- Maria [1]
Maria , Mirjam (lat. Beata virgo Maria, abgekürzt B. V. M.), franz. Notre Dame, d.h. Unsere Frau; dem mittelalterlichen: Unsere Liebe Frau (U. L. F. entsprechend), Name der allerseligsten Jungfrau u. jungfräulichen Mutter des Gottmenschen Jesus Christus, daher auch Gottesgebärerin, Mutter Gottes genannt. M. ist für den Christen unstreitig die verehrungswürdigste Persönlichkeit des menschlichen Geschlechtes und wird von der Kunst bis heute als das Ideal aller weiblichen Schönheit und Tugend verherrlichet, aber über ihre Lebensumstände ist mit Ausnahme dessen, was in der hl. Schrift vorkommt, nichts Zuverlässiges bekannt u. alles was darüber erzählt wird, gehört von der Kirche verworfenen Schriften (Vorevangelium Jakobus des Jüngern. Evangelium nativitatis Mariae u.s.w.) od. ganz unverbürgten Sagen an. Ueber ihre u. ihres jungfräulichen Gemahles Joseph Abstammung aus dem königl. Geschlechte Davids herrschte bei M.s Zeitgenossen kein Zweifel (vgl. z.B. Matth. XXII, 42; die Stammtafel bei Luc. III, 23–38); sie war die Tochter u. höchst wahrscheinlich die einzige Tochter eines gewissen Heli (abgekürzt von Heljakim, = Joachim?), über dessen Lebensumstände und Wohnort weiter auch nichts bekannt ist. M.s Weihe u. Erziehung durch den Priester Zacharias im Tempel zu Jerusalem ist nirgends beglaubiget; für das Dunkel, worin ihre Familie, Jugendzeit, Verlobungs- und Ehegeschichte schwebte, lag übrigens ein triftiger Grund schon in allerlei Verhältnissen der Messiassehnsüchtigen Zeit und in dem eifersüchtigen Argwohn der damaligen Machthaber. Nach der Flucht nach Aegypten mag die hl. Familie in der Nähe der Priesterstadt Heliopolis gewohnt haben, wo viele Juden lebten, bis heute sind in Aegypten hierüber allerlei Sagen gang und gäbe. Daß M. mit den Ihrigen nach Herodes Tod nicht mehr nach Bethlehem, sondern nach Nazareth zurückkehrte, dafür lag wohl ein Hauptgrund in dem tyrannischen Auftreten von Herodes Nachfolger, Archelaus, anderseits in dem mildern des Herrschers von Galiläa, Herodes Antipas. Fortan tritt M. im Leben Jesu nur noch 4mal handelnd auf. nämlich bei der Osterreise nach dem Tempel zu Jerusalem (Luc. II, 22 ff.; 41 bis 51); bei der Hochzeit zu Kana (Joh. II, 1 ff.), bei Matth. XII, 46 ff., endlich bei dem Kreuze Jesu (Joh. XIX, 25. 26); bei der Himmelfahrt Christi war sie anwesend (Apg. I, 14). Ob sie noch 11 Jahre oder bis 48 n. Chr. gelebt. ferner ob sie in Jerusalem gest. und am Fuße des Oelberges begraben worden ist, bleibt historisch ungewiß. Sicher ist, daß ihr Grab bis heute gezeigt u. hochgehalten wird. Die Kirchenlehre von der Jungfräulichkeit der Gottesgebärerin wurde mit guten Gründen dahin ausgedehnt, daß M. stets Jungfrau geblieben sei; erst 1854 wurde auch die Lehre von der unbefleckten, d.h. erbsündfreien Empfängniß M.s, der Gegenstand jahrhundertlanger theolog. Streitigkeiten, namentlich zwischen den Dominikanern und Franciskanern, zum kirchlichen Glaubenssatz erhoben. Den Verehrern M.s stehen seit den Zeiten der Ebioniten (s.d.) eine Menge Widersacher M.s, sogen. Antidikomarianiten gegenüber, welche vor allem die Jungfräulichkeit M.s gänzlich od. theilweise in Abrede stellen und namentlich von Brüdern Jesu (vgl. Jakobus, Joseph) wissen wollen. Gewiß bleibt, daß mit der Verwerfung der Kirchenlehre über M. das ganze Werk Jesu Christi vermenschlichet u. damit wesentlich vernichtet wird, ferner daß es sich nimmermehr zusammenreimen läßt, den Sohn hochzuhalten, die Mutter dagegen zu erniedrigen und endlich, daß selbst Mohammed im Koran den Fluch über die Lästerer M.s aussprach. – Hinsichtlich des frühzeitig sehr ausgedehnten M.-cultus erwähnen wir nur I. die hauptsächlichsten Marienfeste: a) M. Empfängniß, bei den Griechen schon im 5. Jahrh. und noch jetzt am 9. Decbr., in der abendländ. Kirche am 8. Dec. jährlich gefeiert; b) M. Geburt am 8. Sept., die Oktave dieses Festes eingeführt durch Innocenz IV. (1243 bis 54); c) M. Himmelfahrt, s. Himmelfahrtsfeste; d) M. Lichtmeß oder Reinigung, s. Lichtmesse; e) M. Verkündigung, gegründet auf Luc. I, 26 bis 39, eines der ältesten M.feste, gefeiert am 25. März oder, falls dieser Tag in die Charwoche fällt, am Montag nach dem weißen Sonntag. II. Wallfahrtsorte, wo Gnadenbilder der Muttergottes ausgestellt waren od. noch sind, gibt es sehr viele; wir nennen, außer denen zu Rom, Loreto u. andern Gegenden Italiens, in der Schweiz: Einsiedeln und M.stein; in Bayern: Altötting, München, M.buchen, M.stern, M.thalheim, Neukirchen, Sossau, Straubing, Wessobrunn; in Oesterreich: M.kulm, M.plain, M.schein, M.taferl, M.thal, M.zell, Ofen, Podkamien, Pötsch, Prag, Przemysl, Raab, Radna, Sokal, Turczan, Weißenstein, Wien; in Preußen: Wartha; in Sachsen: Rosenthal; in Frankreich: Mièges, Mont Roland, Nancy, Paris, Rennes, Soissons, Toulouse, Valenciennes; in Belgien: Melsele, Mons, Montaigu, Peruwelz, Tirlemont, Wawre u.s.f.; in Holland: Marien Boom u. Omel; in Spanien: Monte Celia, Montserrat, Saragossa, Segovia, Toledo, Valvarena, Viana; in Polen: Czenstochau, Poczajow, Tursk, Warschau, Wilna, Zyrowice; in Rußland: Trok; auf den kanarischen Inseln Teneriffa; in Mexiko Talavera.
http://www.zeno.org/Herder-1854.