Directoren der Domänen, der indirecten Abgaben, Generaleinnehmer, Aufseher der Straßen, Brücken etc. Die gegenwärtigen Colonien F.s sind folgende: in Afrika Algier, Niederlassungen in Senegambien, Insel Bourbon, St. Marie bei Madagaskar; in Asien Pondichery, Carical, Mahé und mehre Faktoreien in Vorder- und Hinterindien; in Amerika die Inseln Martinique, Guadeloupe, St. Martin, Marie Galante, Desiderade, Les Saints, Cayenne, die Inseln St. Pierre und Miquelon bei Neufundland; in Australien die Marquesasinseln, Otaheiti und Neucaledonien. – Seit dem 2. Dezbr. 1852 ist F. wieder ein Kaiserthum, erblich in directer, natürlicher u. legitimer Abstammung von Napoleon III. (Louis Napoleon Bonaparte, geb. 20. April 1808), in der männlichen Linie nach dem Rechte der Erstgeburt. Der Kaiser übt alle Befugnisse der Souveränität und regiert durch seine Minister, den Staatsrath, Senat und gesetzgebenden Körper. Der Staatsrath besteht aus den Ministern und 40–50 vom Kaiser ernannten Räthen (jeder mit 20000 Fr. jährl. Gehalt); er entwirft unter der Leitung des Staatsoberhaupts die erforderlichen Gesetze und die auf die Staatsverwaltung bezüglichen Verordnungen. Der Senat besteht aus den direct von dem Kaiser zu Senatoren ernannten Bürgern (höchstens 150), den Cardinälen, Marschällen u. Admiralen; sie sind unabsetzbar, mit lebenslänglicher Amtsdauer u. 30000 Fr. jährl. Gehalt; der Senat ist der Wächter des Fundamentalvertrags und der öffentl. Freiheiten, jedes Gesetz muß ihm vorgelegt werden, bevor es bekannt gemacht werden darf. Der gesetzgebende Körper geht aus Urwahlen hervor, auf je 35000 Wähler kommt 1 Abgeordneter; die Amtsdauer ist 10 Jahre, der Gehalt 2500 Fr. monatlich während der Dauer der Sitzungsperioden. Der gesetzgebende Körper erörtert u. beschließt die Gesetzes- u. Steuervorschläge, wird von dem Kaiser einberufen, vertagt und aufgelöst. Die gesammte Verwaltung concentrirt sich in dem Ministerium; es besteht aus dem Ministerium des Staats u. kaiserl. Hauses, der Justiz, des Innern, des Ackerbaus und Handels, der Finanzen, des Kriegs, der Marine und Colonien, der auswärtigen Angelegenheiten, des Cultus und Unterrichts, der öffentl. Bauten, der Polizei. – Bei dem franz. Gerichtswesen ist Leichtigkeit und Schnelligkeit des Verfahrens charakteristisch; im Civilverfahren besteht eine Vergleichsinstanz, die Friedensgerichte, dann folgen die Tribunale erster Instanz mit den Handelsgerichten, dann die Appellhöfe, zuletzt der Cassationshof. In der Criminalrechtspflege entscheidet der Friedensrichter über die kleinsten Vergehen, dann folgen die correctionellen Tribunale, die Appellhöfe, die Jury. Bei allen Gerichtshöfen findet sich ein Staatsanwalt zur Wahrung des Staatsinteresses, der bei peinlichen Verbrechen auch die Anklage ausführt. Die Anwälte bilden einen sehr wichtigen Stand; sie haben einen eigenen Disciplinarrath mit dem Bâtonnier an der Spitze; die Avoués dürfen eine Sache nicht vor Gericht führen, sondern nur Rath ertheilen od. die Vorarbeiten vor der Gerichtsverhandlung besorgen (über die franz. Gesetzbücher vergl. Code). – Das Budget für 1855 berechnet die Einnahme auf 1559914440 Fr., die Ausgaben auf 1553922072 Fr.; die. letztere Summe wird jedoch durch den gegenwärtigen Krieg bedeutend erhöht. Die Staatsschuld hat jetzt wohl die 6. Milliarde überschritten; die Zinsen der consolidirten betrugen 1853 bereits 239304527 Fr., der Betrag der schwebenden (dette flottante) Schuld wurde auf 690 Mill. Fr. angegeben. Das im Umlauf befindliche Papiergeld beläuft sich über 400 Mill. Fr. – Die franz. Armee ist gegenwärtig volle 500000 M. stark; sie besteht aus 75 Linieninfanterieregimentern, 25 leichten Infanterieregimentern, 10 Jägerbataillonen, 3 Regimentern Zuaven, 3 Bat. leichter afrikan. Infanterie, 12 Strafcompagnien, 3 Bat. eingebornen afrikan. Tirailleurs, 6 Compagnien Unteroffiziere und Veteranenfüsiliere, der Fremdenlegion; die Reiterei zählt 58 Regimenter zu 6 Schwadronen, 3 Regimenter Spahis zu 6 Schwadronen; die Artillerie besteht aus 12 Regimentern reitender Artillerie zu 8, und 4 Regimentern Fußartillerie zu 12 Batterien; das Geniecorps aus 3 Regimentern Genietruppen, 2 Compagnien Ouvriers, 1 Compagnie Veteranen. Die zu errichtende kaiserl. Garde soll aus 15 Bat. Infanterie, 12 Escadrons Cavalerie, 6 Batterien Artillerie, aus 100 Mann Elitengarde bestehen. Die Gensdarmerie ist gebildet aus 25 Legionen für die Departem., 1 Legion für Afrika, 4 Compagnien für die Colonien, 2 Bat. Elitengensdarmen, 2 Bat. und 2 Schwadr. für Paris, 2 Comp. Veteranen. Der franz. Soldat ist vortrefflich bewaffnet, gut gekleidet und genährt, das Material in bestem Zustande; ergänzt wird die Armee durch die Conscription u. freiwillige Werbung; die Offiziere gehen mit Ausnahme der Artillerie u. der Genietruppen aus den Unteroffizieren hervor, zum Theil aus den Zöglingen der Militärschulen. F. hat nicht weniger als 184 Festungen, die einen mehrfachen Gürtel um dasselbe ziehen, und theilweise, wie Straßburg, Besançon, Grenoble, Metz, Charlemont, Lille, Bayonne die Stützpunkte für Offensivebewegungen nach Außen sind; die Hauptfestung Paris bildet das Centrum des franz. Vertheidigungssystems, das ganz Europa nicht zu überwältigen vermag, wenn F. sich nicht selbst bekriegt. Die Seemacht zählt 260 Segelschiffe u. 115 Dampfer, darunter 34 Linienschiffe und 45 schwere Fregatten; die Flottenmannschaft wird durch die Conscription unter der Küstenbevölkerung ergänzt. Die gegenwärtige Stärke der franz. Seemacht hatte in keiner Periode der franz. Geschichte Ihresgleichen u. sie wird noch immer gesteigert; selbst die Engländer gestehen, daß die franz. Schiffe trefflich gebaut und ausgerüstet sind und sich in Manövrirfähigkeit mit jeder Seemacht messen dürfen. – Im Geldwesen rechnet man nach Francs (s. Franc); Längen- und Höhenmaße: die Toise = 6' = 1,94904 Mètres; 1' = 0,32484 Mètres; 1 Elle = 3' 7'' 105/6'''; 1 Lieue = dem 25. Theile des geographischen Grades = 2280,33 Toisen = 4,4444 Kilomètres (Seelieue = dem 20. Theil des Grads); 1 Mètre = 1/16000000 des Viertels des Erdmeridians, etwas über 3', wird in Decimètres, Centimètres etc. eingetheilt; 1 Myriameter = 10000 Mètres, 1 Kilomètre = 1000 Mètres, 1 Hectomètre = 100 Mètres, 1 Decamètre = 10 Mètres; die Einheit des Flächenmaßes ist die Are = 100 Quadrat Mètres (s. Are), des Körpermaßes die Stère = 1 Kubikmètre, des Hohlmaßes der Litre = 1 Kubikdecimètre; 100 L. = 1 Hectolitre, 1000 = 1 Kilolitre; des Gewichts das Gramme = 10 Decigrammes, 100 Centigr., 1000 Millegr.; 1 Hectogr. = 100 Gr., 1 Kilogr. = 1000 Gr.; 100 Kilogr. sind = 1 metr. Centner (Quintal) =200 Zollvereinspfunden. – Geschichte. Das heutige F. war ein Hauptsitz des großen celtischen Volksstamms und trug von ihm bei Römern und Griechen den Namen Gallia; von der Geschichte dieser alten Gallier wissen wir so viel als nichts. Durch Cäsar wurde es röm. Provinz, war lange Zeit die einträglichste und theilte die Schicksale des Kaiserreiches. Weil auf seinem Boden ein bedeutender Theil der röm. Streitkräfte gegen die Germanen aufgestellt war, so wurden viele röm. Kaiser von den Soldaten in Gallien erwählt u. mancher Heereszug vom Rheine nach Rom unternommen. Zur Zeit der Völkerwanderung zogen Vandalen, Alanen und Sueven durch, Burgunder, Westgothen, Franken und Alemannen (im Elsaß) ließen sich nieder. Herrschendes Volk wurden die Franken durch den Merowinger Chlodewig (481–511), der nicht nur die fränk. Stämme zu einer Monarchie vereinigte, sondern auch Westgothen u. Burgunder größtentheils unterwarf und durch die Besiegung der Alemannen und Thüringer die fränk. Herrschaft bis tief in das eigentliche Deutschland ausbreitete. Durch seine Bekehrung zur kathol. Kirche wurden die Franken zur ersten der westl. Nationen, zum schirmenden Volke des päpstl. Stuhles u. ihre Waffen entschieden den schnellen Sieg der Kirche über den Arianismus, sowie über das altgermanische Heidenthum im südl. u. nördl. Deutschland; die Franken bildeten also die Grundlage der europ. neuen Culturentwicklung. Zwar zerfiel nach Chlodewig das Reich mehrmals in Bruchtheile, das Königshaus entartete und die Nation drohte zu verwildern, die Tüchtigkeit der ersten Reichsbeamten jedoch, der königl. Hausmeier (Majores domus), stellte nicht nur die Reichseinheit wieder her u. behauptete das eroberte Gebiet, sondern warf auch den Sturm des Islam (733) in der Schlacht von Tours zurück und rettete die europ. Christenheit. Diese Familie der königl. Majordomus erkämpfte bei Testri 687 die Erblichkeit ihrer Würde, Pipin der Kurze aber entthronte 752 den letzten Merowinger u. setzte sich selbst die Krone auf, welche 235 Jahre von seinen Nachkommen, den Karolingern, getragen wurde. Karl d. Gr. (768–814) erweiterte das Reich bis an den Ebro, die Eider, die Saale, Raab, südl. bis an den Garigliano; durch die Unterwerfung und Christianisirung der Sachsen sicherte er die Uebermacht des Christenthums bei den german. Völkern, durch die Gründung des Kirchenstaates gab er dem päpstl. Stuhle eine unabhängige Stellung neben den Thronen und durch seine Wiederherstellung der röm. Kaiserwürde rief er die Idee einer christl. Staatenfamilie unter der höchsten Autorität des Papstes und Kaisers in das Leben, eine Idee, der wir das Meiste von dem Schönen und Großen verdanken, welches das Mittelalter vor den andern Epochen der Menschheit auszeichnet. Das große Reich überdauerte seinen Stifter nicht lange, schon der Vertrag von Verdun 843 sonderte Frankreich, Deutschland und Italien, wobei sich die nationale Verschiedenheit bereits geltend machte. Diejenigen Franken, welche sich in dem alten Gallien niederließen, die salischen (die Westfranken oder Neustrier), verschmolzen mit den röm. Galliern allmälig zu einem neuen Volke, um so leichter, als sie eine gemeinschaftl. Religion hatten, die röm. Gallier viel zahlreicher als die Franken waren und die fränk. Geistlichkeit ihre Bildung von den röm. Galliern erhielt. Mit diesem allmäligen Verschwinden der german. Nationalität bei den Franken, die zu Franzosen (Français) wurden, geht das Erlöschen der german. Freiheiten Hand in Hand; kein volles Jahrh. nach Karls Tode finden wir in Frankreich keinen Heerbann mehr, keine gemeinen Freien, keine Versammlungen etc.; der Lehensadel mit der Hörigkeit ist begründet, es gibt kein Landgut mehr ohne einen adeligen Herrn. Diese Ausbildung der Adelsmacht schwächte die Macht der Krone und des Reichs; eine schöne Provinz (die Normandie) mußte den nordischen Seeräubern eingeräumt werden, an Deutschland aber ging Lothringen verloren. Unter den 40 größeren Herrschaften wurde allmälig das Herzogthum Francien oder Isle de France (Paris, Orleans, Blois, Beauvais, Amiens etc.) unter den Capet (angeblich von einem Bruder Karl Martells abstammend) so mächtig, daß dieselben schon unter den letzten Karolingern mehr als die Könige galten und nach dem Aussterben des Karolingischen Mannsstamms 987 den erledigten Thron einnahmen (987–1328). Diese Capetinger hielten den Grundsatz fest, durch ihre Hausmacht die königl. Macht wieder herzustellen und es gelang ihnen ebenso sehr durch die Gunst der Umstände als durch persönliche Tüchtigkeit. Die Kreuzzüge beschäftigten den franz. Adel lange im Oriente und minderten dessen Anzahl u. Gut; der Krieg gegen die Albigenser (s. d.) brachte zuletzt die große Grafschaft Toulouse an die Krone, der blutige Kampf mit den Königen von England um die normann. Besitzungen (unter Philipp August 1180–1223 glücklich beendigt) vereinigte die franz. Patrioten um das Panner des Königs und endlich benutzten die franz. Könige seit Ludwig VI. (1108–37) den Bürgerstand zur Demüthigung des Adels. Philipp August II. (1180–1223) schuf sich mit dem Gelde, das er den Juden abnahm, ein stehendes Heer, mit welchem er die widerstrebenden Vasallen demüthigte, die Engländer siegreich bekämpfte u. den deutschen Kaiser Otto IV. bei Bovines 1214 schlug. Ludwig IX., der Heilige (1226–70), klug, tapfer u. durch seinen Charakter verehrungswürdig, schuf ein Rechtsverfahren, das durch Regelmäßigkeit und Billigkeit allgemeine Anerkennung fand u. die nächste u. nachhaltige Ursache war, daß die Gerichtsbarkeit des Adels allmälig an die Krone überging. Philipp IV., der Schöne (1285 bis 1314), berief die Generalstände (états généraux) und gab in denselben dem 3. Stande einen Einfluß, den er gegen den Adel u. die hohe Geistlichkeit benutzte, indem er ihn diesen Staatskörpern gleichstellte; er änderte die ständische Verfassung dahin ab, daß die ehemals selbstständigen Vasallen dem übrigen Adel in der Versammlung, dem von seinen Standesgenossen gewählten, an polit. Rechten nicht überlegen waren. Philipp IV. vermehrte seine Macht durch Aufhebung des Templerordens und die Einziehung von dessen Gütern, durch seinen glücklichen Kampf mit Papst Bonifaz VIII. (s. d.), wodurch die Krone eine unerhörte Macht in Betreff der Kirche erhielt, endlich durch die Organisirung des Pariser Parlaments, das seine Gerichtsbarkeit über alle Stände ausdehnte. Mit Philipp VI., dem Sohne eines jüngern Bruders von Philipp IV., kam 1328 das Haus Valois auf den Thron; unter ihm begann der Kampf mit den engl. Königen, der nach beispiellosem Glückswechsel mit der Vertreibung der Engländer vom Festlande endigte. Die engl. Könige waren als Besitzer von Gascogne, Limousin, Perigord und Quercy die mächtigsten Vasallen der franz. Könige, ein Verhältniß, das nothwendig zu einem Bruche führen mußte. Eduard III. von England sprach als Tochtersohn Philipps IV. die Nachfolge auf dem franz. Throne an und begann den Krieg; 1346 siegte er bei Crecy, sein Sohn, der schwarze Prinz, schlug Philipps VI. Nachfolger Johann I. 1356 noch entscheidender bei Poitiers; Johann wurde selbst gefangen und mußte 1360 im Frieden von Bretigny den schönsten Theil des südwestl. F.s als Herzogthum Aquitanien abtreten. Gleichzeitig wurde F. von inneren Unruhen geschwächt; die Generalstaaten bemächtigten sich der Regierung, die Pariser aber spielten zum erstenmale die Rolle sich als F. zu gebärden und demselben ihren Willen aufzunöthigen, und gleichzeitig drohte ein wüthender Bauernaufstand (Jacquerie) dem Adel Vertilgung. Unter Karl V. (1364–80) wurden die Aufstände niedergeschlagen und durch Bertrand Duguesclin die Engländer zurückgetrieben, aber die Regierung Karls VI. (1380–1422) schien F. verderben zu müssen. Die Volksaufstände begannen von neuem, als während seiner Minderjährigkeit die Großen das Volk drückten, der Streit der Herzoge von Orleans u. Burgund (1363 hatte König Johann II. das heimgefallene Burgund nicht mit der Krone vereinigt, sondern seinem jüngern Sohn Philipp als Lehen übertragen) um die Regentschaft für den wahnsinnig gewordenen König führte zu Verbrechen und Bürgerkrieg, zuletzt zum Landesverrathe. Heinrich V. von England erneuerte die Ansprüche auf die franz. Krone und siegte 1415 bei Azincourt; der Vertrag von Troyes 1520 sicherte ihm die Nachfolge. Der Dauphin Karl (seit 1522 Karl VI.) behauptete sich kaum hinter der Loire, 1528 war für ihn der größte Theil des Reichs verloren, und mit dem Falle des hart belagerten Orleans das ganze Reich. Da rettete das wunderbare Mädchen Jeanne dʼArc (s. d.) Orleans u. verschaffte den Franzosen dergestalt das Uebergewicht im Kriege, daß die Engländer 1451 bis auf Calais alles verloren hatten. Ludwig XI. (1461 bis 83), ein kräftiger, kluger aber gewissenloser Mann, benutzte abermals den Bürgerstand gegen den Adel, dessen mächtigste Glieder er mit List gewann oder mit List und Gewalt zu Grunde richtete. Die Thorheiten Karls des Kühnen von Burgund beutete Ludwig XI. trefflich aus und als Karl bei Nancy 1477 gefallen war, nahm der König das franz. Burgund für die Krone in Beschlag und behauptete auch dasselbe. Eine geregelte Finanzverwaltung machte es ihm möglich, ein gut geordnetes u. wohl bezahltes Heer zu unterhalten, welch es eben so sehr dem königl. Willen in F. Nachdruck gab als dem Aus lande Respect einflößte; Ludwig XI. ist deßwegen der Wiederhersteller der Königsmacht sowie der Ueberlegenheit F.s über die Nachbarstaaten. Karl VIII. (1483 bis 98) eroberte die Bretagne, er und Ludwig XII. (1498–1515) machten bereits Eroberungszüge nach Italien, die zwar scheiterten, aber die Luft u. Macht F.s Eroberungen zu machen deutlich bewiesen. Franz I. (1515–47) vermochte zwar in öfters erneuertem Kriege nicht, dem Hause Habsburg Oberitalien zu entreißen, dagegen behauptete er gegen dasselbe das Herzogthum Burgund, sein Sohn Heinrich II. (1547–59) eroberte von dem deutschen Reiche Metz, Toul u. Verdun (dies war der ausbedungene Preis für die Unterstützung der deutschen Protestanten gegen den Kaiser), und von den Engländern Calais. Den erobernden Gang der franz. Politik hemmten die Reformationsstürme nur kurze Zeit. Die Reformation fand in F. frühe Eingang und zahlreichen Anhang, aber nicht wie in Deutschland in der Form des Lutherthums, das den weltlichen Herren das ganze Kirchenregiment überantwortete, sondern des Calvinismus, der durch seinen grell hingestellten Gegensatz in Lehre und Gebräuchen das kathol. Volk heftiger aufregte, dadurch aber, daß er die Kirchengewalt in die Hand der Gemeinden legte, die franz. Könige abstieß. Sie begannen die Verfolgung der Hugenotten (der franz. Calvinisten) frühe und erneuerten dieselbe mehrmals; diese aber fanden Häupter in dem Adel u. selbst unter den königl. Prinzen, welche viel weniger aus religiösen Beweggründen als aus Eifersucht auf den Einfluß der Herzoge von Guise diese Partei erwählten. Von 1562–98, dem Einzuge Heinrichs IV., unter den Königen Karl IX. (1560–71), Heinrich III. (1574–89) wüthete von einzelnen Friedensschlüssen unterbrochen ein furchtbarer Bürgerkrieg, den spanischer u. englischer Einfluß in entgegengesetzter Richtung schürten. Den Ausschlag zu Gunsten der Katholiken gab die Stadt Paris und rettete dadurch die Einheit des franz. Reichs; denn die Hugenotten, welche zahlreiche feste Plätze inne hatten und namentlich im Süden und Westen stark waren, hatten nicht nur eine eigene religiöse Richtung, sondern auch eine eigene politische; bei ihnen herrschte ein republikan. Provincialgeist vor, der in der Stiftung von Republiken wie Genf und Holland sein letztes Ziel erblickte. Mit Heinrich IV. von Navarra kam der capetingische Zweig der Bourbons (s. d.) auf den Thron; er war der Einschränkungen, die er sich von den Hugenotten gefallen lassen mußte, sehr überdrüßig, war auch zu klug, um nicht einzusehen, daß nur ein kathol. König F. regieren könne, darum wurde er katholisch und wurde von den Katholiken anerkannt, während er seine früheren Glaubensgenossen durch das Edict von Nantes abfand (1598), das ihre Zukunft nicht sicherte, aber ihnen gleichsam einen Staat im Staate zu bilden gestattete (es blieben ihnen eigene Bezirke, Festungen, eigene Gerichte, Schulen). Unter Heinrich IV. wurden durch Sully neue Hilfsquellen geschaffen und der Grund zur späteren Blüte der Industrie und des Handels gelegt; er verbündete sich auch mit den protestant. deutschen Fürsten zur Zerstückelung Deutschlands in eine Anzahl souveräner Staaten, wurde aber mitten unter seinen gewaltigen Rüstungen ermordet (1610). Unter Ludwig XIII. (1610–43) wurden die Hugenotten ihrer ausnahmsweisen Stellung beraubt, aber sie behielten völliges Bürgerrecht; unter ihm vollendete Cardinal Richelieu die Allgewalt der Krone gegenüber dem Adel und die ministerielle Allmacht gegenüber dem Hofadel und der Familie des Königs; der Cardinal begründete den Beamtenstaat, in welchem jede Thätigkeit der Verwaltung dem Cabinet des Ministers unterworfen ist. Von ihm stammt die ausgebildete geheime Polizei, u. als förmliches Regierungsmittel die willkürlichen Verhaftungen auf Befehl der Krone (lettres de cachet). Die so vereinigten und zur Verfügung der Krone gestellten Kräfte F.s benutzte Richelieu zur Vergrößerung des Reichs u. zur Demüthigung der span. und österr. Habsburger; bis 1634 erlaubte jedoch der Widerwille des Königs gegen die deutschen Protestanten dem Cardinale nur so viel, daß er sie gegen den Kaiser mit Geld und Ränken unterstützte; erst nach 1634 erschienen franz. Heere neben den schwedischen auf deutschem Boden u. Richelieu verlängerte den Krieg bis 1648 und dictirte den westfäl. Frieden, der Deutschland das Elsaß kostete. Ludwigs XIV. (1643–1715) Regierung bildet die Glanzperiode der unumschränkten Monarchie; nachdem das Widerstreben des Adels, des Parlaments und der Pariser (die Unruhen der Fronde) gegen Richelieus Regierungssystem während des Königs Minderjährigkeit durch den Cardinal Mazarin überwunden war, entfaltete sich F. in jeder Beziehung zu staunenswerther Größe. Der Handelsminister Colbert (s. d.) förderte und schützte Industrie und Handel auf jede Weise (trotz einzelner Mißgriffe, z.B. die Einrichtung der Getreidesperren, um die Ausfuhr zu verhindern, wodurch Wohlfeilheit der Lebensmittel und als weitere Folge Hebung der Fabrikation erzielt werden sollte) u. dadurch mehrte sich auch das Staatseinkommen beträchtlich. So war die Schöpfung einer überlegenen Kriegsflotte möglich u. die Aufstellung von Landheeren, die an Stärke u. Ausrüstung die der anderen Mächte weit übertrafen; daher war Ludwig XIV. stark genug, dem gegen ihn vereinigten Europa zu widerstehen, dem trägen Spanien Roussillon, Artois, einen schönen Theil von Flandern, die ganze Franche Comté, dem deutschen Reiche aber Straßburg u. das ganze Elsaß zu entreißen. Der König bezauberte die Franzosen nicht allein durch Kriegsruhm, sondern auch durch den Glanz seiner Hofhaltung, durch die von ihm hervorgerufene Blüte der Künste und Wissenschaften, kurz durch das Bewußtsein, daß die Franzosen die erste Nation der Erde seien. Doch trat schon unter ihm der Wendepunkt ein; durch seinen Uebermuth gegen den hl. Stuhl (s. Gallikan. Kirche) schadete er der kirchl. Autorität u. damit auch der königl.; durch die Aufhebung der Freiheit des Cultus für die Protestanten, durch die Dragonaden u. die Exilirung von vielleicht 100000 prot. Familien brachte er ohne Noth u. Nutzen über F. alle Folgen eines Bürgerkriegs, durch die Unterstützung der verlorenen Sache Jakobs II. von England aber waffnete er dieses Reich gegen das seinige und zwang es zu Anstrengungen, welche F.s Uebermacht brachen. Zudem ließ er sich in seiner letzten Zeit durch die frömmelnde Maintenon leiten, wählte Minister und Feldherren nicht mit der früheren Umsicht, beging eben deßwegen polit. Mißgriffe und wurde von dem Kriegsglücke verlassen. Durch den span. Erbfolgekrieg, seinen letzten Krieg, gewann er allerdings den span. Thron für sein Geschlecht, aber F.s Waffenruhm hatte durch Eugen und Marlborough sehr gelitten, F. war furchtbar erschöpft u. eine erdrückende Staatsschuld, 3500 Mill. Livres, aufgethürmt. Die Regentschaft des Herzogs Philipp von Orleans (1715–23) steigerte das Uebel; im Gegensatze zu der Heuchelei, welche unter Ludwig XIV. Ton gewesen war, machte sich die Unsittlichkeit in schamloser Weise geltend u. entwürdigte dadurch die höchsten Personen in den Augen der Nation; der Finanzschwindel (s. Law) erschütterte den Credit der Regierung und das Vermögen der Privaten, u. als endlich Ludwig XV. regierte (1723–74), wurde F. vom Unheile überfluthet: der König, obwohl nicht ohne Talent, ließ sich von Mätressen beherrschen und fröhnte der Wollust in der erniedrigendsten Weise; das Deficit in den Finanzen mehrte sich mit jedem Jahre; obwohl Lothringen und Corsica erobert wurden, so erfuhren doch die franz. Fahnen im 7jähr. Kriege unerhörte Schmach; die Jesuiten wurden vertrieben, dagegen arbeitete eine Literatur, die durch Namen wie Voltaire, Rousseau, dʼAlembert etc. charakterisirt ist, unter dem Schutze der höheren Stände an der Zertrümmerung des Altares und Thrones, und zuletzt gerieth die Krone in einen Kampf mit den Parlamenten, welche sich einer Controle der Regierungsmaßregeln bemächtigten, die ihnen nicht zustand; Ludwig XV. vermochte trotz der Anwendung der Militärgewalt nicht diesen Widerstand zu unterdrücken und dem von ihm an die Stelle der Parlamente gesetzten neuen Gerichtskörper Geltung zu verschaffen. Bei Ludwigs XV. Tode (1774) war die Ueberzeugung allgemein herrschend, daß der bisherige Zustand nicht mehr haltbar sei u. eine Aenderung eintreten müsse. Ludwig XVI., der tugendhafte, wohlmeinende Enkel u. Nachfolger Ludwigs XV., hatte auch die Absicht, durch sein Ministerium Turgot jene nothwendige Veränderung selbst herbeizuführen. Aufhebung der Steuerfreiheit der privilegirten Stände und Gleichheit der Besteurung auf Grundlage eines Katasters, Abschaffung des Bezugs der indirecten Steuern durch Verpachtung derselben an den Meistbietenden (Generalpächter); Aufhebung der Käuflichkeit der richterlichen Aemter sowie der Offiziersstellen; Abschaffung der privilegirten Corps in der Armee; Reduction des übermäßig großen Offizierscorps; Aufhebung der Mauthlinien zwischen den einzelnen Provinzen u. aller Schranken des innern Verkehrs; die Abfassung eines allgemeinen Gesetzbuches; Berufung von Generalständen od. wenigstens Provinciallandtagen – dieses waren ungefähr die Aufgaben, welche das Ministerium Turgot mit der Unterstützung des Königs zu lösen vor sich hatte. Allein der Monarch war nicht im Stande dem Einflusse des Hofes zu widerstehen u. ließ sein Ministerium fallen; der in das Finanzministerium berufene Necker, ein Banquier aus Genf, stellte den Credit des Staates in soweit wieder her, daß einige Anlehen gemacht werden konnten, aber diese wurden von dem Kriege gegen England zu Gunsten Nordamerikas verschlungen, so daß dieser für F. ehrenvolle Krieg nur die Zerrüttung vermehrte. Auch Necker fand kein anderes Hilfsmittel als die Besteurung der privilegirten Stände und wurde deßwegen gestürzt; sein Nachfolger De Calonne erschöpfte durch seine Anlehen den Staatscredit so vollständig, daß der Bankerott vor der Thüre stand. Eine allgemeine Grundsteuer u. Stempeltaxe sollte helfen, doch konnte man dieselbe nicht erheben, wenn sie nur durch die Regierungsgewalt und nicht von den privilegirten Ständen aufgelegt wurde. Deßwegen wurden 1787 die Notabeln berufen, aber diese Versammlung ging nicht in die Wünsche der Regierung ein, das Parlament eben so wenig, ein Ministerwechsel half nichts, Berufung der Generalstände wurde das Feldgeschrei durch ganz F., auch ein Prinz, der Herzog von Orleans, stimmte diesem bei u. so berief denn der König auf den 5. Mai 1789 die Generalstände nach Versailles ein. Aber Necker, der von dem Könige wieder in das Ministerium eingesetzt, die verhängnißvolle Berufung der Stände durchgesetzt hatte, vergaß es, irgend eine Geschäftsordnung für dieselbe zu entwerfen und überließ selbst die Form der Berathungen dem Willen der Versammlung. Adel und Geistlichkeit verlangten getrennte Sitzungen nach Ständen, der 3. Stand, der Zahl nach den Deputirten den beiden andern zusammengenommen gleich, gemeinschaftliche, erklärte sich den 17. Juni auf Antrag des Abbé Sièyes zur Nationalversammlung, schwur am 20. im Ballhause F. eine neue Verfassung zu geben u. decretirte am 23. die Unverletzlichkeit der Deputirten. Der König entließ Neckern, weil er durch seinen Rath diese Lage herbeigeführt hatte, und zog eine Truppenmacht um Paris zusammen, allein die allgemeine Stimmung sprach sich für die Nationalversammlung aus, das Militär zeigte denselben Geist und versagte schon theilweise den Gehorsam, eine ungeheure Volksmasse aber erstürmte den 14. Juli die Bastille, eine alte Festung in Paris, durch welche die Stadt gezügelt werden sollte. Paris bewaffnete sich, ganz F. folgte diesem Beispiele u. so verlor der König der anschwellenden Bewegung gegenüber den letzten Halt: die militärische Ueberlegenheit; am 5. Octbr. veranlaßte die Bewirthung eines Regimentes einen neuen Aufstand in Paris, der damit endigte, daß bewaffnete Schaaren nach Versailles zogen u. die königl. Familie nebst der Nationalversammlung nach Paris brachten, wo die Stadtbevölkerung das immer bereite Unterstützungsheer der Revolution bildete. Die Verfassung, die F. beglücken sollte, die ganze Einrichtung des Staates fiel der Versammlung anheim, diese baute dieselbe aber nach den Principien des Naturrechts auf, ohne alle Rücksicht auf F.s sittlichen und bürgerlichen Zustand, ohne Rücksicht auf die schlimmen Eigenschaften der Franzosen. Denn wie damals bei der sog. gebildeten Welt die Meinung als untrügliche Wahrheit galt, jeder Mensch sei von Natur aus gut u. man dürfe ihn als Kind bloß seiner naturgemäßen Entwicklung überlassen, wenn man einen verständigen und tugendhaften Erwachsenen erhalten wolle (Rousseauʼs Emil), so galt es nicht minder als untrüglicher Satz, das Volk sei ebenso vernünftig als gut, wenn es nur gute Gesetze habe und die Ungerechtigkeiten weggeräumt seien, unter welche Gewalt und List die anfängliche Gleichheit aller Menschen begraben hätte. Wie die Wiedertäufer unter Johannes Bockhold im westfälischen Münster ihr Reich der Freiheit und Gleichheit auf unverstandene und mißbrauchte Bibelstellen erbauten, so die Beamten, Advocaten, Gelehrten, Künstler, Kaufleute u. Rentiers der Nationalversammlung zu Paris auf die Sätze einer räsonnirenden Philosophie, einer sog. Weltweisheit, deren Hauptstärke in dem witzigen Hohne bestand, mit der sie alles Hohe auf der Welt, in den religiösen wie in den socialen Einrichtungen, verfolgte. In der neuen Verfassung stand demnach die Erklärung der Menschenrechte oben an; alle Vorrechte der Stände wurden aufgehoben, vollständige Gleichheit ausgesprochen, jedes Verhältniß der Hörigkeit und der Beschränkung im Eigenthum vertilgt, die Rechtsverfassung durchaus umgestaltet, die Theilnahme des Volks an der Criminalrechtspflege (Jury) eingeführt, F. in Departements getheilt u. die Centralisation nach allen Seiten hin durchgeführt; die Einziehung der Kirchengüter und die Ausgabe eines auf sie basirten Papiergelds (Assignaten) half der finanziellen Verlegenheit für den Augenblick ab. Am 3. Septbr. 1791 war das Verfassungswerk vollendet, am 14. beschwor es der König und am 30. löste sich die (constituirende) Versammlung auf. Seit dem Sturme auf die Bastille und dem Zuge nach Versailles, während die constituirende Versammlung in F. alles zu Bürgern machte u. dem Könige zuletzt nicht so viele Rechte als dem nordamerikan. Präsidenten ließ, war der König eigentlich der Gefangene der constituirenden Versammlung, den die bewaffneten Pariser bewachten. Seine Wehrlosigkeit ermunterte die Revolutionsmänner zu weiteren Schritten; der Jacobinerclub in Paris organisirte in jedem Departement u. jeder Stadt einen Zweigverein und unterhielt dadurch eine beständige Gährung od. veranlaßte Aufstände u. Mordscenen. Die Weigerung des Königs, Verfassungsbestimmungen zu sanctioniren, welche unveräußerliche Rechte der Kirche vernichteten, wurde zur Aufhetzung der Volksmassen gegen ihn benutzt, nicht weniger auch das Sträuben vieler Priester, den Eid auf die neue kirchenfeindliche Verfassung zu leisten. Diesem traurigen Zustande suchte sich der König durch die Flucht aus Paris nach Metz zu entziehen; allein er wurde zu Menehould erkannt, am 22. Juni zu Varennes angehalten und nach Paris zurückgebracht. Er wurde suspendirt, als er die endlich fertige Verfassung annahm, wieder eingesetzt, seine Lage aber von Tag zu Tag bedrohter. Daran trug die Emigration keinen geringen Antheil von Schuld; ein großer Theil des Adels, die Brüder des Königs voran, sowie der höhern Geistlichkeit, zeigte von Anfang an eine entschiedene Abneigung gegen jede politische Reform in F. u. erbitterte dadurch den weitaus größeren Theil der Nation; dadurch wurde es vornherein unmöglich, daß die höheren Stände in der neuen Verfassung eine Geltung erhielten, und als es ende lich entschieden war, daß es in F. keinen privilegirten Stand mehr, sondern nur noch Bürger geben sollte, wanderten die meisten in das Ausland u. riefen dessen Hilfe gegen F. an. So entzogen sie sich ihrer Pflicht, Thron und Altar zu vertheidigen, ließen den König allein stehen inmitten einer aufgeregten, von verwegenen Revolutionsmännern gehetzten Bevölkerung, erbitterten dieselbe durch das Anrufen ausländ. Hilfe bis zur Wuth und bestärkten den von den Aufwieglern in immer neuen Wendungen verbreiteten Verdacht, der König theile die Gesinnung der Emigranten, sei mit ihnen und dem Auslande in Verbindung und warte sehnlich auf die Gelegenheit, das Verfassungswerk mit seinen Urhebern zu vernichten. Dadurch wuchs die republikanische Partei in der Nation wie in der seit dem 1. Octbr. 1791 zusammengetretenen gesetzgebenden Versammlung. Diese bestand aus lauter neu gewählten, meist jungen Männern, denn die constituirende Versammlung hatte durch ihren letzten Beschluß allen ihren Mitgliedern das Recht, in die gesetzgebende Versammlung gewählt werden zu dürfen, entzogen. In dieser schieden sich 3 Parteien scharf: die der Constitutionellen mit Barnave und Lafayette an der Spitze, welche die Verfassung aufrecht erhalten wollten; der Girondisten, welche die Verfassung einstweilen beibehalten aber die Republik anzubahnen gedachten, endlich die Bergpartei, entschlossen, die Republik durch jedes Mittel der Gewalt und List herzustellen. Diese Partei war in der Versammlung wie in der Nation der Zahl nach die schwächste, aber sie hatte den Pöbel von Paris und F. auf ihrer Seite, organisirte denselben durch die Jakobinerclubs und als der Gemeinderath von Paris aus ihrer Mitte eingesetzt war, mußte die gesetzgebende Versammlung bald erfahren, daß der Wille des Pariser Volks, d.h. des bewaffneten Pöbels, ihr zu gebieten im Stande sei. Der König hatte sich endlich ein girondistisches Ministerium gefallen lassen, hatte selbst mit schwerem Herzen nach dem Willen desselben den 20. April 1792 an Oesterreich den Krieg erklärt, um einem Angriffe von Deutschland her zuvorzukommen, wo Oesterreich und Preußen im sächs. Schlosse Pillnitz d. 27. Juli 1791 einen Bund gegen das revolutionäre F. geschlossen hatten. Als der König sich weigerte 20000 Nationalgarden (bewaffneten Pöbel, denn Männer, die Gewerbe treiben und ihre Familien ernähren, haben nicht Zeit zu dergleichen Auszügen) aus den südl. Provinzen nach Paris zu berufen u. die eidweigernden Priester zu deportiren, dankte das Ministerium ab und am 20. Juni erfolgte ein Aufstand gegen den König, der nur aus Mangel an Führung mißlang. Unterdessen waren franz. Heerhaufen in Belgien eingefallen, aber vor den österr. Husaren davon gelaufen; sie schrieen Verrath und ermordeten die Generale; am 25. Juli erschien das Manifest des Herzogs von Braunschweig, des preuß. Heerführers, in welchem er zu den Franzosen wie zu einer Nation von Schurken u. Buben redete, dadurch aber eine solche Erbitterung hervorrief, daß am 20. August ein neuer Aufstand in Paris losbrach. Danton, Camille Desmoulins, Santerre, Westermann etc. stellten sich an die Spitze des bewaffneten Pöbels, bemächtigten sich nachts des Stadthauses, setzten einen jakobinischen Gemeinderath ein u. zogen dann gegen die Tuilerien. Der neue Stadtrath lud den Commandanten des Schlosses, Mandat, zu einer Unterredung ein und ein Jakobiner ermordete ihn unterwegs, worauf sich die wenigen Bataillone der Nationalgarde, welche sich zur Vertheidigung des Königs eingefunden hatten, in ihre Häuser zerstreuten u. der bewaffnete Pöbel gegen die Tuilerien anrückte. Der König ließ sich verleiten mit seiner Familie aus dem Schlosse in den Sitzungssaal der gesetzgebenden Versammlung zu gehen und sich unter deren Schutz zu stellen; dadurch wurde jede Bewegung der besseren Bürgerschaft von Paris, welche durch die gewaltthätige Einsetzung des jakobin. Gemeinderaths erbittert war, zu Gunsten des Königs unmöglich. Der Pöbel erstürmte das Schloß, das 900 Schweizer bis auf den letzten Mann vertheidigten, mordete dann noch in den Häusern und Straßen, während die gesetzgebende Versammlung den König suspendirte, ihn mit seiner Familie in den sog. Tempel (ein burgähnliches Gebäude der alten Tempelritter) verwies u. die Einberufung eines Nationalconventes beschloß, der F. eine neue Verfassung geben sollte. Lafayette, der mit einem Heere bei Sedan an der Gränze stand, wollte dasselbe nach Paris zur Vertheidigung des Königs führen, allein er fand keinen Gehorsam und mußte entfliehen. So wurde der älteste Thron der Christenheit zertrümmert; die Girondisten aber, welche die Constitutionellen verdrängt hatten, mußten nun den Männern der Bergpartei weichen. Die Preußen waren in die Champagne eingerückt, hatten Longwy und Verdun ohne große Anstrengung genommen, den Argonnerwald forcirt u. bedrohten Paris, wo Tausende der Herrschaft des bewaffneten Pöbels so satt hatten, daß der Untergang der Revolution unvermeidlich schien. Da half Danton durch den Septembermord (2.–7. Septbr.); der Gemeinderath hatte alle Royalisten u. Constitutionellen in Paris verhaften lassen, bezahlte Rotten (5 Fr. war der Taglohn) ermordeten sie (über 3000) in den Gefängnissen und sicherten durch den Schrecken, welchen diese That verbreitete, die Herrschaft der Bergmänner; die betäubte Regierung und Versammlung löste sich am 21. Septbr. auf und machte dem Convente Platz. Die Preußen kamen jedoch nicht vor Paris; der Herzog von Braunschweig zog sich nach der Kanonade von Valmy (20. Septbr.) unverfolgt hinter die Mosel zurück in Folge eines geheimen Uebereinkommens mit Dumouriez und stellte dadurch das schwache österreich. Corps bloß, über welches Dumouriez mit mehr als 3facher Uebermacht bei Jemappes am 6. Novbr. einen vollständigen Sieg errang, dessen Frucht die leichte Eroberung Belgiens war. Im Septbr. war der französ. General Custine mit einem kleinen, nothdürftig bewaffneten u. gekleideten Heere in die Rheinpfalz gedrungen, eroberte Worms und Speyer, der Verrath der Mainzischen Republikaner lieferte ihm Mainz in die Hände, Frankfurt zahlte 2 Mill., ging jedoch bald wieder an die Preußen u. Hessen verloren und Custine wich über den Rhein zurück, nachdem er Mainz in Vertheidigungsstand gesetzt hatte. Ebenso schnell wurden Savoyen u. Nizza genommen, ein Beweis, wie leichtfertig man den Krieg gegen F. angefangen hatte. Der Nationalconvent erklärte schon am 22. Septbr. 1792 F. zur Republik, beschloß die Anklage des Königs, verurtheilte ihn am 17. Januar 1793 zum Tode und ließ ihn am 21. hinrichten; die Girondisten waren noch immer in der Mehrzahl, wagten aber die Hinrichtung nicht zu hindern, weil Danton sein Septembermittel anzuwenden drohte. Sie sollten jedoch der Guillotine nicht entgehen; gegen den Convent, der aller Monarchie tödtlichen Haß schwur und den Palästen Krieg ankündigte, traten nun auch fast alle europ. Monarchieen unter die Waffen und das Kriegsglück kehrte der Revolution noch einmal den Rücken. Die Oesterreicher schlugen Dumouriez am 18. März bei Neerwinden und eroberten Belgien wieder, sie rückten in F. ein, nahmen Condé, Quesnoi und Valenciennes, die Preußen Mainz, sie gingen über den Rhein und siegten bei Pirmasens, während der österreich. General Wurmser tief in die französ. Vogesen eindrang. Gleichzeitig erhob sich die Vendée zur Rache an den Königsmördern und Religionsschändern, Dumouriez aber, der einzige erprobte Feldherr, ging nach seiner Niederlage zu den Oesterreichern über; Handel u. Verkehr stockten, Paris selbst wurde von Hungersnoth bedroht. In dieser verzweifelten Lage bemächtigte sich die Bergpartei der Herrschaft über F.; die Gironde wurde am 31. Mai 1793 auf dieselbe Weise durch einen bewaffneten Pöbelhaufen gestürzt wie der König am 10. August 1792, und der Guillotine überliefert; den 6. Novbr. die Königin hingerichtet, um die Monarchen zu höhnen. Ein Wohlfahrtsausschuß regierte mit unumschränkter Vollmacht; ein Revolutionsgericht gab dessen Befehlen durch die Hinrichtung aller Verdächtigen Nachdruck; Ausschüsse für Finanzen, Krieg etc. erhielten unumschränkte Gewalt über alles Eigenthum der Bürger u. das Recht, jeden Waffenfähigen für den Kriegsdienst zu requiriren. Der Schrecken, welchen die bewaffneten Schaaren im Dienste der Jakobiner verbreiteten, erzwang Gehorsam und wurde durch den Patriotismus der Franzosen unterstützt, als sie F. abermals von den Fremden bedroht sahen. So brachte der Convent 800000 Mann auf die Beine, der Generalquartiermeister der Republik, Carnot, dirigirte sie gegen die feindlichen Armeen zum massenhaften übermächtigen Ansturme und trotz einzelner Niederlagen warfen sie den Feind von dem franz. Boden hinaus. Conventsdeputirte mit unbeschränkter Vollmacht begleiteten die Generale, die nur zwischen kühnem Angriffe oder der Guillotine zu wählen hatten. Hoche, Kleber, Marceau etc. bezwangen die Vendée nach einem fürchterlichen Kampfe, Houchard schlug die Engländer bei Hondscooten, Jourdan die Oesterreicher bei Wattignies, Pichegru und Hoche trieben die Preußen und Oesterreicher nach wechselvollem Kampfe aus dem Elsaß und der Pfalz über den Rhein, Dugommier aber eroberte am 19. Dezbr. Toulon, das sich den Engländern ergeben hatte. Im folgenden Jahre, 1794, eroberten Pichegru und Jourdan nach der Schlacht von Fleurus die Niederlande und das ganze linke Rheinufer mit Ausnahme von Mainz, Dugommier trieb die Spanier über die Pyrenäen zurück u. mit Ende des Jahres waren die republikan. Heere vom Rhein bis an die Pyrenäen und die italien. Alpen Meister. Im gleichen Jahre fiel aber auch die Herrschaft der Schreckensmänner, denn als ihr System seine Wirkung gethan hatte, ertrug es die Nation nicht länger. Danton u. Robespierre, die beiden Häupter, opferten dem allgemeinen Unwillen die Fraction der Hebertisten, welche durch wahnsinnige Religionsschändung scandalisirten; als aber Danton durch Rückkehr zur Mäßigung an die Spitze der Republik zu treten Miene machte, gelang es Robespierre seinen Nebenbuhler und dessen Freunde durch einen geschickten Handstreich zu vernichten, er selbst aber fiel durch dasselbe Manöver, indem seine Gegner im Convente durch Hilfe der besseren Bürgerschaft dessen Pöbelgarde überwältigten (28. Juli). Die letzten Maßregeln des Convents bestanden in dem allmäligen Zurücktreten von dem Schreckenssysteme, in der Vernichtung von dessen Nachzüglern, welche noch einigemale den Versuch machten, dasselbe mit Hilfe des Pöbels (der Pikenmänner der Vorstädte St. Antoine u. Marceau) wieder herzustellen; im August gab er F. eine neue Verfassung, die vollziehende Gewalt einem Directorium von 5 Männern, besiegte einen royalistischen Aufstand der Pariser Bürger durch die Kanonen des jungen Generals Napoleon Bonaparte und löste sich am 26. Septbr. auf. Der Krieg ruhte im Jahre 1795 den größeren Theil des Jahres; schon hatte Toscana mit der Republik Frieden gemacht, Spanien folgte, am 5. April sogar Preußen, das im Basler Frieden den Kampf dem erschöpften Oesterreich u. den süddeutschen Reichsständen überließ, indem es die bekannte Demarcationslinie von Ostfriesland bis an den Kocher und um Franken bis Thüringen zog. Jedoch wurden die Franzosen unter Pichegrü u. Jourdan von Clairfait und Wurmser in glorreichen Kämpfen über den Unter- und Mittelrhein auf das linke Ufer zurückgeworfen. F. bedurfte übrigens des Friedens so nothwendig als irgend ein anderes Land, denn es war durch die furchtbaren Anstrengungen erschöpft, der Staatscredit durch die maßlose Ausgabe der Assignaten (s. d.) vernichtet, darum wollte das Directorium durch einen colossalen Feldzug 1796 Oesterreich zum Frieden zwingen. Jourdan drang mit einem Heere vom Mittelrheine bis an die böhmische Gränze, Moreau von Straßburg aus bis München vor, Bonaparte aber fiel mit einem Heere in die Lombardei ein. Die beiden ersten wurden zwar von dem Erzherzoge Karl durch eine Reihe glänzender Schlachten (22. Aug. bis Octbr.) auf franz. Boden zurückgetrieben, Bonaparte aber (s. Napoleon) eroberte in seinem wundervollen ersten ital. Feldzuge Piemont, die Lombardei, Venedig und drang über das Alpengebirge bis 36 Stunden von Wien vor. Er bewirkte den Frieden von Campo Formio (17. Oct. 1797), in welchem er Venedig an Oesterreich überließ, aus der Lombardei eine cisalpinische, aus Genua eine ligurische Republik bildete, F. aber das ganze linke Rheinufer gewann; ein Congreß in Rastadt sollte die auf dem linken Rheinufer zu Schaden gekommenen weltl. Herren auf Kosten der geistlichen u. der Reichsstädte diesseits des Rheins entschädigen. Trotz dieser Siege war das Directorium in der schlimmsten Lage; neue Steuern deckten das Deficit nicht, so wenig als die Summen, welche Italien u. Deutschland hatten bezahlen müssen, der Staatsbankerott brach aus, die Directoren und noch mehr die untergeordneten Beamten genossen keiner Achtung, der Brand in der Vendée loderte abermals empor u. die Wahlen vieler Bezirke ergaben royalistische Abgeordnete in die Räthe. Da half sich das Directorium durch den Staatsstreich vom 18. Fructidor für einstweilen u. entfernte den gefürchteten Bonaparte nach dessen eigenem Wunsche durch die Expedition nach Aegypten (19. Mai 1798). Im gleichen Jahre aber ließ es die Schweiz revolutioniren und ausplündern, Rom zur Republik machen u. den Papst gewaltsam fortbringen; dies führte zu einem Bündnisse zwischen England, Oesterreich, Rußland, Neapel und der Türkei und der Krieg brach abermals aus. Der Erzherzog Karl siegte in Deutschland über Jourdan, Suwarow u. Kray in Italien über Scherer, Moreau, Macdonald, und obwohl Massena durch die Schlacht bei Zürich (15. Sept. 1799) die Schweiz, Brune gegen eine engl.-russ. Armee (15. Octbr.) Holland behauptete, so war doch F. ernstlich bedroht, weil es im Innern immer heftiger gährte u. die Regierung alles Vertrauen verloren hatte. Da landete Bonaparte den 9. Octbr. 1799 bei Frejus aus Aegypten zurückkehrend, stürzte das Directorium am 18. Brumaire (9. Mai 1800) und errichtete das Consulat. – Das Consulat war eine reine Militärregierung, wie auch der 18. Brumaire nur durch die Soldaten gemacht wurde; die Mitconsuln Bonapartes hatten nur berathende Stimmen, er besetzte unmittelbar oder mittelbar durch den Senat alle Aemter bis zu den Maires der größeren Gemeinden; der gesetzgebende Körper wurde von dem Senat aus den Departementallisten gewählt u. durfte die von der Regierung vorgeschlagenen Gesetze nur annehmen oder verwerfen, das Tribunat dagegen durfte sie prüfen; der Senat sollte über die Erhaltung der öffentlichen Freiheiten wachen, ergänzte sich aber selbst u. war sonach ein Werkzeug in der Hand des Gewalthabers. Die Preßfreiheit hörte auf, dagegen blieb die Gleichheit vor dem Gesetze, die Gleichberechtigung aller Franzosen zu Aemtern und Würden, u. die Nation war damit zufrieden, weil sie Ruhe wünschte und diese nur durch die Monarchie (vorläufig Consulat genannt) erwarten durfte. Ueberdies schien Bonaparte alle Parteien zu versöhnen; er stellte jakobinische Republikaner an, denn diese waren für den Reiz der Besoldungen am empfänglichsten, ebenso Royalisten, die sich gleich willig fügten, erlaubte allen Emigranten, wenn sie nur nicht die Waffen gegen die Republik getragen hatten, die Rückkehr, beruhigte die Vendée durch Gewalt und Güte, stellte wieder einen kirchl. Zustand her und gab durch seine eigene Thätigkeit u. unerbittliche Controle der Staatsverwaltung eine Energie, welche ihr Vertrauen u. Achtung gewann. Durch den Sieg von Marengo (14. Juni 1800) gewann er Italien wieder, durch Moreaus Sieg bei Hohenlinden (5. Dezbr.) erzwang er den Frieden von Luneville 9. Febr. 1801 und das erschöpfte England mußte sich zu dem von Amiens 27. März 1802 bequemen, in welchem F. und Holland fast alle ihre Colonien wieder erhielten, obwohl England alle Flotten seiner Gegner vernichtet od. geschlagen hatte. Bonaparte vermehrte seine Macht durch willkürliche Maßregeln ohne auf nationale Opposition zu stoßen; die gegen ihn von Jakobinern u. Royalisten unternommenen Mordversuche dienten nur zur Befestigung seiner unumschränkten Gewalt u. gaben ihm Gelegenheit Jakobiner und gefürchtete Generale wie Moreau zu entfernen. Bereits setzte er besondere Gerichte für polit. Vergehen ein, zeigte seine Neigung zum militär. Verfahren und bewies durch die auf bad. Gebiete ausgeführte Verhaftung des Herzogs von Enghien, daß er das Völkerrecht zu verletzen kein Bedenken trage, durch dessen Hinrichtung, daß er die Mittel Dantons nicht verschmähe. 1802 ließ er sich zum lebenslängl. Consul, 1804 am 18. Mai zum erblichen Kaiser der Franzosen durch Volksabstimmung ernennen und am 2. Dezbr. von dem Papste in Notredame feierlich krönen. Das Kaiserthum behielt im Innern die gleiche Richtung wie das Consulat, nur daß Napoleon einen glänzenden Hof hielt, aus seinen Generalen und hohen Beamten einen neuen Adel schuf, alle Talente in seinem Dienste zu verwenden suchte, aber jede Regung gegen seine Herrschaft auf das strengste überwachte und niederhielt. Gegen außen verfolgte er die Politik des Eroberers und diese stürzte ihn endlich; denn er mußte in seinen beständigen Kriegen durch Conscriptionen F. an Menschen fast mehr erschöpfen, als das Schreckenssystem gethan hatte; er mußte dessen financielle Kräfte auf das äußerste anstrengen; durch den Krieg mit England und das Continentalsystem verarmten die Küstenprovinzen; selbst seine Friedensschlüsse waren der Art, daß neue Kriege aus ihnen entstehen mußten, daher wurde die Sehnsucht der Nation nach Ruhe nie befriedigt, der immerwährende Krieg verhaßt, da weitaus die Mehrzahl der Franzosen mit der Ausdehnung F.s bis an den Rhein, an die Alpen und Pyrenäen zufrieden gewesen wäre. Diese allgem. Mißstimmung wurde im Siegeslärm nicht gehört, aber sie machte sich geltend, sobald das Waffenglück des Kaisers schwankend wurde und stürzte ihn vom Throne, als F. jedenfalls vom Auslande nicht mehr bedroht war als 1793. Mit England begann der Krieg bereits 1803 wieder; Napoleon besetzte Hannover, verbündete sich die Schweiz, machte die italien. Republiken zu seinem Königreich Italien, räumte Holland nicht, daher kam es zu einem Bündnisse zwischen England, Rußland, Neapel u. Oesterreich und zum Kriege. Die Engländer vernichteten bei Trafalgar 21. Octbr. 1805 F.s letzte mit ungeheurer Anstrengung ausgerüstete Flotte, Napoleon aber errang bei Ulm (14. Octbr.) und Austerlitz (2. Dezbr.) entscheidende Siege und jagte den neapolitan. Hof über die Meerenge nach Sicilien; Oesterreich verlor im Preßburger Frieden (v. 26. Dezbr.) das Venetianische, Vorderösterreich u. Tyrol, Napoleon aber stattete mit den deutschen Abtretungen so wie mit Reichsstädten, Abteien, Stiftsländern Bayern u. Württemberg aus, deren Herrscher er zu Königen erhob, ebenso Baden, jetzt Großherzogthum etc. Napoleons Schwager Murat wurde ein deutscher Landesherr als Herzog von Kleve-Berg, das Preußen gegen Hannover abtrat. Sein Bruder Joseph wurde König von Neapel, Louis König von Holland, ein Schwager Bacciochi Herzog von Piombino. Im Jahre 1806 sagten sich die Fürsten des südwestl. Deutschlands von dem Reiche los und unterwarfen sich dem Protectorate Napoleons, indem sie den Rheinbund schlossen u. dem deutschen Reiche thatsächlich ein Ende machten, Preußen aber, das endlich zu den Waffen griff, wurde bei Auerstädt und Jena (14. Octbr.) niedergeworfen, die Russen, welche wie 1805 zu spät ankamen, bei Eylau (8. Febr. 1807) u. Friedland (14. Juni) geschlagen und 9. Juli schloß Napoleon den Frieden von Tilsit, in welchem Preußen sein polnisches Gebiet (den Byalistocker Kreis erhielt Rußland, aus dem andern bildete Napoleon das Großherzogthum Warschau und schenkte es dem König von Sachsen) und alles zwischen Rhein und Elbe verlor. Aus Hessenkassel, Braunschweig u. Hannover formte er ein Königreich Westfalen für seinen jüngsten Bruder Hieronymus; Sachsen, Westfalen u. alle Fürsten mit Ausnahme Preußens wurden in den Rheinbund aufgenommen. Gleichzeitig organisirte er das Continentalsystem (s. d.) gegen England u. benutzte den unseligen Zustand der königl. Familie in Spanien, um Portugal zu besetzen und die span. Krone (1808) seinem Bruder Joseph zu verleihen, dessen neapolitan. Königskrone Murat erhielt. In Erfurt (28. Septbr. bis 14. Octbr.), wo Kaiser Alexander von Rußland mit ihm zusammentraf, wo ihm die deutschen Könige und Fürsten huldigten und unglaubliche Demüthigungen erleiden mußten, verabredete er mit Rußland die Theilung Europas und ging dann zu seinen Heeren in Spanien. Dort hatte sich das Volk gegen die übermüthigen Fremdlinge empört und einen wahren Vernichtungskrieg begonnen; Napoleon aber zersprengte alle span. Heere, nahm eine Festung nach der andern, konnte jedoch das Werk der Unterdrückung nicht vollenden, weil Oesterreich gegen ihn die Waffen erhob. Erzherzog Karl war bis an den Lech vorgedrungen, wurde aber durch eine Reihe von Schlachten (Abensberg, Eckmühl, Landshut, Regensburg) aus Bayern nach Böhmen gedrängt, Napoleon zog am 10. Mai in Wien ein, wurde zwar den 21. und 22. Mai durch die Schlacht von Aspern über die Donau zurückgeworfen, siegte jedoch bei Wagram (5. und 6. Juli), worauf Oesterreich im Wiener Frieden Krain, Friaul, Istrien, Dalmatien. Salzburg und das Hausruckviertel, Westgalizien und Krakau abtrat. Salzburg und das Hausruckviertel gab er Bayern, Galizien und Krakau dem Großherzogthum Warschau, aus den anderen Gebieten schuf er sich ein Königreich Illyrien. Hierauf vernichtete er den Kirchenstaat, schleppte Pius VII. in die Gefangenschaft, errichtete ein Großherzogthum Frankfurt als künftiges Erbe für seinen Stiefsohn Eugen, nahm Oldenburg, die Mündungen der Ems, Weser und Elbe sowie den Kanton Wallis weg, vergrößerte Westfalen, zog aber das Königreich Holland ein, als dessen König, Louis Bonaparte, dem kaiserl. Bruder nicht alle Interessen Hollands opfern wollte. Den 20. März 1811 gebar ihm Marie Louise, eine Tochter Kaisers Franz I., einen Sohn (den »König von Rom«), und somit schien das Glück Napoleons Wünsche gekrönt zu haben wie noch keines andern Sterblichen. Indessen dauerte der Kampf der Spanier fort u. sie machten von den Engländern unterstützt Fortschritte, Rußland aber, das im Bunde mit Napoleon das Ziel seiner nächsten Wünsche, Finnland und die Donaumündungen, erreicht hatte, wollte durch das Continentalsystem nicht länger seine Finanzen ruiniren u. nicht zuwarten, bis Napoleon auf den Gedanken käme, durch die Herstellung eines starken Polens den Einfluß Rußlands auf die Geschicke Europas zu brechen. Von England unterstützt und auf eine deutsche Erhebung rechnend erklärte es im Frühjahre 1812 den Krieg. Napoleon führte über 1/2 Million Krieger (22.–25. Juni) über den Niemen, aber schon der unendlich lange Marsch durch die poln. und russ. Oeden, der Mangel an Obdach und gesunder Nahrung raffte mehr als die Hälfte des Heeres weg; die blutigen Tage bei Smolensk und Borodino zehnteten die gesunde Mannschaft, und als vollends Moskau abbrannte, mußte der Rückzug angetreten werden, auf welchem das Heer bis auf einen kümmerlichen Rest zu Grunde ging. Nun erhob sich auch Preußen gegen Napoleon, der jedoch im Frühjahr mit überlegener Macht im Felde erschien und das preuß.-russische Heer in den blutigen Schlachten bei Lützen u. Bautzen überwand. Als aber auch Oesterreich den Krieg erklärte, da Napoleon seine Friedensvorschläge zurückwies, entschied die Uebermacht der Verbündeten nach manchen Schlachten in der Völkerschlacht bei Leipzig (16. bis 20. Octbr.) über die Geschicke Europas. Napoleon brachte abermals kein Heer nach F. zurück u. konnte im Jan. 1814 den in F. vordringenden Verbündeten, denen sich auch die Fürsten des Rheinbundes angeschlossen hatten, nur geringe Streitkräfte entgegensetzen. Zwar gelang es seinem kriegerischen Genie die Fehler seiner Gegner zu einigen glücklichen Schlägen zu benutzen, als sie jedoch ernstlich vorwärts gingen, mußte er unterliegen. Die Einnahme von Paris d. 30. März 1814 bewies, daß die Hauptstadt für den Kaiser nicht einstehen wollte, selbst die Marschälle und ein großer Theil der Soldaten wollten nicht länger fechten, daher dankte Napoleon 11. April 1814 zu Fontainebleau ab und ging als Souverän nach Elba, Ludwig XVIII. aber zog den 3. Mai als König von F. in Paris ein. Die Periode der 1. Restauration dauerte jedoch kaum ein volles Jahr; F. behielt zwar die Gränzen vom 1. Jan. 1792, erhielt seine meisten Colonien zurück, Ludwig XVIII. erließ die Charte, eine der engl. nachgebildete, aber noch freisinnigere Verfassung, die Verbündeten verlangten nicht einmal eine Contribution, aber es kränkte die Franzosen, daß die Bourbonen durch fremde Waffen eingesetzt waren, sie wollten nicht daran glauben, daß sie besiegt seien, endlich erfüllte das Benehmen der 1814 zurückgekehrten Royalisten mit Ekel u. Furcht. Als Napoleon am 1. März 1815 von Elba zurückkehrend bei Frejus landete, erklärten sich zuerst einige Abtheilungen Militär für ihn, von den größern Städten zuerst Grenoble, Lyon folgte diesem Beispiele und als bei Melun Ney mit seinem Corps überging, mußte Ludwig XVIII. Paris und F. verlassen, obwohl die Masse der Nation die Rückkehr Napoleons nicht gewünscht hatte. Dieser brachte nun dem constitutionellen Principe einige unfreiwillige Opfer, sah sich aber, als er bei Waterloo die Armee verloren hatte, von der Nation verlassen u. wurde von den Kammern gewissermaßen zur Abdankung gezwungen. Ludwig XVIII. regierte nun bis zu seinem Tode (16. Septbr. 1821) als constitutioneller König, indem er sein Ministerium in der Regel aus gemäßigten Royalisten bildete; das Land beruhigte sich, 1817 und 18 wurden die fremden Truppen zurückgezogen, die Contributionen gemindert, das Heer wurde allmälig wieder auf einen Achtung gebietenden Fuß gesetzt u. der Credit des Staats aufrecht erhalten. Die Ermordung des Herzogs von Berri (1820), des Stammhalters der älteren Linie der Bourbonen, erschütterte diesen Gang der Regierung; das Ministerium Villèle setzte es durch, daß die Wahlkammer erst nach 7 Jahren wieder zu erneuern sei, nachdem schon unter dem Ministerium Richelieu der große Grundbesitz durch eine Aenderung des Wahlgesetzes begünstigt worden war; es gelang sogar, die span. Cortesregierung durch bewaffnete Intervention zu stürzen und das Heer mit den Bourbons näher zu befreunden. Unter Karl X., Ludwigs XVIII. Bruder, wurde den Emigranten eine Milliarde Entschädigung bewilligt, ein Act der Gerechtigkeit, der vielfachen Anstoß erregte, sowie die Verschärfung des Sacrilegiengesetzes die Feinde der Kirche erbitterte. Ein Gesetz, welches bei Erbschaften einen Vorzug der Erstgeburt begründen wollte, fiel in der Pairskammer durch, die Aufhebung der Pariser Nationalgarde, welche sich polit. Demonstrationen erlaubt hatte, machte abermals böses Blut und 1828 fielen die Wahlen so entschieden oppositionell aus, daß Villèle dem Ministerium Martignac, aus constitutionell-monarchischen Elementen zusammengesetzt, Platz machte. Dasselbe sicherte die Preßfreiheit durch ein Preßgesetz, erneuerte das unter Ludwig XV. erlassene Gesetz gegen die Jesuiten, richtete gegen die Institute derselben sehr feindliche Maßregeln (gegen die Secondärschulen), schlug die Schlacht von Navarin mit u. befreite Griechenland durch die Expedition nach Morea. Dagegen konnte es ein Gesetz über eine Departemental- und Municipalorganisation nicht durchbringen, war überhaupt weder dem Hofe noch dem Volke werth und wurde 8. August 1829 entlassen. Das neu ernannte Ministerium Polignac war aber ein folgenschwerer Mißgriff des Königs, denn Polignac war als Verschwörer gegen Napoleon im Dienste Englands der Nation denuncirt, der Kriegsminister, General Bourmont, als Ueberläufer vor der Schlacht von Waterloo, Labourdonaye, der Minister des Innern, als blutgieriger Reactionsmann. Gewiß hatte der König Recht, wenn er glaubte, daß eine große Partei gegen sein Haus agitire, denn Dichter (Beranger etc.), Advocaten, Schriftsteller und Publicisten arbeiteten in großer Anzahl und zu geheimen Gesellschaften organisirt gegen den König, sie leiteten die Stimmung der Bourgeoisie Schritt für Schritt bis zum Hasse gegen den Hof, der sie durch die Civilliste, das Ceremoniel etc. ärgerte, während ihr zugleich die Pairie ein Greuel war, allein mit Namen, wie die der königl. Minister, war in dem nun ausbrechenden Kampfe nicht zu siegen. Die Deputirtenkammer erließ am 18. März 1830 mit 221 gegen 116 Stimmen eine Antwort auf die Thronrede, welche das Ministerium oder die Kammer auflösen mußte. Es geschah das letztere, aber die neuen Wahlen ergaben die gleich feindselige Mehrheit; unterdessen eroberte Bourmont Algier u. im Vertrauen auf die moralischen Folgen dieses Siegs bei dem Heere und dem gemeinen Volke löste der König durch die Ordonnanzen vom 25. Juli 1830 die Kammer auf, suspendirte die Preßfreiheit und änderte das Wahlgesetz für die Deputirten. Dem Marschall Marmont übergab er den Oberbefehl in Paris, aber dieser hatte kaum 15000 Mann zu seiner Verfügung; dieses ermuthigte die Feinde des Königs den Versuch eines Aufstands zu wagen; die Arbeiter in den Druckereien wurden entlassen und auf die Straße geschickt, große Geschäftsleute folgten diesem Beispiele, der Banquier Lafitte gab das nöthige Geld, aus Gruppen wurden Haufen und endlich Massen, es kam zu Reibungen mit den Gensdarmen und Soldaten, endlich fielen Schüsse, das gemeine Volk, namentlich die Arbeiter, freute sich, einmal eine Emeute im großen Style ausführen zu können, die einer der vielgepriesenen aus der ersten Revolution gleich wäre. Unter den Truppen herrschte keine Zusammenwirkung, dennoch schlugen sie sich ehrenhaft, bis einzelne Abtheilungen der Linieninfanterie zu dem Volke übergingen. Paris mußte geräumt werden, die Julirevolution (27. bis 30. Juli) war gelungen, die ältere Linie der Bourbonen gestürzt; am 3. August schiffte sich Karl X. in Cherbourg ein. Das gemeine Volk hatte gesiegt und war im Begriffe Napoleon II. oder die Republik auszurufen, allein die Bourgeoisie, welche nun auch die Waffen ergriffen hatte, bemächtigte sich, von dem Militär unterstützt, der Lage und setzte durch die Deputirtenkammer die Erwählung des Herzogs Louis Philippe von Orleans (9. August) zum Könige durch, welches sog. Bürgerkönigthum bis zum 24. Febr. 1848 dauerte. Die herrschende Partei, welche durch die Wahlen von 1827 die Revolution vorbereitet hatte, setzte nun den Wahlcensus für die Deputirtenkammer um ein Drittheil herunter, hob die Erblichkeit der Pairswürde auf u. märzte den Eingang der Charte aus, der dieselbe gleichsam als eine Gabe Ludwigs XVIII. darstellte. Zu weiteren Zugeständnissen war sie nicht zu bewegen; denn unmittelbar nach dem Siege der Revolution schied sich aus dem Parteiheere, das gemeinschaftl. gegen Karl X. operirt hatte, die sog. Linke aus, welche das Wahlrecht allgemein machen, die Civilliste soviel als möglich heruntersetzen, das ganze Abgabensystem verändern etc. wollte. Sie hätte ohne Zweifel gesiegt, wenn das Ausland wie 1791 gehandelt u. der Partei damit das Mittel in die Hand gegeben hätte, die Volksmasse wie die Bourgeoisie mit Kriegsdrohungen, Vorspiegelungen von Verräthereien der Aristokraten etc. aufzuregen; doch England anerkannte die Juliusdynastie augenblicklich, das andere Europa folgte diesem Beispiele, und wenn auch die Nichtunterstützung des italien. und poln. Aufstandes die Armee u. Volksmasse ärgerte, so gab Louis Philippe einige Genugthuung durch die Intervention für Belgien (s. d.) und die Besetzung Anconas, die Armee aber erhielt in Algier eine dauernde Beschäftigung. Die republikan. Partei hatte in der Kammer so viel als keinen Vertreter, dagegen Anhänger genug in der untersten Volksklasse, sie fand ein Organ in dem Blatte »National« (s. Carrel), das jedoch nur einen Bruchtheil der Republikaner (die welche die Republik allmälig aus der constitutionellen Monarchie entwickeln wollten) repräsentirte, während die Mehrzahl geheime Gesellschaften organisirte und von bewaffneten Aufständen alles erwartete. Diese mißlangen jedoch in Lyon und Paris und hatten nur eine Verschärfung der Gesetze gegen den Mißbrauch der Presse u. des Vereinsrechts zur Folge, und als die auf der Straße geschlagene Partei einen Mordversuch um den andern gegen die Person des Königs richtete, wurde jeder Verein zu politischen Zwecken untersagt. Louis Philippe leitete seit dem Tode Casimir Periers (der vom 13. März 1831 bis 18. Mai 1832 Minister gewesen) die Regierung persönlich und wurde durch die Kraft, mit welcher er die Unruhen in F. niederschlug u. den allgemeinen Frieden aufrecht erhielt, bei den Conservativen in ganz Europa ein gefeierter, bei den Revolutionären ein verfluchter Name; die geheimen Gesellschaften jedoch, welche sich damals in F., der Schweiz und Deutschland verbreiteten und eine vollständige Organisation erhielten, konnte er nicht unterdrücken, obwohl er in Verbindung mit den deutschen Staaten 1838 die Schweiz nöthigte, die Flüchtlinge und fremden Arbeiter, deren Theilnahme an der allgemeinen Verschwörung offenkundig war, auszuweisen. Die Selbstregierung des Königs war den ehrgeizigen Kammernobilitäten unerwünscht, weil ihre eigenen Personen etwas unscheinbar wurden; eine derselben, Thiers, Journalist und lobpreisender Geschichtschreiber der ersten Revolution, erfand das Schlagwort »le roi règne, il ne gouverne pas«, eine Coalition der Linken, der Doctrinärs (s. d.) und der sog. Tiersparti (3. Partei, der Hemmschuh für die Regierung, ohne daß sie mit der Linken gehen wollte) stürzte 1839 das Ministerium Molé, die Verweigerung der Apanage für den 2. Sohn des Königs, den Herzog von Nemours, 1840 das Ministerium Soult und brachte endlich Thiers als Minister des Auswärtigen an das Ruder. Damals hatte Mehemed Ali von Aegypten durch den Sieg von Nisib die erste oriental. Krisis herbeigeführt; Rußland, England, Oesterreich und Preußen verbürgten sich zur Aufrechthaltung der Integrität des osman. Reichs, d.h. zur Einschränkung des übermächtig gewordenen ägypt. Satrapen, F. aber nahm dessen Partei. Anfangs führte Thiers mit den Kabineten, besonders dem zu London, einen lebhaften Notenkrieg und als er nichts ausrichtete, begann er gewaltige Kriegsrüstungen. Zum entscheidenden Handeln fehlte ihm jedoch der Muth (der Admiral Lalande verlangte vergebens die Erlaubniß, mit der überlegenen französ. Flotte die engl. in den Gewässern der Levante angreifen zu dürfen), der König selbst war einem Kriege grundsätzlich abgeneigt, die Bourgeoisie ballte zwar die Faust, aber bedachte, daß ein Krieg F.s gegen ganz Europa ohne Aussicht auf Erfolg sei und nur die revolutionären Elemente entfesseln müsse. Der König ließ daher das Ministerium Thiers fallen und da Mehemed Ali gegen alle Erwartung schnell unterlag, so ging die Krise vorüber, der König er nannte das Ministerium Soult-Guizot, mit dem er bis 1848 regierte. Die Majorität in den Kammern blieb der Regierung während der ganzen Zeit u. wurde immer stärker, aber ein schwerer Schlag traf den alternden König durch den unglücklichen Tod seines ältesten Sohnes, des kräftigen und populären Herzogs von Orleans (13. Juli 1842), die Aussicht auf eine lange Regentschaft des wenig beliebten Herzogs von Nemours für den Thronerben, den erst 4 Jahre alten Grafen von Paris, belebte die gesunkenen Hoffnungen der Revolutionäre und spornte sie zu neuer Thätigkeit. Da weder die äußere Politik des Königs, noch die von Thiers und Soult bei der Kammer durchgesetzte Befestigung von Paris hingereicht hatten, dem König seinen Credit bei den Mittelklassen zu rauben, so wurde ein neues System des Angriffs gegen ihn eröffnet. Sein ganzes Regierungssystem, wurde wetteifernd verbreitet, beruhe auf nichts anderem als auf dem krassesten Materialismus. Die Rentiers ködere er dadurch, daß er die 5% Rente nicht herabsetzen lasse, Fabrikanten, Kaufleute u. große Grundbesitzer durch den Schutz ihrer privilegirten Interessen, den Capitalisten überlasse er Unternehmungen (Lieferungen für die Armee, Eisenbahnbauten etc.), bei welchen die selben auf Kosten des Staates ungeheuren Gewinn machten, an welchen die Minister, Generale u. hohen Beamten ihren Antheil hätten; der scandalöse Prozeß des Ministers Teste u. des General Cubières, ehemaligen Kriegsministers, die Ermordung der Herzogin von Praslin durch ihren eigenen Mann, der Selbstmord, durch welchen er dem Gerichte u. Schafote entgehen durfte, schienen die Behauptung zu bestätigen, daß die Corruption die höheren Schichten der Gesellschaft vollständig ergriffen habe. Der König selbst wurde mit ähnlichen Flecken nicht verschont; der Tod des Herzogs von Condé (s. d.) veranlaßte einen Prozeß und trotz der richterlichen Entscheidung eine unheilvolle Nachrede; als 1836 den Vereinigten Staaten Nordamerikas die längst anerkannte Forderung von 25 Mill. Fr. als Entschädigung für die während der Continentalsperre durch F. erlittenen Verluste ausbezahlt wurden, durchlief das Gerücht die untern Volksschichten mit Blitzesschnelle und pflanzte sich durch die geheimen Vereine nach der Schweiz und Deutschland fort: König Louis Philippe u. Präsident Jackson hätten von den betheiligten Kaufleuten die angesprochene Entschädigung vorher um ein Spottgeld angekauft und dann die verabredete Komödie gespielt, die ihnen die franz. Millionen einbrachte. Diese Erfindungen schienen durch die sog. span. Heirathen Bestätigung zu erhalten; Louis Philippe setzte es gegen die Bemühungen der engl. Politik durch, daß die Königin Isabella von Spanien einen span. Bourbon, einen Vetter heirathete, ihre Schwester aber Louis Philipps jüngstem Sohne, dem Herzoge von Montpensier, vermählt wurde; er sicherte durch diesen diplomat. Meisterstreich die Herrschaft des franz. Einflusses in Spanien, aber obgleich den Franzosen die Wuth der Engländer über diese Heirathen deren Bedeutung hätte klar machen sollen, so mußte der König in ihrer Meinung nichts anderes als eine That der eigennützigsten Hauspolitik ausgeführt, die Interessen F.s dem reichen Heirathsgute der Infantin zu Liebe geopfert haben! Es gelang, die Regierung in den Augen des Volkes verächtlich zu machen u. als die schweizerischen Radicalen 1847 die Bundesverfassung gewaltsam umstürzten, so konnte Louis Philipp nicht ernstlich einschreiten, im Gegentheile wurde er als Freund der Jesuiten, als Hauptfactor der großen Verschwörung der Monarchen und Priester gegen die Freiheit der Völker denuncirt. Das Gelingen der schweizerischen Revolution, der Jubel in Italien über die ersten Schritte Pius IX., die erregte Stimmung in Deutschland, trieb die liberale Opposition unter Barrot, Thiers u. Dufaure zu ernsten Angriffen gegen das Regierungssystem u. endlich verlangte sie eine Reform des Wahlgesetzes. Die Regierung weigerte sich, die Opposition wurde stürmischer, während die geheimen Gesellschaften sich so ruhig verhielten, daß die Bourgeoisie Muth bekam und endlich das berühmte Reformbankett am 23. Februar 1848 feiern wollte. Diese Demonstration der Bourgeoisie gegen die Regierung benutzten die geheimen Gesellschaften, deren Führer längst auf einen solchen Streich der liberalen Partei gewartet hatten; eine Masse von Arbeitern war bald auf den Straßen, griff die Municipalgarde an, überwältigte einzelne Posten, hielt aber mit dem Rufe nach Republik an sich; die bewaffnete Bourgeoisie, d.h. die Nationalgarde rückte nicht aus, denn die Bewegung war bis dahin in ihrem Sinne, der König dankte sein Ministerium ab, verwirrte u. entmuthigte die Truppen durch Befehle u. Gegenbefehle, endlich durch das Zurückziehen derselben, und jetzt erscholl von der Menge, die im Besitze des Stadthauses und der wichtigsten Straße war, der Ruf: es lebe die Republik! Odillon Barrot mit Thiers, die zuletzt ernannten Minister, wurden mit Hohn empfangen; der König dankte zu Gunsten seines Enkels ab, für den die Herzogin von Orleans die Regentschaft führen sollte, aber es war zu spät, der König mußte mit seiner Familie entfliehen. Sogleich bildete sich, durch die siegenden Proletarier gewählt, eine provisorische Regierung; der Advocat Ledru Rollin leitete das Departem. des Innern, der Dichter Lamartine die auswärtigen Angelegenheiten, Louis Blanc, der verleumderische Geschichtschreiber der Jahre 1830–40, sollte seine Organisation der Arbeit durchführen, der Arbeiter Albert weiß Gott was rathen und ordnen, der Astronom Arago wurde Marineminister etc. Aber die neue Republik erregte wohl im übrigen Europa große Bewegungen, im eigenen Lande war sie niemanden willkommen als den siegreichen sog. Arbeitern, die nun wenig mehr arbeiten aber viel Lohn einnehmen wollten. Allein die neugewählte Nationalversammlung vom 4. Mai wollte nichts von der socialistischen Republik der Arbeiter (la république vraiment démocratique) wissen, daher mußten diese es bitter bereuen, daß sie die rothe Fahne nach dem Siege im Februar nicht aufgepflanzt hatten, und neue Aufstände versuchen. Der am 15. Mai unternommene Handstreich mißlang, und der furchtbare Aufstand vom 23.–25. Juni wurde durch Militär und Nationalgarde unter General Cavaignac überwältigt, dem jetzt die Executivgewalt übertragen wurde. Die Zahl der Republikaner in der Nationalversammlung war gering und bestand meistens aus Bergmännern oder Rothen, die meisten Deputirten waren Orleanisten und Legitimisten und suchten eine Brücke zur constitutionellen Monarchie zu bauen. Allein bei dem Militär und bei dem Landvolke hatten die Legitimisten als Schwächlinge allen Credit verloren, die Orleanisten sich durch die vor dem Februar bewiesene Feindseligkeit gegen die Regierung, durch die Uebertölpelung, welche sie von den Rothen erleiden mußten, durch die feige Rathlosigkeit während der Revolution verhaßt gemacht, daher fiel die Präsidentenwahl (10. Dezbr.) mit ungeheurer Mehrheit auf Louis Napoleon, der einigen napoleon. Geist in seinen Versuchen gegen Louis Philippe gezeigt hatte. Als Präsident bewies er eine gegenrevolutionäre Politik nach außen und schlug die italien. Revolutionäre, seine ehemal. Freunde, in Rom nieder; der Nationalversammlung, die fast aus denselben Leuten wie die Deputirtenkammer Louis Philippes bestand, bezeigte er immer geringeren Respect, je mehr dieselbe ihren Wunsch kundgab, den Präsidenten nur als ein Interim bis zur Wahl des Herzogs von Joinville, des populärsten Orleans, benutzen zu wollen. Als seine Bemühungen, durch die Versammlung eine Verfassungsrevision zu bewirken, die ihm seine Gewalt verlängern sollte, scheiterten, ging er entschiedener vor; er entfernte die Generale von der Armee, die ihm abgeneigt waren, die Versammlung wagte es aus Mißtrauen gegen das Heer nicht, das Commando der Armee von Paris dem General Changarnier zu übergeben, den Louis Napoleon seines Postens enthob, und wartete ruhig den Streich ab, der, von jedermann vorhergesehen, sie am 2. Dezbr. 1851 traf und sprengte. Der Präsident verbannte seine hauptsächlichsten Gegner, legte dem Volke eine neue, der consularischen Verfassung der ersten Republik nachgebildete Verfassung vor und ließ sich im Januar 1852 auf 10 Jahre zum Präsidenten erwählen. Die Ruhe in F. wurde aufrecht erhalten, Handel u. Credit lebten wieder auf, Soldaten und Bauern bewiesen dem Napoleoniden wetteifernd ihre Anhänglichkeit, so daß er sich schon am 4. Novbr. desselben Jahres zum Kaiser wählen lassen konnte. Er nennt sich Napoleon III., regiert neben einigen parlamentar. Formen so unumschränkt als Napoleon I., hat bisher keine der liberalen Notabilitäten in Dienst genommen, scheint seine Herrschaft vorzugsweise auf die unteren Volksschichten, das Heer u. die Geistlichkeit stützen zu wollen, rühmt sich wie sein Oheim als der Retter der Civilisation von der Barbarei der Revolution, appellirt wie jener im nächsten Augenblicke an den »Willen des Volkes« u. schleudert Aussprüche in die Welt, welche dem Principe der Legitimität eine gelegentliche Kriegserklärung drohen (besonders bei der Ankündigung seiner Heirath mit der Spanierin Eugenie Marie von Guzman, Gräfin von Teba, nach dem seine Werbung um eine deutsche Prinzessin gescheitert war). Die finanziellen Kräfte F.s spannt er sehr an, in den Gang der europ. Politik aber greift er mit starker Hand ein; ohne seine Mitwirkung hätte es England nie gewagt, den von Kaiser Nikolaus hingeworfenen Handschuh aufzuheben, daß aber Napoleon III. den Krieg gegen Rußland nur als Vorspiel eines größeren Dramas betrachtet, dessen letzte Entwicklung er selbst zu bestimmen gedenkt, ist wohl außer Frage. Von dem Erfolge seiner auswärtigen Politik hängt es ab, ob das 2. franz. Kaiserthum in der Geschichte als die glückliche Wiederherstellung der von Napoleon I. gegründeten und wieder zu Grunde gerichteten Militärmonarchie oder als eine Caricatur derselben aufgezeichnet sein wird, als was die 2. franz. Republik in ihrer Vergleichung mit der 1. bereits erscheint. – Hauptwerke über die französ. Geschichte: »Duchesne«, das große Sammelwerk von Bouquet (s. d.), Michaudʼs Sammlung der Schriftsteller über die Kreuzzüge, die Memoirensammlungen von Buchon, Petitot, Montmerque, Michaud, Poujoulat, besonders die »Collection des documents inédits sur lʼhistoire de France«. Die neueste Geschichte von F. ist von Michelet; sehr interessant ist Guizots Geschichte der französ. Civilisation; die Zeiten der Merowinger und Karolinger beschrieb Thierry, die Kreuzzüge Michaud, das letzte Burgund Barante; über die Zeiten der Ligue u. Fronde Beaupoil de St. Aulaire, Ranke; über die Revolution: Thiers, Barante, Lacretelle, Roux de Bucher; über Napoleon I. Thiers; die Restauration Lacretelle, Capefigue, Vauxlabelle; über 1830–40 Louis Blanc, Capefigue.


http://www.zeno.org/Herder-1854.

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