Brasilien

Brasilien

Brasilien, Kaiserreich in Südamerika, die einzige Monarchie des Erdtheils Amerika, nimmt einen Flächenraum von 132000 QM. ein, indem es sich von Ost nach West fast 40 Längengrade, von Süd nach Nord 37 Breitengrade ausdehnt, das fünftgrößte Reich der Erde. Auf beinahe 900 Meilen bespült es im Osten der atlantische Ocean; nach den andern Richtungen wird es begränzt von der franz., engl. u. holländ. Guyana, von Venezuela und Neugranada; Ecuador. Peru, Bolivia. Paraguay und den La Plata-Staaten. Mit Ausnahme der schmalen Küstenebene besteht B. aus einem von Bergzügen überragten Tafellande (den sog. Campos) und der Ebene des Marannon und seiner vielen und gewaltigen Nebenflüsse. Das Tafelland erhebt sich isolirt in verschiedenen Hochflächen bis 2500' und wird von 3 fast parallelen Gebirgsketten von Südwest nach Nordost durchsetzt. Die östl. ist das Küstengebirge Serra do Mar, von 3000' mittlerer Höhe. endet am Vorgebirge St. Roque. Mit ihr hängt die Serra de Mantiqueira mehrfach zusammen. das Hauptgebirge des Landes, in einzelnen Gipfeln (Itacolumi und Itambe) bis 7500' ansteigend. Ihr östl. Abhang besteht aus den krystallinischen Gesteinen, Granit, Gneus, Syenit etc. und hat diesem entsprechende prachtvolle Waldvegetation, der westl. aus Thonschiefer, Kalk, Grauwacke u.s.w., der Lagerstätte der Diamanten. Mit diesem Gebirge und durch einen Querrücken auch mit dem Küstengebirge stehen die verschiedenen Gebirgszweige der Serra dos Vertentes in Verbindung, so genannt; weil sie die Wasserscheide zwischen Nord und Süd bilden. B. hat ein Flußsystem wie kein anderes Land der Erde, man berechnet die schiffbare Flußlänge auf 14000 Meilen. Hauptstrom ist der Marannon (Amazonenfluß) der schiffbar aus Peru hereintritt, 60 Flüsse von der Größe der Donau und des Rheins aufnimmt (Madeira, Tapajoz, Xingu, Japura, Rio Negro sind die bedeutendsten) und wie ein strömendes süßes Meer 12 Meil. breit sich in den Ocean ergießt; sein Flußgebiet umspannt 126000 QM. Der 2. südamerikan. Riesenstrom, der Rio de la Plata, entspringt auf der Serra Mantiqueira, strömt unter dem Namen Parana südwestl., nimmt den Pardo, Paraguay. Tinte und Paranapanema auf, verläßt aber B. an der Gränze von Paraguay. Zwischen dem Marannon und Plata münden der Para und der San Francisko in den atlant. Ocean. Die wichtigsten andern Küstenflüsse sind: der Paraneba, Turiassu, Belmonte, Rio Doce. Paraibo, Rio Grande do Sul. – Da B. fast ausschließlich Tropenland ist, so ist sein Klima das heiße, es wird aber durch die Erhebung des Landes, durch Wälder und Ströme beträchtlich gemäßigt, so daß selbst an der Küste die mittlere Temperatur = 19°R. ist. Die trockene Jahreszeit, hier die kalte, dauert Juni bis September, weil B. südl. Breite hat, die nasse, heiße, Octob. bis Febr. Die größte Hitze herrscht in der Stromebene des Marannon; dieser und seine Nebenströme treten durch die tropischen Regengüsse weit über ihre Ufer und gleichen dann einem bewaldeten Meere; diese Ueberschwemmung erzeugt eine unbändig reiche Vegetation, hindert aber auch die Ansiedelung an den Stromufern und ist die Ursache vieler Krankheiten, welche besonders den Europäer treffen. – Der Productenreichthum B.s ist außerordentlich; alle Erzeugnisse der heißen und gemäßigten Zone kommen fast neben einander fort. Die Wälder liefern vortreffliches Holz zum Schiffbau, zu Tischlerarbeiten, zu Farben; einheimische und verpflanzte Palmenarten gedeihen vortrefflich, ebenso der Brotfruchtbaum, die Banane, Baumwolle, Tabak, Kaffe, Zuckerrohr, Indigo, Reis, Mais, Weizen, Gerste, Maniok und Pataten; an Arzneipflanzen ist Ueberfluß, ebenso an prächtigen Blumen (Orchideen). Aus dem Thierreiche sind die Vögel, Amphibien. Insekten, Weichthiere und Schalenthiere in Arten und Individuen sehr zahlreich, dagegen sind die Arten der einheimischen Säugethiere weder so zahlreich wie in der alten Welt, noch erreichen sie dieselbe Mächtigkeit der Entwicklung, z.B. die großen Katzen Jaguar u. Kuguar, der Tapir. verschiedene Arten von Affen u. Schweinen. Die eingeführten Hausthiere von Europa kommen gut fort, ebenso die Biene und Seidenraupe. Das Mineralreich liefert Gold, Diamanten, Topase, Rubinen, Silber, Kupfer, Blei, Zinn, unermeßliche Lager von Eisenerzen und Steinkohlen harren noch der Ausbeute. – Die Einwohnerzahl wird auf 7 Mill. angegeben, wovon 6% auf die Ureinwohner, 49% auf die Neger, 23% auf die Weißen und 22% auf die Mischlinge kommen. Die Ureinwohner, Indianer, sind in die Wälder zurückgedrängt, nur wenige Stämme sind durch die alten Missionen dem Christenthum gewonnen; die andern leben von Jagd und etwas Ackerbau und verfolgen einander mit grausamer Tücke. Von den Negern ist ungefähr die Hälfte frei, die Hälfte Sklaven; seit durch die Engländer die Sklaveneinfuhr fast unmöglich ist, gibt sich die Regierung viele Mühe statt derselben deutsche u. ostind. Kulis einzuführen. Die Farbigen, die Mischlinge. werden als sehr leichtsinnig, wollüstig und arbeitsscheu geschildert und die Brasilier der portugies. Abstammung, die eigentlichen Herren des Landes, haben kein besseres Lob; ihre Treulosigkeit gegen deutsche Einwanderer ist notorisch. Bei einer thätigeren Bevölkerung wären alle Verhältnisse des Reichs günstiger; so wird die Ausfuhr an Gold, Diamanten u.s.w. (ohne was hinaus geschmuggelt wird) auf jährliche 17 Mill. Thlr. berechnet, die von Kasse, Tabak, Zucker, Vanille, Baumwolle. Cacao, Farbe- und Tischlerhölzern, Häuten, Arzneipflanzen etc. auf 40–50 Mill. Thlr. Der Großhandel befindet sich fast ausschließlich in den Händen der Ausländer, der Engländer. Nordamerikaner, Franzosen, Deutschen, Schweizer etc. und den Nordamerikanern ist auch die Befahrung des Marannon mit Dampfschiffen überlassen. Haupthandelsplätze sind: Rio Janeiro, Bahia, Pernambuco, Para, San Luis, Ceara, Macayo und Parahyba. – B. ist ein constitutionelles Kaiserthum; der jetzige Kaiser ist Don Pedro II., geb. 1824, regierte unter Vormundschaft 1831–40. Die Verfassung ist in allen Theilen der nordamerikan. nachgeahmt. hat aber wie ihre republikan. Seitenstücke in Mexico etc. bisher nur so viel bewirkt, daß die eine u. andere Provinz eigene Republik werden wollte (zuletzt Rio grande do Sul, erst 1848 unterworfen) und einige Dutzend Parteimänner Reden halten und Ränke spinnen; ohne europ. Söldner u. die eigennützige Hilfe engl. Schiffsmannschaften hätten auch die Farbigen längst Kaiser sammt Senat u. Deputirten vertrieben. Das Reich ist in 18 Provinzen eingetheilt: Para mit der Hauptstadt Para; Maranhao mit der Hauptst. San Luis; Piauhy mit der Hauptst. Oeyras; Rio grande del Norte mit der Hauptst. Natal; Ceara mit der Hauptst. Ceara; Parahyba mit der Hauptst. Parahyba; Pernambuco mit der Hauptst. Pernambuco; Alagoas mit der Hauptst. Alagoas; Bahia mit der Hauptst. Bahia; Sergipe del Rey mit der Hauptst. Sergipe del Rey; Espiritu Santo mit der Hauptst. Vittoria; Rio Janeiro mit der Hauptst. Rio Janeiro; Minas-Geraes mit der Hauptst. Villa Imperiale de Oiro Preto; Matto Grosso mit der Hauptst. Villa Bella; Goyaz mit der Hauptst. Goyaz; Santa Catarina mit der Hauptst. Nossa Senhora do Desterro; Rio grande do Sul mit der Hauptst. Porto Alegre. – Die Staatsausgaben werden auf jährlich 44 Mill. Thlr. berechnet und seit 1823 hat sich ein jährliches Deficit herausgestellt, woran die Kriege mit Buenosayres, die einheimischen Revolutionen und das nachtheilige Anlehen von 1823 schuldig sind. Die Staatsschuld beträgt 80 Mill. Thlr., das Papiergeld 40 Mill. Thlr. Das stehende Heer ist 25000 Mann stark, die Kriegsflotte 47 Schiffe mit 300 Kanonen. – Geschichte. B. wurde 1500 durch den Portugiesen Cabral entdeckt. aber erst seit 1549 ernstlich colonisirt, während gleichzeitig die Jesuiten mit großem Erfolge an der Civilisation der Eingeborenen arbeiteten. 1624–43 eroberten die Holländer fast alle Küstenprovinzen, verloren sie aber bald darauf durch eine allgemeine Erhebung der portugiesischen Brasilier. In der Folge blieb B. für Europa ein unbekanntes Land, kaum daß von Streitigkeiten der Krone Spanien u. Portugal um Gränzdistricte die Rede war, bei welcher Gelegenheit die meisten Missionen der Jesuiten zu Grunde gingen. 1808 flüchtete der portugies. Hof vor Napoleon nach B. und mit den Erschütterungen des Mutterlandes begannen wie bei Spanien die Revolutionen der Colonie. 1817 wurde ein republikanischer Aufstand gedämpft, 1821 erzwang ein Soldatenaufstand die portugies. Constitution auch für B. Im April desselben Jahres ging der König nach Portugal zurück und der zurückgelassene Prinz Don Pedro stellte sich an die Spitze der Bewegung, welche d. 1. Aug. 1822 die Trennung B.s von Portugal aussprach und nahm d. 18. Dezbr. den Kaisertitel an. Er hatte fortwährend mit inneren Unruhen zu kämpfen, obwohl 1825 Portugal die Unabhängigkeit B.s anerkannte. Ein mit Buenosayres von 1825–28 geführter Krieg hatte die Unabhängigkeit der früher brasilian. Banda Oriental zur Folge; Don Pedros Bemühungen aber, die Ansprüche seiner Tochter Donna Maria da Gloria auf den portugies. Thron zu unterstützen, gaben Veranlassung zu dem Ausbruch einer Meuterei der Soldaten, von denen ihm nur 4 treu blieben; die eigentliche Ursache war die Finanzverwaltung, an deren erbärmlichem Zustande die Brasilier jedoch allein schuldig waren, vor allem aber der Haß gegen die Fremden. In Folge dessen dankte Don Pedro I. zu Gunsten seines Sohnes, des jetzt regierenden Kaisers, am 7. April 1832 ab und schiffte sich nach Europa ein. Auch unter Pedro II. dauerten die Ränke der Vornehmen, die Revolutionen in den Provinzen fort, und dazu kam 1852 ein Krieg gegen Rosas den Dictator von Buenosayres. Obwohl die Regierung nach vieler Anstrengung Revolutionen und Krieg glücklich beendigte. so scheint doch nur eine Pause gewonnen zu sein, da dem Kaiser die Macht fehlt. die schlechten Elemente kräftig niederzuhalten. Besonders bedrohen die freien Neger und die Mischlinge die öffentliche Sicherheit; ihre republikanischen Gesinnungen gehen darauf hin, die Weißen zu ermorden oder zu verjagen und aus B. ein großes Hayti zu machen.


http://www.zeno.org/Herder-1854.

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