- Bayern
Bayern, Königreich, der 3. Staat Deutschlands 1394 QM. groß mit 4559452 E., darunter männl. 2234092, weibl. 2325360, in 996347 Familien. Die Mehrzal der Einw. ist kath.; Prot. 1203000, über 60000 Juden. B. zerfällt geograph. in 2 Theile: das eigentliche Bayern, auf beiden Seiten der Donau, vom Hochgebirge der Alpen bis zum mitteldeutschen Gebirge, vom Böhmerwald und der Salza bis an die rauhe Alp und Iller, begränzt im Süden und Osten vom Bodensee und Oesterreich, im Norden von Sachsen, den kleinen thüringischen Staaten, im Westen von den beiden Hessen und Württemberg, – und Rheinbayern, auf dem linken Rheinufer, von Baden, Hessendarmstadt, Preußen und Frankreich umgeben. Politisch eingetheilt ist das Königreich seit 1838 in die Kreise Oberbayern, Niederbayern, Pfalz, Oberpfalz und Regensburg, Oberfranken, Mittelfranken, Unterfranken und Aschaffenburg, Schwaben und Neuburg. Die Bodenverhältnisse sind sehr mannigfaltig; im Süden des Hauptlandes erstrecken sich die Algäuer Alpen von der Iller bis an den Lech (vergl. Algau), die bayer. vom Lech bis an die Salza mit dem Höllenthalspitz 8237', Blassen 8308', Teufelssaß 8710', Zugspitz 9097' Watzmann 9060', Hochaltar 8245' hoch. An ihrem Fuße setzt sich der schweizerische Seenkranz fort: Bodensee, Ammer-. Würm-, Staffel-, Tegern-, Walch-, Chiem- und Königssee, nebst vielen kleineren. Von dem Gebirge dacht sich das Land in einer Hochfläche allmälig an die Donau ab; ihr fließen auch die Iller, Lech mit Wertach, Isar mit Amber, Inn mit Salza und viele kleinere Flüsse zu. An der Donau und Isar verwandelt sich die Hochfläche an einigen Stellen in Moor, z.B. Donaumoos 4 QM. groß, Erdingermoos an der Isar 5 QM. groß. Im Osten des Landes zieht sich der gegen Bayern steil abfallende Böhmerwald von der Donau bis an das Fichtelgebirge (Arber 4550', Rachel 4470' hoch), die Gränze gegen Böhmen bildend; der Böhmerwald sendet der Donau den Regen und die Nab zu. An ihn schließt sich das Fichtelgebirge (Schneeberg 3237', Ochsenkopf 3134' hoch) mit den Mainquellen, und an dieses der Frankenwald. weiter der Thüringerwald und im Westen die hohe Rhön (Kreuzberg 2850' hoch). Westl. erhebt sich der waldige Spessart (Lerchengarten 1860' Geiersberg 1900' hoch) durch den Main vom Odenwalde getrennt. Eine Fortsetzung der württemb. Hochebenen ist im Westen der Regnitz der Steigerwald (Schwammberg 2200'), und bei Nördlingen tritt der Jura herüber (Wülzburg 1906' hoch) der sich bis an den Main zieht. In Rheinbayern erscheint die Fortsetzung der Vogesen mit steilem Abfall in die Rheinebene. – Von der Oberfläche Bayerns kommen 9793270 Tagewerke auf das Ackerland. 2792160 auf Wiesen, 363810 auf Weinberge und Gärten, 6444880 auf die Wälder (16104 Tagew. = 1 QM.). Diesen Verhältnissen entspricht der Ackerbau, der treffliche Cerealien liefert; die Ausfuhr des Ueberflusses geht namentlich in die Schweiz. Tabak baut besonders die Pfalz und Mittelfranken (85000 Ctr.), vorzüglichen Hopfen Mittelfranken bei Spalt, Hersbruck etc. (75000 Ctr.); der Weinbau am Rhein und Main erträgt 11/2 Mill. Eimer. Obst und Gemüse bauen besonders die Rhein- und Maingegenden. Die Viehzucht ist blühend; B. verzehrt verhältnißmäßig am meisten Fleisch in Deutschland und doch wird noch Vieh ausgeführt. Die Zahl der Pferde soll um 300000 betragen, das Rindvieh 21/2 etc. Mill. Stück, Schafe 11/2 Mill., Schweine 900000, Ziegen 102000, Bienenstöcke 186000. – An Mineralien gewinnt B. etwas Waschgold aus Isar, Inn, Salza und Rhein; an Silber jährlich 140 Mark; Quecksilber in Rheinbayern 250 Ctr.; Eisen 850000 Ctr., Kupfer 7–800 Ctr., Blei und Galmei 200 Ctr.; an Kochsalz 750000 Centner; außerdem Marmor, Graphit, Gyps, lithographische Steine, Schleif-, Wetz- und Mühlsteine, Achate, Carneole, Chalcedone; Stein- und Braunkohlen 800000 Ctr. Von den Mineralquellen sind die bekanntesten: Kissingen, Brückenau, Boklet, Rosenheim, das Alexandersbad, Krumbach, Burgbernheim, Steben, Neumarkt, Moching, Wemding, Schäftlarn, Dankelsried. Die Industrie war von jeher in den alten Städten blühend und hebt sich in neuerer Zeit; die bedeutendsten industriellen Orte sind: Nürnberg, Augsburg, Fürth, Schwabach. Erlangen, München, Hof, Regensburg, Landshut, Straubing, Würzburg, Bayreuth, Ansbach, Amberg u.s.w. Die günstige Lage des Landes sichert B. einen lebhaften Handelsverkehr, der durch Eisenbahnen, gute Straßen, die schiffbaren Flüsse und den Ludwigskanal sich noch mehr heben wird. B. führt aus: Getreide, Hopfen, Wein, Holz, Vieh, Käse, optische Instrumente, Glaswaaren, Nürnberger Waaren, Leinwand, Bier, Silber- und Goldarbeiten, Passauer Schmelztiegel, lithogr. Steine, Metallarbeiten; die Ausfuhr wird zu 36 Mill. Gulden berechnet, die Einfuhr auf 35 Mill. In B. gilt der 241/2 Guldenfuß, der Gulden zu 60 Kr. Bildungsanstalten sind zur Genüge vorhanden: 3 Universitäten, 9 Lyceen, 26 Gymnasien, 63 latein. Schulen, 22 landwirthschaftl. und Gewerbs-, 3 Handels-, 5400 Bürger- und Volksschulen. – Die Verfassung ist monarchisch-constitutionell, die Thronfolge erblich nach dem Recht der Erstgeburt im Mannsstamme, erst nach dessen Erlöschung folgt die weibliche Linie. König ist Max II., geb. 1811. Die Reichsversammlung hat 3jährige Perioden und besteht aus 2 Kammern, den Reichsräthen und Deputirten. Als berathende Behörde hat der König einen Staatsrath. Das Ministerium besteht aus 7 einzelnen Ministerien. Die Provincialverwaltung wird durch 8 Kreisregierungen geleitet. Orden hat B. 7.: St. Hubert, St. Georg, Maximilian Joseph, der bayer. Krone (Civilverdienst), St. Michael, Ludwig, St. Elisabeth für Frauen; außerdem goldene und silberne Verdienstmedaillen für Militär und Civil. Das bayer. Heer besteht aus 77161 Mann in 2 Armeekorps, jedes zu 2 Divisionen Infanterie und 1 Division Cavalerie; dazu die Artillerie mit 192 Geschützen und das Geniekorps; zum deutschen Bundesheer stellt B. 35600 Mann mit 72 Geschützen. Festungen: Ingolstadt, Würzburg, Germersheim, Passau, die Bundesfestung Landau mit ausschließlich bayer. Besatzung. Die Staatseinnahmen sind für die Finanzperiode 1851–55 berechnet zu 36685920 fl., die Ausgaben zu 36668768; die Staatsschuld. war Dec. 1850 = 141169383 fl. 56 Kr. rhein.; der Banknotenumlauf = 7850000 fl. rhein. – B. bewohnten ursprünglich die keltischen Bojer, welche den Germanen weichen mußten; die Römer machten es zu einem Theil der norischen Provinz. Zur Zeit der Völkerwanderung ließen sich deutsche Stämme nieder, die den gemeinschaftlichen Namen Bojoarier führten; Hauptstadt wurde Regensburg. Im 7. Jahrh. waren die B. bereits von den Franken abhängig, hatten aber eigene Herzoge aus dem Geschlechte der Agilolfinger. In ihrem Streben nach Unabhängigkeit unterlagen die B., Herzog Thassilo II. wurde von Karl dem Gr. abgesetzt und B. durch Grafen regiert. Nach der Auflösung des Reiches Karls des Gr. herrschten karolingische Fürsten, erst 911 erhielten die B. wieder eigene Herzoge. Die Kaiser ertheilten die Herzogswürde verschiedenen fürstlichen Linien, nach der Aechtung des Welfen Heinrich (des Löwen) kam die Würde an das Haus Wittelsbach, das seit 1180 ununterbrochen über B. herrscht; die ersten Wittelsbacher konnten jedoch nicht das ganze B. zusammenbringen, Theilungen schwächten B. wieder, wenn es sich gehoben hatte; Kaiser Ludwig (1314–47) erwarb zu anderem Tyrol und Brandenburg, konnte sie aber nicht behaupten; auch die Vereinigung der Pfalz war nur vorübergehend. Erst seit 1506 blieb das eigentliche B. durch die Einführung des Erbfolgerechts beisammen. Im Zeitalter der Reformation hielt B. allein die neue Lehre vollständig von sich ab und wurde eine Burg der Kirche in Deutschland. Max I. (1598–1651) nahm eine europ. Stellung ein; er stiftete der prot. Union gegenüber die kath. Liga, rettete Böhmen für Habsburg, stürzte später den übermächtigen Wallenstein und im Einverständnisse mit der franz. Politik gelang es ihm zu verhindern, daß der Protestantismus in Deutschland ebenso wenig übermächtig wurde als der Kaiser. Aus dem 30jährigen Kriege trug er als Preis die Oberpfalz und Kurwürde davon. Seit 1679 war es die Politik des bayer. Hauses sich mit Frankreichs Hilfe zu vergrößern, was aber im span. (1704–14) und österr. Erbfolgekriege (1742–55) vollständig mißlang. Nach Max Joseph III. Tode (1777) kam B. an den Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz; er hätte B. an Oesterreich überlassen, wenn es nicht Friedrich II. durch den sog. bayer. Erbfolgekrieg (1778) vereitelt hätte, doch gewann Oesterreich im Teschener Frieden (1779) das Innviertel und Braunau. Einen Austausch B.s gegen die österr. Niederlande vereitelte 1784 abermals Friedrich II. mit den andern deutschen Fürsten (Fürstenbund). 1799 bestieg der Herzog von Zweibrücken, Max Joseph, den bayer. Thron. Dieser gewann im Frieden von Luneville 1801 und durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 über seine Abtretungen am linken Rheinufer bereits 100 QM. mit mehr als 200000 E. Seit 1805 schloß sich B. an Frankreich an und errang im Preßburger Frieden 500 QM. mit 1 Mill. E. und die Königswürde. 1809 brachte neuen Zuwachs, so daß B. 1700 QM. groß war. Durch den Vertrag von Ried (8. Oct. 1813) verließ B. Napoleon und trat zu den Verbündeten über, als ihm volle Souveränität und sein Gebiet garantirt war; seinen jetzigen Umfang erhielt B. durch den Wiener Congreß. 1818 gab König Max Joseph I. die Verfassung. Auf ihn († 13. Oct. 1825) folgte König Ludwig I. Er schloß 1827 mit Württemberg einen Zollvertrag, durch welchen der deutsche Zollverein eigentlich angebahnt wurde; durch seine Pflege der bildenden Künste bezeichnet König Ludwig eine Epoche der deutschen Kunst; er trat auch als Beschützer der kathol. Bestrebungen in einer Zeit auf, wo diese durch die Bureaukratie, durch Katheder und Zeitung verfehmt waren. 1832 wurde Ludwigs Sohn, Otto, König von Griechenland, aber die beiden Könige so wie Bayern selbst haben sich dieser Erhebung noch wenig freuen können. Die Landtage waren unter Ludwig I. sehr bewegt; hauptsächlich waren national-ökonomische oder finanzielle Fragen die Ursache, z.B. der Anschluß an den Zollverein, die Erübrigungsfrage, der Ludwigskanal, die Eisenbahnen, zum Theil religiöse, so namentlich die Kniebeugung der protest. Soldaten vor dem Sanctissimum bei Prozessionen. Durch die Auszeichnung einer span. Tänzerin, Lola Montez, verscherzte der König die Achtung, die seinem hohen Sinne allgemein gezollt wurde, es kam zu Tumulten, in welche der revolutionäre Weststurm vom März 1848 hineinblies, so daß der König 1848 den 20. März zu Gunsten seines Sohnes Max II. die Krone niederlegte. B. hatte darauf auch seine Unruhen und Skandale, die jedoch keine Bedeutung gewannen; nur die Rheinpfalz revolutionirte im Verein mit Baden und wurde durch die preuß. Truppen auf ihrem Marsche nach Baden zur Ruhe gebracht. Das Ministerium von der Pfordten lenkte aus dem Concessionenmachen wieder in das verfassungsmäßige Fahrwasser ein und trat der preuß. Unionspolitik entschieden entgegen, wie es auch bisher in der großen nationalen Frage eines Handelsbundes mit dem österr. Kaiserstaate eine ehrenhafte Haltung eingenommen hat. (Buchner, Geschichte von B., 7 Bde. München 1832; Mannert, Gesch. von B., 2 Bde. Leipzig 1826; Böttiger, Geschichte B.ʼs Erlangen 1832.)
http://www.zeno.org/Herder-1854.