Rom

Rom

Rom (Roma), die merkwürdigste Stadt auf der Erde, gegenwärtig die Hauptstadt des Kirchenstaats, liegt unterm 41°53'54'' nördl. Breite, 10°9' 30'' östl. Länge zu beiden Seiten der Tiber, 3 etc. Ml. von deren Mündung auf den bekannten 7 Hügeln (mons Capitolinus, Palatinus, Coelius, Aventinus, Quirinalis, Viminalis, Esquilinus), zu denen später noch der Pincius, Janiculus u. Vaticanus jenseits des Flusses gezogen wurden; von ihnen steht der Janiculus 293', der Aventinus 273', der Pincius 190' über dem Wasserspiegel der Tiber. Die älteste Stadt wurde 390 v. Chr. von den Galliern verbrannt, unregelmäßig wieder aufgebaut, jedoch erstanden bald darauf große öffentliche Bauten z.B. mehre Tempel, 312 v. Chr. die Via Appia, die erste gepflasterte Straße, die Wasserleitungen Aqua Appia und Anio vetus: die eigentlichen Prachtbauten begannen aber gegen das Ende der Republik u. dauerten unter den Kaisern von Augustus bis Konstantin fort. Während der Völkerwanderung und während des Mittelalters wurde Rom mehrmals von feindlichen Heeren eingenommen, geplündert, theilweise verbrannt, doch niemals vollständig zerstört. Unzählige Bauwerke u. Denkmäler wurden dadurch zertrümmert, so daß das Pflaster des jetzigen R. an manchen Stellen 20' hoch auf dem Schutte des alten R. liegt. Die Stadt war stark befestigt u. wurde zuletzt noch von Kaiser Aurelian mit einer Mauer umgeben; von Augustus wurde sie in 14 Regionen eingetheilt, mit denen die gegenwärtigen 14 Rioni nicht übereinstimmen, und zählte zu jener Zeit über 2 Mill. E., von denen gewiß die Hälfte Sklaven waren. Innerhalb der Stadt gab es eine ziemliche Anzahl freier Plätze, sowohl zu gymnastischen Uebungen bestimmt (campi) als zu Volks- od. Gerichtsversammlungen (fora). Die öffentlichen Gebäude, die zur Zeit der Republik allein Pracht zeigten, waren: Tempel, Amphitheater, Theater, Curien, Basiliken, Thermen, Triumphbögen, Wasserleitungen etc. Auf dem mit Tempeln, Theatern und Denkmälern geschmückten Campus Martius fanden die militärischen Uebungen und Musterungen statt; auf dem Forum Romanum (zwischen dem Capitolinus u. Palatinus), das mit Säulenhallen umringt war, stimmten zur Zeit der Republik die Centuriatcomitien ab, während die Tributcomitien ihren Versammlungsort am Fuße des Palatinus hatten; Augustus u. andere Kaiser bauten später prächtige fora (s. Forum). Der Senat versammelte sich in verschiedenen Orten, in Curien (s. Curie) und Tempeln z.B. in der curia Hostilia, in der c. Pompeji, in dem Tempel des Jupiter Capitolinus, im Tempel der Bellona etc. Die Basiliken (s. Basilika), deren erste Cato Censorinus erbaute, wurden in späterer Zeit sehr zahlreich; die Basilika Porcia diente den Tribunen zum Versammlungsorte, die Basilika Sempronia für kaufmännische Processe und Geschäfte. In der Kaiserzeit besaß Rom über 400 Tempel; die wichtigsten waren: die auf dem Capitol (s. Capitol), der des Mars, der Venus, der Vesta, des Friedens, des Apollo, der Roma, das von Agrippa erbaute Pantheon (s. Pantheon). Das älteste und größte Gebäude für öffentliche Spiele war der Circus maximus (s. Circus) zwischen dem Aventin u. Palatin; das erste steinerne Theater baute Pompejus, das aber keinen Vergleich mit denen aus der Kaiserzeit aus hielt; das größte Amphitheater war das des Vespasian (s. Colosseum). Warme Bäder (Thermen), wo das gemeine Volk zu höchst geringen Preisen sich badete, rasiren, die Nägel schneiden etc. ließ u. sich mit Seinesgleichen unterhielt, gab es sehr viele u. erstaunlich große (des Agrippa, Nero, des Titus und Trajan, der Antonine, des Diocletian). Die steinernen Triumphbögen gehören sämmtlich der Kaiserzeit an (des Titus, Septimius Severus, Constantin); deßgleichen die Ehrensäulen (des Trajan, Antonin), die Mausoleen des Augustus, Hadrian; auch öffentliche Gärten gab es erst seit dem Untergange der Republik. Die Zahl der erhaltenen Denkmäler u. der Ruinen aus der republikanischen u. cäsarischen Zeit R.s machen die Stadt allein schon zu einer der merkwürdigsten auf der Erde; aber auch aus der christlichen Vorzeit hat R. die bedeutsamsten Reste erhalten; dagegen hat es verhältnißmäßig wenige Bauwerke aus dem Mittelalter; seine jetzige Gestalt erhielt es seit dem 15. Jahrh. und ist deßwegen überaus reich an Werken der neueren ital. Kunst. Das jetzige R. hat einen Umfang von 31/2 Ml., seine 35000 Gebäude nehmen aber nicht völlig die Hälfte dieses Raums ein, die andere größere Hälfte Villen, Weinberge und Gärten; die Einwohnerzahl beträgt 178000, darunter 4000 Juden in einem eigenen Quartiere (Ghetto). Das alte R. zählte 16 Thore, das jetzige 14; von der Stadtmauer soll ein kleines Stück sich aus der Zeit des Servius Tullius erhalten haben; die anderen Theile rühren von Tiberius, Aurelian, Belisar u. aus dem 13. Jahrh., die um den Vatican mit seinen Gärten aus noch späterer Zeit her. Das alte R. hatte 6 Tiberbrücken, das neue 4; die erste stromaufwärts ist die Engelsbrücke (Pons Aelius); dann folgen: die Triumphalis, jetzt zerstört; Ponte Sisto (P. Janiculus), P. S. Bartolomeo, wegen der Tiberinsel aus 2 Theilen bestehend (P. Cestius und P. Fabricius), P. Sublicius, 1598 weggeschwemmt. Oeffentliche Plätze: der von St. Peter, wohl der prächtigste auf der Welt; del Populo, in welchen die 3 Hauptstraßen R.s: Babunia, Corso u. Ripetta münden; Navona, der Gemüsemarkt; Barberini, ehemals Forum der Flora; Colonna, mit der Antoninsäule; Farnese; Monte Cavallo, mit den berühmten Marmorrossen an dem Brunnen; die Pasquino, die Pietra etc. Von den alten Wasserleitungen bestehen noch die Aqua vergine (Aqua virgo des Agrippa), die Aqua Trajana (von ihrem Wiederhersteller Paul V. Paolina genannt; die Aqua Felice stammt von Sixtus V.; sie versehen die zahlreichen Brunnen R.s, die fast durchgängig ausgezeichnete Kunstwerke sind, mit einer Fülle von Wasser. Unter den 364 Kirchen R.s sind 5 Patriarchalkirchen, von 50 Kirchen führen 50 Cardinalpriester, von 16 ebensoviele Cardinaldiaconen den Titel; Pfarrkirchen gibt es 54. Die erste, der eigentliche Sitz des Papstes, ist die St. Johannis vom Lateran, früher Basilica salvatoris, Basilica Constantiana genannt, in ihrer jetzigen Gestalt von Julius II. bis Clemens XII. hergestellt; die schönste aller Kirchen ist St. Peter, von 1506–1626 erbaut, von den späteren Päpsten bis auf Pius VI., der die neue Sacristei hinzufügte, vollendet und ausgeschmückt mit einem Aufwande von mehr als 100 Mill. rhein. Gulden. Die ganze Länge der Kirche beträgt 666, die Breite 284, die Höhe vom äußern Erdboden bis zur Spitze des Kuppelkreuzes 503'; in den unterirdischen Räumen der Kirche ist ein großer Schatz von Reliquien (St. Peter und Paul) und von Denkmälern aus der alten St. Peterskirche. Die merkwürdigsten andern Kirchen sind: St. Paul, 1823 abgebrannt, seitdem prächtig wiederhergestellt; St. Maria Maggiore, St. Lorenzo, St. Sebastian, bei dem Eingang in die Katakomben des heil. Calixt; St. Agnes, St. Cäcilia, St. Maria in Aracöli, St. Maria sopra Minerva, St. Peter in Vinculis, St. Maria ad Martyres, gewöhnlich Rotonda genannt, das alte Pantheon; Del Jesu, am Profeßhause der Jesuiten, St. Giovanni in Fonte, das Baptisterium des Lateran. Päpstliche Paläste: 1) der Vatican, jenseits der Tiber (jener Stadttheil hieß im Mittelalter die leoninische Stadt) 1080' lang, 720' breit, der Sage nach mit 11000 Gemächern; von den Kapellen desselben sind die des hl. Lorenz, von Fiesole ausgemalt, die fixtinische mit M. Angeloʼs jüngstem Gerichte, weltberühmt; so auch die Stanzen (Leos X. Festsäle) durch Rafaels Compositionen, die Gemäldesammlung, die reichen Sammlungen von Alterthümern aller Art, die Bibliothek, die reichste an Handschriften; 2) der Quirinal, fast mitten in der Stadt, der gesünderen Luft wegen gewöhnliche Residenz des Papstes, ebenfalls reich an Kunstwerken aus alter und neuer Zeit; 3) der lateranensische Palast, zunächst an der lateran. Kirche, ist längst nicht mehr Residenz u. größtentheils für Antiken bestimmt. Päpstliche Paläste (aber nicht Residenzen) sind die 3 auf dem Capitol mit großen Kunstsammlungen; die Engelsburg (s. d.). Durch Kunstsammlungen oder Bibliotheken ausgezeichnete Privatpaläste sind namentlich: Barberini, Albani, Borghese, Braschi, Chigi, Colonna, Corsini, Doria, Farnese, Matthei, Ruspoli, Spada, Torlonia. An wohlthätigen Anstalten aller Art kommt keine andere Stadt R. gleich; dieselbe verwendet jährlich aus eigenem Vermögen und aus den Beiträgen der apostolischen Kammer 4 Mill. Francs. Ebensowenig mangelt es an Schulen aller Art, welche theilweise von Schulbrüdern, Schulschwestern etc. besorgt werden; von den Collegien ist das der Propaganda (s. d.), »das apostolische Seminar für alle Völker« das erste; durch eine große Anzahl anderer ist für die Heranbildung von Priestern verschiedener Nationen sowie für Unterricht und Erziehung von Jünglingen jedes Standes gesorgt (Collegium von St. Bonaventura, Capranicum, Cerasoli, Clementinum, Germanohungaricum, Ghislieri, Gräcum, Anglicanum, Hibernicum, Nazarenum, Nobile, Pamfili, Picenum, Romanum, großartig, reich ausgestattet, den Jesuiten gehörig; Scoticum, des Thomas Aquinas; die röm. Universität (1244 gestiftet), die Sapienza, zählt in der Regel 900 Studenten, hat aber wie die genannten Collegien durch die erste franz. Revolution und Napoleon I. an Einkommen bedeutend verloren. Die wichtigsten Akademien sind: die Archäologische, die dei Lincei für Naturwissenschaft, die Arcadica für Poesie, die Ecclesiastica für Kirchengeschichte, die San Lucca für Malerei, die Tiberina für Untersuchungen über wissenschaftliche u. Kunstgegenstände, die franz. Malerakademie etc. Die Industrie R.s arbeitet in Leder, Seide, Wolle, liefert Saiten, Gold- und Silberwaaren, besonders auch Mosaiken, Abgüsse von Antiquitäten etc.; eine wichtige Nahrungsquelle für die Stadt ist der Fremdenbesuch aus der ganzen gebildeten Welt. – Geschichte. Nach der röm. Sage wurde R. am 21. April 752, nach anderer Berechnung 753 v. Chr. auf dem palatin. Hügel gegründet; gegenüber auf dem quirinalischen erhob sich hierauf die sabin. Stadt; beide stießen später in der Tiefe, vom esquilinischen und cölischen begränzt, in der Sabura zusammen. Auf Romulus folgten als Könige: Numa Pompilius (715 bis 673), Tullus Hostilius (673–642), Ancus Marcius (641–617), Tarquinius Priscus (616–579), Servius Tullius (578–535), Tarquinius Superbus (531–510); letzterer wurde durch einen, von den Patriciern geleiteten Aufstand vertrieben n. R. Republik. Die Geschichte R.s unter den Königen ist uns unzusammenhängend überliefert worden und die kritischen Bemühungen seit Niebuhr haben wohl die Mängel der Geschichte dieser Periode enthüllt, jedoch nur in wenigen Fällen ergänzt, obwohl nicht zu leugnen ist, daß wir erst durch sie einen Begriff von der alten Verfassung R.s erhalten haben. So viel steht aus dieser 1. Periode der röm. Geschichte fest: 1) die Bevölkerung R.sbestand aus Latinern u. Sabinern, zu denen besonders durch Servius Tullius kein unbedeutendes tuskisches Element kam, so daß die Stadt schon damals die 7 Hügel umfaßte; sie stand unter Tarquinius Priscus an der Spitze der etrurischen, unter Servius Tullius der latein. Bundesstädte. 2) Die röm. Staatsreligion wurde unter den Königen vollständig ausgebildet u. ruhte wesentlich auf tuskischer Unterlage (vgl. Mythologie der Griechen und Römer, Augurn, Haruspex, Prodigium, Pontifex, Flamen etc.). 3) Durch Servius Tullius wurde die röm. Verfassung vollständig umgestaltet; vor ihm waren die Patricier (die Altbürger, der erbgesessene Adel) im ausschließlichen Besitze der bürgerlichen Rechte; ihre 3 Tribus theilten sich in je 10 Curien; die Versammlung derselben (comitia curiata) war die eigentliche Gemeindeversammlung u. aus deren Wahl gingen auch die Senatoren hervor; die Plebs d.h. die seit Tullus Hostilius angesiedelten Neubürger, war ein zahlreicher u. freier Theil der röm. Bevölkerung, aber ohne politische Rechte. Servius theilte die Plebs der Localität nach in 4 städtische und 26 ländliche Tribus, sodann führte er den Census und die Centuriatcomitien ein (vergl. Census, Centurien, Comitien), in denen auch die Plebejer ihr Stimmrecht in einer der 6 Classen des röm. Volks ausübten. Mit der Vertreibung der Könige und der Einführung der Republik verlor R. für einige Zeit seine frühere Machtstellung zu Latium und Etrurien; König Porsena von Clusium zwang R. 508 v. Chr. zu einem nachtheiligen Frieden, die Schlacht am See Regillus gegen die Latiner jedoch und glückliche Kämpfe gegen die Sabiner stellten das röm. Uebergewicht wieder her, das sich trotz der verzweifelten Gegenwehr der Aequer, Volsker, Herniker und Vejenter mehr und mehr befestigte; 396 v. Chr. unterlag Veji, R.s Nachbarstadt und Nebenbuhlerin, und selbst aus dem Kriege mit den aus Oberitalien vorgedrungenen Galliern ging R. gekräftigt hervor, obwohl 390 v. Chr. das röm. Heer an der Allia geschlagen und R. bis auf das Capitol niedergebrannt wurde. 343 begannen die Kriege mit den tapferen Samnitern, welche die Römer mit kurzen Unterbrechungen durch Friedensschlüsse u. Waffenstillstände bis 290 v. Chr. beschäftigten. Den 1. Krieg (343–341) entschied der Sieg des M. Valerius Corvus am Berge Gaurus; in dem 2. (326–304) wurde das röm. Heer in den kaudinischen Pässen zur Uebergabe genöthigt (321), allein der Senat brach die Capitulation u. nach wechselvollem Kampfe unterlagen die verblutenden Samniter und ihre letzte verzweifelte Anstrengung (298–290) entvölkerte vollends einen großen Theil Samniums. Gleichzeitig mit den Samniterkriegen oder während der Pausen hatte R. mit den Völkerschaften Mittelitaliens zu kämpfen; 340–338 v. Chr. mit den Latinern, welche als Verbündete R.s verlangten, daß ein Consul ein Latiner und die Hälfte des Senats Latiner sein sollten; die Siege am Vesuv und bei Trifanum zwangen Latium zur Unterwerfung. 311 erhoben sich die Etrusker gegen R., diesen folgten kurz darauf die Umbrer, bald auch einzelne Stämme cisalpinischer Gallier, aber die Schlachten bei Sutrium (311), am vadimonischen See (309) u. bei Sentinum (395), die blutigsten vor den punischen Kriegen, wurden von den Römern gewonnen und deren Herrschaft bis Oberitalien ausgedehnt. Der Hilferuf der Tarentiner, Lucaner u. Bruttier führte 281 v. Chr. den epirotischen König Pyrrhus nach Unteritalien; trotz seiner Siege bei Heraclea (280) und Asculum (279) unterlag er den Römern 273 bei Benevent und mußte Italien räumen; schon 266 v. Chr. gebot R. über Italien von den Gränzen des cisalpinischen Galliens bis an die sicil. Meerenge. Während R. zu einer Großmacht heranwuchs, durchlief die Entwicklung seiner republikanischen Verfassung die Stadien von der strengen Aristokratie bis zur vollendeten Demokratie, ohne daß sie ihr eigenthümlich es Gepräge verlor od. in Pöbelherrschaft ausartete. Das Recht der Magistratswahlen, die Entscheidung über Krieg und Frieden, die Jurisdiction in Staatssachen sowie die Bestätigung der von dem Senate ausgegangenen Gesetze gehörte jedenfalls zu den Befugnissen der Centuriatcomitien, nicht mehr der patricischen Curialcomitien, denen nur eine Autorität in religiösen u. Familiensachen und wohl auch bei den Beschlüssen der Tributcomitien ein Bestätigungsrecht verblieb. Die Tributcomitien waren seit Servius Tullius die Versammlungen der 30 Tribus (zu welchen nach einiger Gelehrter Meinung auch die Patricier gehörten, sich aber von den Versammlungen in der Regel ausschlossen, weil die Zahl der Plebejer zu sehr vorwog) in Angelegenheiten der Tribus (in Bausachen, Truppen- und Geldlieferungen etc.), nicht des Gesammtstaates. Nachdem aber die Plebejer durch ihren Abzug auf den hl. Berg 494 v. Chr. eigene Magistrate, die Tribunen, errungen hatten, gewannen die Tributcomitien allmälig größere Bedeutung: sie wählten seit 471 statt der Centuriatcomitien die Volkstribunen, bald auch die nichtcurulischen Aedilen; sie richteten über Frevler an der Hoheit des Volks (vgl. Coriolan) u. endlich mischten sie sich in die Staatsangelegenheiten. Dazu wurden sie von den Volkstribunen angeleitet; diese Magistrate vertraten ursprünglich die Plebejer in dem Senate, der ein Gesetz, gegen das die Tribunen ihr Veto ausgesprochen hatten, den Centuriatcomitien vorlegen mußte; sie versammelten aber sehr frühe schon die Tribus und ließen dieselbe Gesetzesvorschläge (plebiscita) abfassen, welche sie vor den Senat und durch diesen an die Centuriatcomitien brachten, die also zwar keine Gesetzeskraft für sich allein hatten, dem Volke aber doch eine Initiative in der Gesetzgebung sicherten. Durch ihre Agitation in den Tributcomitien erzwangen die Tribunen von den Patriciern mildere Schuldgesetze, 445 v. Chr. das Recht des Connubiums zwischen Plebejern u. Patriciern d.h. das Eherecht zwischen beiden Ständen mit allen rechtlichen Folgen der röm. Ehe u. endlich die Wählbarkeit der Plebejer für alle bedeutenden röm. Staatsämter, obwohl die Patricier, um dies zu verhindern, 444 v. Chr. statt der Consuln 6 Militärtribunen einsetzten, die neuen Aemter der Prätur und Censur schufen und durch die Dictatur sogar eine temporäre unumschränkte Herrschaft aufstellten (vgl. Censor, Dictator, Prätor). 367 v. Chr. erhielten die Plebejer das Anrecht auf das Consulat, 356 auf die Dictatur, 351 auf die Censur, 336 auf die Prätur, 300 auf die wichtigsten priesterlichen Aemter. Früher hatten die Plebejer (461) die Abfassung des Zwölftafelngesetzes erzwungen, wodurch die Grundsätze des röm. Privatrechts festgestellt und dem Volke bekannt wurden; die gleichen Tribunen (Licinius u. Sextius), welche 377 v. Chr. das Recht der Plebejer auf das Consulat beantragt hatten, setzten auch die agrarischen Gesetze durch, welche den Plebejern Antheil an den Staatsländereien verschafften u. für jeden Bürger ein Maximum dieses Antheils bestimmten (s. agrarische Gesetze). Nichtsdestoweniger erfolgte 287 v. Chr. noch einmal ein Aufbruch der Plebejer, diesmal auf den Janiculus, was eine neue Milderung der Schuldgesetze und die lex Hortensia zur Folge hatte, durch welche das Veto des Senats gegen Plebiscite aufgehoben, die Plebs also souverän wurde. Nachdem R. auf diese Weise demokratische Republik geworden war u. den größten Theil Italiens sich unterworfen hatte, stieß es mit einer anderen gewaltigen Republik zusammen, mit dem phönicischen Karthago, das auf dem Punkte war, sich Siciliens zu bemächtigen, was die Römer als Herren Unteritaliens nicht zugeben konnten. Der 1. punische Krieg (264–241 v. Chr.) wurde von beiden mit dem Aufgebot aller Kräfte geführt; die Römer bauten zum erstenmal eine Flotte und erfochten 260 den 1. Seesieg, 256 einen noch bedeutenderen, so daß die Consuln nach Afrika übersetzten und Karthago zur Verzweiflung brachten. Doch der eine Consul kehrte zurück, der mit einem Theile des Heeres in Afrika stehende Regulus erlitt schon das folgende Jahr eine völlige Niederlage, u. in dem nächsten ging fast eine ganze Flotte durch Sturm zu Grunde. Der Sieg bei Panormus (250) gab den Römern das Uebergewicht aufs Neue; sie verloren es aber 249 durch die Seeschlacht bei Drepanum und einen abermaligen Schiffbruch einer ganzen Flotte und erst 241 zwangen sie durch den Sieg des Catulus bei den ägatischen Inseln Karthago zum Frieden, zur Bezahlung einer großen Contribution und zur Abtretung des karthagischen Theils der Insel Sicilien, das die erste röm. Provinz wurde. Während die Karthager mit ihren meuterischen Söldnern schwer zu kämpfen hatten, nahmen ihnen die Römer 238 Sardinien und Corsica weg und zwangen sie wegen ihrer heftigen Protestation obendrein zu einer neuen Contribution; 229–228 wurde Illyrien gezüchtigt und theilweise zinsbar, von 225–222 das cisalpinische Gallien unterworfen, 219 Illyrien erobert. Unterdessen hatte Karthago den größten Theil Spaniens unterworfen u. eine furchtbare Landmacht geschaffen, mit der Hannibal im 2. punischen Kriege (218–201 v. Chr.) R. dem Untergange nahe brachte; er siegte am Ticinus und an der Trebia (218), am trasimenischen See (217) u. bei Cannä (216), bemächtigte sich Tarents und Capuas, allein er wurde von Karthago aus nicht kräftig unterstützt, die Römer gewannen in Italien und Sicilien durch M. Marcellus, in Spanien durch den jungen P. Scipio wieder einige Vortheile, und als das Heer, das Hasdrubal aus Spanien nach Italien seinem Bruder zuführte, 207 bei Siena von den Römern vernichtet wurde, sah sich Hannibal auf die Defensive in Unteritalien beschränkt. Scipios Landung (204; in Afrika u. der Abfall der Numidier riefen den Hannibal nach Afrika zurück; er verlor (202) die Schlacht bei Zama und im Frieden von 201 wurde Karthago auf sein unmittelbares Gebiet in Afrika beschränkt u. ihm jede kriegerische Unternehmung verboten. Der Krieg gegen König Philipp III. von Macedonien dauerte nur von 200–198, R. befreite Griechenland oder nahm es vielmehr in seinen gebieterischen Schutz; von 191 bis 190 währte der Krieg mit dem syr. Antiochus III., der seine Hand nach Griechenland ausstreckte und dafür Asien bis an den Taurus abtreten mußte, wo die Römer vorläufig durch Bundesgenossen festen Fuß faßten. Der 2. macedon. Krieg erforderte nur 3 Jahre (171 bis 168) u. löste die macedon. Monarchie auf, die 146 nach einem Aufstande der Bevölkerung röm. Provinz wurde; dasselbe Schicksal traf Griechenland, als die Achäer sich der Auflösung ihres Bundes mit gewaffneter Hand widersetzten; Karthago aber war nach verzweifeltem Kampfe (3. punischer Krieg 149–146) zerstört worden. Im 2. pun. Kriege hatten die Römer in Spanien den Karthagern ein großes Gebiet abgenommen, aber die Eroberung des ganzen Landes kostete sie noch viele Opfer und zudem schändeten sie ihren Namen durch Treulosigkeit; den Lusitanier Viriathus, ihren gewandten Feind, beseitigten sie durch Meuchelmord (140), brachen (136) die Capitulation, die Consul Mancinus zur Rettung seines Heeres mit der Stadt Numantia geschlossen hatte, zerstörten dieselbe 133 nach 15monatlicher Belagerung und zogen im gleichen Jahre das pergamenische Reich in Asien als Vermächtniß des letzten Königs Attalus an sich. R. stand jetzt unbestritten als die erste Macht auf der Erde da, aber durch die glücklichen Eroberungskriege hatten die inneren Verhältnisse eine sehr nachtheilige Wandlung erfahren. Der Gegensatz zwischen Plebejern und Patriciern (dem alten Geschlechtsadel) bestand längst nicht mehr, allein statt desselben hatte sich ein Aemteradel (nobilitas) aus den Familien herangebildet, von denen einzelne Mitglieder die hohen Staatsämter begleitet hatten; mit den Aemtern kam in der Regel ein großer Reichthum in solche Familien, der unter anderem auch zum Ankauf großer Grund stücke in Italien verwendet wurde. Hier war die bürgerliche Landbevölkerung besonders durch den 2. pun. Krieg zusammengeschmolzen, durch die fortwährenden Kriege verwandelte sich die kräftigste Mannschaft in ein Soldatenvolk (stehendes Militär), das nicht mehr zum Pfluge zurückkehrte, dagegen mehrte sich die arme Stadtbevölkerung, das Proletariat, während die altröm. Sittenstrenge durch den Luxus der Großen und das Zuströmen ausländischer Elemente (Sklaven, Handelsleute, Musiker, Schauspieler etc.) zersetzt wurde. Dem hereinbrechenden Uebel zu steuern beantragte der Tribun Tiberius Gracchus die Wiederherstellung der alten, nie ausgeführten agrarischen Gesetze, durch welche die Nobilität einen großen Theil ihres Grundbesitzes verloren hätte, der an arme Plebejer vertheilt werden sollte, aber T. Gracchus wurde mit 300 seiner Anhänger in einem Auflaufe von der Nobilität (den Optimaten) erschlagen; sein Bruder Cajus erneuerte als Tribun den Antrag und steigerte ihn noch, fand aber 121 v. Chr. mit mehr als 3000 Anhängern auf gleiche Weise seinen Untergang. Doch der Krieg gegen König Jugurtha von Numidien (111 bis 106) entblößte die schmähliche Habsucht röm. Vornehmer u. gab dem plebejischen Kriegsmann C. Marius Gelegenheit sich auszuzeichnen u. an die Spitze der erbitterten Plebejer zu stellen; im Kriege gegen die Cimbern und Teutonen (113 bis 101) rettete er Italien durch die Schlachten bei Aquä Sextiä u. auf der raudischen Ebene bei Vercelli; er benutzte aber seine Stellung nur, um R. selbst zum Tummelplatz der heftigsten Parteikämpfe zu machen. Da empörten sich die meisten ital. Bundesgenossen der Römer, als ihnen das verlangte Bürgerrecht abgeschlagen wurde; in einem furchtbaren Kriege (90–88) unterlagen sie zwar, doch erhielten sie das röm. Bürgerrecht u. in Folge davon wandten sich gerade die besitzlosen neuen Bürger nach R. u. verstärkten das dortige Proletariat. Der Krieg gegen König Mithridates VI. von Pontus gab endlich die Veranlassung zum förmlichen Bürgerkriege; Marius wollte dem Sulla, einem Führer der Gegenpartei, den Oberbefehl entreißen, dieser überwältigte aber durch sein Heer die Plebs in Rom, führte dann (88–83) den Krieg gegen Mithridates siegreich in Griechenland, kehrte 83 nach Italien zurück, wo Marius, Cinna, Sertorius, Carbo etc. Heere zusammengebracht, sich R.s u. damit des Senats und der Comitien bemächtigt u. gegen ihre Gegner den blutigsten Terrorismus geübt hatten. Sulla siegte und wüthete noch heftiger gegen die Gegenpartei, ließ sich zum Dictator ernennen, beschränkte die Macht der Volkstribunen, erweiterte die des Senats, gab strenge Gesetze gegen das müßige u. verbrecherische Gesindel etc., aber nach seinem Tode fanden es ehrgeizige Männer nicht schwer, die ganze Reform zu beseitigen. R. war thatsächlich keine Republik mehr; die Autorität des Senats war gebrochen, in der Stadt u. den Comitien herrschte die große Masse, die unbekümmert um die Verfassung ihre Lieblinge mit außerordentlichen Vollmachten begleitete. So den Consul Pompejus, der sich als Feldherr Sullas in Italien, Afrika u. Spanien ausgezeichnet hatte, die Seeräuberflotten im Mittelmeer vertilgte, den neuen Krieg gegen Mithridates beendigte und den größten Theil Vorderasiens unterwarf. Pompejus wollte im Senate herrschen u. als dieser sich nicht willig genug zeigte, verbündete er sich mit Crassus u. Cäsar (60) und dieses Triumvirat gebot nun durch die Volksmasse (die Comitien) über das große röm. Reich. Während Crassus gegen die Parther der Untergang fand und Pompejus in R. den Ersten spielte, eroberte Cäsar Gallien (58–49 v. Chr.) und schuf sich aus röm. und nichtröm. Elementen ein treffliches, ihm ganz ergebenes Heer, versäumte es aber nicht, in R. selbst durch sein Geld gleichzeitig für sich eine mächtige Partei zu organisiren u. sich Volkstribunen zu erkaufen. Nun wandte sich Pompejus dem Senate und der Optimatenpartei zu, Cäsar aber ließ sich nicht durch Senatsdecrete zwingen, vor seinem Nebenbuhler zurückzutreten, der Bürgerkrieg entschied sich durch die Schlachten bei Pharsalus (48), Thapsus (46) und Munda (45) zu seinen Gunsten; er ließ sich zum lebenslänglichen Dictator ernennen, wurde aber 15. März 44 von verschwornen Senatoren ermordet. Doch das Stadtvolk tumultuirte unmittelbar darauf gegen sie, die Heere erklärten sich für Octavian, Antonius und Lepidus, welche als Cäsars Rächer auftraten; in der Doppelschlacht bei Philippi (42) wurden die letzten Republikaner vernichtet, durch die Schlacht bei Aktium (31) errang Octavian gegen Antonius die Alleinherrschaft, die er bis 14 n. Chr. unter dem Namen Cäsar Augustus glücklich führte. Augustus nahm keinen der damaligen monarchischen Titel an, sondern er übte die Gewalt eines unumschränkten Monarchen, indem er die Aemter der Republik, durch welche sie den Staat regiert hatte, in seiner Person vereinigte (Imperator, Inhaber consularischer u. proconsularischer Gewalt, Censor, Volkstribun, Pontifex maximus); er hatte eine Civilliste (fiscus Caesaris), verwaltete die Kriegskasse (aerarium militare), die durch eigene Steuern genährt wurde, ernannte den Commandanten der röm. Garnison (Prätorianer) u. den Stadtgouverneur (Praefectus urbi); Augustus sicherte die Gränzen Italiens durch die Eroberung Rhätiens, Noricums und Pannoniens, gab aber nach der Niederlage des Varus im Teutoburger Walde (9 nach Chr.) den Plan auf, Germanien jenseits des Rheins zu erobern und behauptete aus strategischen Gründen jenseits der Reichsgränzen, des Rheins und der Donau, nur die agri Decumates (s. Decumates). Auch seine Nachfolger blieben in der Regel dieser Politik treu; der Zuwachs des Reiches beschränkte sich auf Britannien (unter Claudius und Domitian erobert), Cappadocien (durch Tiberius einverleibt), Dacien, unter Trajan unterworfen, der auch in Asien die röm. Gränzen gegen das Partherreich über den Euphrat an den Tigris u. Araxes vorrückte (Mesopotamien, Armenia major), wogegen schon sein Nachfolger Hadrian sie wieder an den Euphrat zurück verlegte. Im Innern befolgten alle Cäsaren (Kaiser) den Grundsatz, den Senat, das übriggebliebene aristokratisch-republikanische Element niederzuhalten, einzelne wütheten gegen ihn bis zur Vernichtung, und nur geniale Persönlichkeiten wie Trajan gaben dem selben, soviel an ihnen lag, einen Theil seiner ehemaligen Autorität zurück; im Allgemeinen blieb ihm aber nur die Rolle des Staatsraths bei einem unumschränkten Monarchen, der in der Militärmacht seine eigentliche Stütze erkennt. Die Revolutionen im röm. Kaiserreiche waren auch nicht Aufstände der röm. Bürger oder der unterworfenen Nationen (die Gallier oder vielmehr Bataver und die Juden liefern das einzige erhebliche Beispiel), sondern Militärrevolutionen, denn ein Bürgerthum von der alten Art gab es seit Augustus nicht mehr, die unterworfenen Nationen aber waren romanisirt. Die Römer romanisirten zur Zeit der Republik Italien (denn vorher war dies gallisch, ligurisch, etrurisch, umbrisch, sabinisch, griech.), indem sie die besiegten Völker zu Bundesgenossen (socii) machten d.h. diese behielten ihr eigenes Recht u. selbständige Gemeindeverwaltung, stellten aber in die röm. Kriege ihre Mannschaft, die römisch disciplinirt wurde; außerdem erhielten die Vorsteher solcher Städte das röm. Bürgerrecht. Besiegten Städten wurde aber außerdem von R. ein Theil des Grundbesitzes weggenommen, der nun als ein Bestandtheil der röm. Staatsländereien röm. Bürgern als Pachtgut überlassen oder zur Anlegung einer röm. Colonie benutzt wurde. Auch eroberte u. entvölkerte Städte wurden von den Römern colonisirt; eine solche Colonie aber war ein Ableger der röm. Bürgerschaft, eine vorgeschobene röm. Festung, das Glied einer großen Kette, welche über ein bezwungenes Land gelegt wurde. Andere Städte erhielten die Freiheit der Municipien d.h. als Gesammtgemeinde das röm. Bürgerrecht, mit freier Gemeindeverwaltung u. Beamtenwahl, jedoch ohne Stimmrecht zu R. u. ohne Befähigung zu den Staatsämtern; wieder andere Städte erhielten unter dem Titel freie Städte verschiedene Begünstigungen, von welchen die der eigenen Gerichtsbarkeit am höchsten geschätzt wurde. Eigentliche Provinzen waren von den Römern eroberte und verwaltete Länder mit eigener Verfassung, wobei die einheimischen Satzungen nur insoweit galten, als sie den röm. Einrichtungen nicht zuwider waren. In allen Provinzen wohnten aber zahlreiche eingewanderte röm. Bürger (Grundbesitzer, Kaufleute), befanden sich röm. Colonien, Municipien, freie Städte, Garnisonen des stehenden Militärs, so daß die Bevölkerung romanisirt werden mußte; dazu trug dann der Umstand wesentlich bei, daß in der Kaiserzeit die Legionen vorzugsweise aus Provincialen ausgehoben wurden. In der Kaiserzeit wurde das Bürgerrecht immer freigebiger (weil ein herrschender Bürgerstand republikanisch gewesen wäre) und zuletzt unter Caracalla allen Bewohnern des röm. Reichs verliehen; freilich hatte es damals den ehemaligen Werth nicht mehr, indessen wurde dadurch doch das röm., auf republikanische Grundlage erbaute Privatrecht allgemein, sowie sich Städteverfassungen mit freigewählten Gemeindebeamten in die spätere Zeit hinüber erhielten. Der röm. Orient behauptete zwar die griechische Sprache, allein die Nationalität im Orient war ebenso vernichtet wie im röm. Occident, daher fand die Degeneration der röm. Menschheit, sobald sie einmal begonnen hatte, überall so wenig Widerstand. Diese Degeneration begleitete die zunehmende, sich allseitig ausdehnende Cultur, u. war eine physische und geistige zugleich. Verweichlichung u. Unsittlichkeit verbreiteten sich über alle Provinzen, u. die daraus entspringende Entnervung konnte nicht ausbleiben; hatte schon Augustus seine Noth, in der Stadt R. einige Cohorten zu rekrutiren, lieferte Italien schon nach Nero so wenig streitbare Mannschaft, daß es einige pannonische Legionen wagen durften, Italien zu überziehen, um einen Gegenkaiser auf den Thron zu setzen, so wurden auch die reichen Provinzen immer ärmer an kriegstüchtiger Mannschaft, so daß schon damals die Hauptstärke des röm. Heeres am Rhein aus geworbenen und verbündeten Germanen bestand. Die griech.-röm. Religion zerfiel in sich selbst; die unzähligen Götter, deren Cult sich in das röm. Reich verpflanzt hatte, trugen vorzüglich dazu bei, ihr Ansehen gegenseitig zu vermindern u. den altväterischen Glauben des Volks zu zerrütten, während die griech. Philosophie denselben durch Untergrabung umzustürzen suchte. Die Militärdespotie der Cäsaren gestattete die antike Tugend nicht mehr, denn diese war ihrer Natur nach republikanisch, die Despotie verlangte für den Cäsar nicht nur Gehorsam und Ehrfurcht sondern göttliche Verehrung, sie knickte dadurch die menschliche Würde in dem hochgestellten Römer ebensosehr, als die menschliche Würde von den Griechen u. Römern längst in den Sklaven mit Füßen getreten worden war. Mit der republikanischen Freiheit war für Griechen u. Römer die Zeit des schaffenden Lebens vorbei; sie hatten so viel Großes u. Schönes hervorgebracht, als ihnen möglich gewesen, mit der Despotie beginnt das Hinsterben der classischen Welt: Religion, Kunst, Wissenschaft, bürgerliche Größe in der Curie, auf dem Forum sowie auf dem Schlachtfelde wurden unter den Cäsaren antik. In der ersterbenden classischen Welt ging aber das neue Leben der Menschheit auf; es war nach dem Rathschlusse des Ewigen die Zeit der Erlösung gekommen; vor dem Sohne Gottes erbleichten die aus Aegypten, Syrien, Persien etc. herüberverpflanzten wie die einheimischen Götterphantome; die Lüge und der Zweifel verstummten vor der göttlichen Wahrheit, welche den Menschen frei zu machen verhieß. Das Christenthum fand seine Gegner jedoch nicht nur in den Tyrannen auf dem Throne u. in den Sklaven der Lüfte aus jedem Stande, sondern auch bei solchen Römern, in welchen sich von dem alten Geiste noch am meisten erhalten hatte; Cäsaren wie Trajan und Marc Aurel verfolgten die Christen, weil sie in deren Religion die größte Gefahr für den Fort. bestand des röm. Universalreichs erkannten, dessen meiste Einrichtungen allerdings mit der christlichen Religion unverträglich waren. Diese beschleunigte deßwegen unstreitig die Auflösung des Reichs, welche nur in der Zeit von Vespasian bis Marc Aurel, 69–180 n. Chr. aufgehalten wurde oder aufgehalten zu werden schien; denn unter den Kaisern Tiberius, Caligula, Claudius, und Nero, 14–68 nach Chr., wurden vielleicht ebensoviele edle und gemeine Bürger hingerichtet, als ehedem in einem gefährlichen Kriege umkamen; ebenso wurden die Finanzen des Reichs von Grund aus zerrüttet, während 2 Jahren aber (68 bis 69) wüthete die Militäranarchie (die Heere riefen nacheinander Galba, Otho u. Vitellius als Kaiser aus) vom Rheine bis Palästina und verschlang Heere sowie den Wohlstand ganzer Provinzen. Nach 180 brach die Militäranarchie mit fast unbezähmbarer Wildheit aus; ein Kaiser nach dem andern wurde von den Legionen eingesetzt und beseitigt; alle Gesetzlichkeit mußte aufhören, Reich u. Heer zerrüttet werden, da es nur selten einem Kaiser gelang (wie Septimius Severus 193–211) die Ordnung für kurze Zeit auf militärische Weise wiederherzustellen. Allgemeine Verarmung war umsomehr Folge der blutigen Anarchie, als die Barbaren das zerrüttete Reich von allen Seiten anfielen; in Asien waren die Neuperser am gefährlichsten, in Europa die germanischen Völkerbündnisse. In dieser Zeit wurde die Kirche der Zufluchtsort für alle Römer von edelm Sinne, deßwegen nahm sie auch wunderbar schnell zu u. widerstand den Stürmen der Verfolger glorreich durch den Heroismus der Geduld und aufopfernden Bruderliebe. Eine neue Periode begann mit Diocletian (284 bis 305) u. Constantin d. Gr. (306–337); schon unter dem ersten hörte R. auf Mittelpunkt des Reichs zu sein, da dessen Größe eine Theilung der Regierung erforderte, wenn es wirksam vertheidigt werden sollte, weßwegen Diocletian mehre Mitkaiser annahm (vergl. Diocletian). Seitdem aber der Thron von R. entfernt war, wo sich ein Rest der alten Gebräuche und Sitten erhalten hatte, wurde er mit morgenländischem Glanze umgeben u. die morgenländische Serailregierung in das Abendland herübergetragen. Für die Regierung wurde eine lange Stufenreihe von Beamten eingeführt und dadurch zwar die Vollziehung der kaiserl. Befehle gesichert, aber diese Einrichtung verbunden mit den Kosten des Hofs und der Heere verschlang das Staatseinkommen so rasch, daß die Steuerlast immer größer wurde und die Landbevölkerung in den Provinzen sich nach der weniger theuern Herrschaft der Barbaren sehnte. Constantin d. Große erkämpfte sich noch einmal die Alleinherrschaft, erhob die christliche Religion zur Staatsreligion, vollendete die neue auf Militär u. Bureaukratie fußende autokratische Verfassung des Reichs u. entschied die Trennung desselben, indem er Byzanz zur Residenz machte, eine Stadt, welche nicht zugleich Hauptstadt des Westens sein konnte, indem sie das traditionelle Ansehen R.s unmöglich an sich zu ziehen vermochte. Nach ihm riß wieder Militäranarchie ein u. wurden die Einfälle der Barbaren nachhaltiger; noch einmal vereinigte Theodosius 392 bis 395 den Osten und Westen, aber schon unter seinen Söhnen Honorius u. Arcadius wurden sie 395 für immer getrennt. Honorius führte bis 423 eine elende Hofregierung, während sein Feldherr, der Vandale Stilicho, Italien mehrmals gegen die Barbaren rettete, bis er auf Befehl des argwöhnischen Kaisers ermordet wurde. Da fiel der Westgothe Alarich abermals in Italien ein, erstürmte am 24. Aug. 408 R. u. plünderte es aus. Die Westgothen zogen zwar nach Gallien und Spanien ab, dafür überfielen aber andere Barbarenschwärme Italien und überschwemmten gleichzeitig die Provinzen; 451 wurden die Hunnen aus Gallien wieder über den Rhein zurückgeworfen, doch 455 plünderte der Vandale Genserich R.; dasselbe Schicksal widerfuhr der Stadt 473 durch den Franken od. Westgothen Ricimer, der als röm. Feldherr mehre Kaiser ein- und abgesetzt hatte. Den letzten Schattenkaiser Romulus Augustulus beseitigte der Heruler Odoaker 476, so daß das weström. Reich auch dem Namen nach aufhörte. Die Provinzen u. Italien waren ohnedies schon in den Händen der Barbaren. Als herrschende Stadt war R. al so gestürzt, aber es blieb der Mittelpunkt der christlichen Welt durch das Haupt der Christenheit, den Papst, da durch die providentielle Fügung der Apostelfürst Petrus den hl. Stuhl in R. aufgerichtet hatte. Auch in späterer Zeit hat R., weil es päpstliche Residenzstadt ist, keine politische Rolle von Bedeutung gespielt, man müßte denn die durch Arnold von Brescia, Rienzi, und die 1849 durch die Mazzinisten aufgeführten Revolutionsscenen für etwas Großes ansehen. (Ueber die röm. Geschichte bis 474 n. Chr. vergl. Niebuhr, Schwegler, Mommsen, Höck, Gibbon, Drumann.)


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