- Persien
Persien, im engsten Sinne die Provinz P. oder Farsistan (s. d), im weitesten Sinne Iran (s. d.), im gewöhnlichen das pers. Reich. Letzteres gränzt an die transkaukas. Provinzen Rußlands, an die asiat. Türkei, den pers. Meerbusen, Beludschistan, Afghanistan, Turkestan u. das kaspische Meer, ist größtentheils Hochebene, von Randgebirgen eingefaßt und von Kettengebirgen, Ausläufern des Taurus u. Kaukasus durchzogen; östl. dehnt sich eine 80 Ml. lange und 40–50 Ml. breite Wüste aus, in welcher mehre Flüsse versiegen. Nur das eigentliche Gebirgsland ist wasserreich. im Allgemeinen ist P. trocken, übrigens ist aber aus der Urzeit her ein System von Bewässerungskanälen vorhanden mit Sammlern für Regenwasser, das ganze Provinzen durchzieht, unter der Aufsicht der Regierung steht und für den Anbau des Landes die herrlichsten Dienste leistet. Am fruchtbarsten sind die Thalebenen u. die niederen Abstufungen der Gebirge, im Sommer fast unbewohnbar die meisten Küstenstreifen des pers. Meerbusens. Die Viehzucht ist sehr beträchtlich; das Kameel hat fast die Bedeutung wie in Arabien, auch werden edle, feurige Pferde gezogen; an Raub- u. anderem Wild herrscht Ueberfluß. Hauptnahrungspflanze ist Reis; man pflanzt edles Obst, Rosen (Rosenöl), Mohn (Opium), Wein, Seide. Der Bergbau ist nicht von Bedeutung. Die Einwohnerzahl mag sich auf 11 Mill. belaufen; die eine Hälfte besteht aus Tadschiks, Nachkommen der alten Perser, Meder und Baktrier, welche Ackerbau, Gewerbe und Künste treiben, u. schiitische Mohammedaner sind, ferner aus Parsen u. Kurden; die zweite Hauptmasse sind die Ihlats, d.h. turkomanische Stämme, sunnitische Nomaden; dazu kommen endlich Armenier, Juden, Zigeuner etc. Die Industrie P.s ist noch immer von Bedeutung; sie liefert Gewebe von Gold- und Silberstoffen, vortreffliche Shawls u. Teppiche, Damascenerklingen, Rosenwasser u.s.w. Der Karawanenhandel nach den Seehäfen, besonders aber nach Tiflis u. Erzerum, ist sehr wichtig, den Seehandel betreiben fast ausschließlich die Engländer. – Das Reich ist in 11 Provinzen eingetheilt: Irak Adschemi, Aserbeidschan, Kurdistan, Khusistan mit Luristan, Farsistan mit Laristan, Kerman, Kohistan, Khorasan, Taberistan, Masanderan und Ghilan. Gegenwärtige Residenz ist Teheran; die alte Hauptstadt ist Ispahan. Die Regierung ist despotisch: der Herrscher führt den Titel Schah von Iran u. regiert ungefähr auf dieselbe Weise wie der türk. Sultan, nur daß die Statthalter (Beglerbegs) der Provinzen in der Regel Prinzen von königl. Geblüte sind und ihre Erpressungen straflos ausüben. Die Justiz wird nach dem Koran und dem Herkommen der Provinzen verwaltet. Das Staats einkommen wurde im Anfange dieses Jahrhunderts auf 60 Mill. Fr. berechnet, beträgt aber wohl kaum die Hälfte; das reguläre Militär soll 20000 Mann stark sein. Die Iranier, ein großer Zweig der indogermanischen Völkerfamilie, haben sich bis jetzt noch immer als ein eigenes Volk behauptet; auswärtigen Eroberern erlagen sie zwar mehrmals, ohne daß jedoch das fremde Element das einheimische hätte auflösen können. Zuerst waren die Meder über Iran herrschend; von diesen ging die Herrschaft durch Cyrus 559 v. Chr. an die eigentlichen Perser über und erstreckte sich zur Zeit der größten Macht vom Indus bis an die untere Donau, vom Oxus bis an den Nil. Unter Cyrus, Kambyses, Darius Hystaspis (s. die betreffenden Artikel) dehnte sich das Reich aus und erhielt durch den letztern die innere Einrichtung, wie sie in allen asiat. Despotien noch immer als mustergültig angesehen wurde. Der weitern Ausdehnung setzten im Westen die Griechen, im Norden die scythischen Nomaden eine Gränze; unter Xerxes, Artaxerxes I., Darius II., Artaxerxes II., Artaxerxes III. (Ochus, s. d. Artikel), kam das Reich durch unglückliche Kriege mit den Griechen, Empörungen und Serailrevolutionen herunter und wurde unter Darius Codomanus von Alexander d. Gr. gestürzt. Die Iranier zerschmolzen mit dem griech. Elemente nicht und gegen die Seleuciden erhoben sich 256 v. Chr. die Parther unter Arsaces, die bis 236 n. Chr. sich behaupteten und ganz Iran der röm. Macht entgegen stellen konnten. Unter Artaxerxes dem Sassaniden gewannen die eigentlichen Perser wieder die Oberhand (226 n. Chr.) u. herrschten unter Koshru (531–579) vom Indus bis Aegypten, vom Oxus bis in die arab. Wüste. Seit 628 trat der Verfall ein und 649 unterlag der letzte Sassanide, Isdegerdes III., den Moslemin, u. das ganze Reich wurde ein Theil des Khalifats. Die Perser nahmen den Islam schnell an, bewahrten aber doch ihre nationalen Eigenthümlichkeiten; als Theil des Khalifats hatte Persien das Schicksal wie die andern Länder des großen Reichs, und bei dem Verfalle desselben lösten sich einzelne iranische Länder theils unter pers., theils unter turkomanischen Statthaltern ab, es entstanden eine Reihe Dynastien, theils neben, theils nach einander, die ihre Herrschaft zum Theil bis Ostindien ausdehnten (Thaheriden, Soferiden, Samaniden, Ghasneviden, Ghuriden, die Khane von Chowaresmien, Bujiden, Seldschukken). Von Dschingiskhan bis Timur (1230–1405) herrschten die Mongolen; bei der Auflösung des mongol. Reichs erfolgte die im Oriente gewöhnliche Losreißung der einzelnen Volksstämme und 1505 wurde Ismael Sofi der Gründer eines neuen pers. Reichs, das stark genug war den Osmanen zur Zeit ihrer größten Macht zu widerstehen. Seine Blüte erreichte es unter Schah Abbas I. (d. Gr., 1588 bis 1627), der Bokhara, Masanderan, Kurdistan, Mosul u. Diarbekr eroberte und dem Reiche eine Organisation gab. Der Verfall begann unmittelbar nach ihm; Türken und Russen, Empörungen und Serailrevolutionen arbeiteten wetteifernd an der Zerstörung, bis Nadir Schah (s. d.) den Russen und Türken ihre Eroberungen entriß und den Empörungen ein Ende machte (1735 bis 1747). Nach seiner Ermordung trat abermals allgemeine Anarchie ein, Afghanistan riß sich los, ein Verschnittener, Aga Mohammed, machte sich zum Herrn von Khorasan u. Masanderan, eroberte Schiras und hinterließ die Herrschaft über das westl. Iran seinem Neffen Feth Ali, einem Turkomanen aus dem Stamme Kaschgar, 1796 als Schah von P. Derselbe verlor an Rußland von 1797 bis 1828 alles Land zwischen dem Araxes und Kaukasus sowie einen Küstenstrich südl. von der Mündung des Araxes, u. P. kam zu Rußland in dasselbe Verhältniß wie die Türkei; England arbeitete bis jetzt vergeblich daran, den russ. Einfluß zu brechen, verhinderte jedoch eine Verbindung P.s und Afghanistans, die Ostindien bedrohen würde. Feth Ali st. 1834, ihm folgte von 1834–48 sein Enkel Schah Mohammed, der den russ. Kriegsschiffen auf dem kaspischen Meere in Rescht und Asterabad Stationen anwies; seitdem regiert sein Sohn Nasireddin, der sich bisher den Russen ergeben zeigte und 1852 Herat eroberte. Vgl. Malcolms Gesch. von P., Leipzig 1830.
http://www.zeno.org/Herder-1854.