- Mexico [1]
Mexico od. Mejico (Mechiko), Republik in dem südl. Theile der nördl. Hälfte Amerikas, zwischen den Vereinigten Staaten Nordamerikas, dem mexikan. Meerbusen, den engl. Colonien in der Campechebai, Centralamerika, dem stillen Ocean und dem Meerbusen von Californien gelegen, ist über 30000 QM. groß, von den Cordilleren erfüllt und erhebt sich stufenförmig aus dem Meere. Die Ostküste hat viele Untiefen und Lagunen und ist deßwegen schwer zugänglich, die Westküste dagegen hat gute Häfen, aber nur eine schmale Küstenebene. Das Gebirge erhebt sich in 5 bis 6 Stufen, so daß die höchste Hochfläche mehr als 8000' über der See liegt; außerdem bilden die Cordilleras viele Gebirgszüge u. erreichen in ihren höchsten Spitzen 17–18000' Höhe; sie haben eine ziemliche Anzahl thätiger u. erloschener Vulkane; die Gränze des ewigen Schnees beginnt 14000' über dem Meere. Das Klima richtet sich nach der Höhe des Landes; in den niedrigen Gegenden ist es tropisch und durch die Lagunen ungesund, auf einer Höhe von 3–4000' gemäßigt und gesund; die höher liegenden Plateaus haben kalte Winter und trockene Sommer. Nach diesem Klima richtet sich das Erzeugniß des Bodens; in den heißen Gegenden gedeihen alle Gewächse der Tropen, in den gemäßigten und kalten die des europ. Südens und Nordens. Etwa ein Drittheil des Bodens ist sehr fruchtbar, doch fehlt es auch nicht an wasserarmen Steppen; die Formation des Gebirges verhindert die Entwicklung eines großen Flußsystems, die meisten Flüsse sind Küstenflüsse, nur der Rio del Norte u. Colorado sind eigentliche Ströme. M. ist bekanntlich sehr reich an edlen und unedlen Metallen u. der Bergbau daher von sehr großer Bedeutung; auch Ackerbau u. Viehzucht sind Hauptgewerbe der Einw., diese 3 liefern die Hauptgegenstände der Ausfuhr; außerdem bezieht das Ausland von M. Cochenille, Arzneipflanzen, Vanille u. Farbehölzer, dagegen werden mehre Colonialwaaren, die M. nicht hinreichend erzeugt, und namentlich Fabrikate eingeführt, da die einheimische Fabrikation dem Bedarfe bei weitem nicht genügt. Die Hauptplätze am mexik. Meerbusen sind Vera-Cruz, Tampico, Matamoras und Campeche, am stillen Ocean Acapulco und Mazatlan. Die Einwohnerzahl beläuft sich auf beinahe 8 Mill.; die Mehrzahl besteht aus Indianern u. Mestizen, die Minderzahl aus Creolen und einigen tausend Negern; die Vermischung der Racen ist hier die mannigfaltigste in allen möglichen Nuancirungen. Herrschende Religion ist die katholische unter einem Erzbischofe u. 8 Bischöfen. M. ist eine Bundesrepublik mit einer Verfassung, welche derjenigen der Vereinigten Staaten Nordamerikas nachgebildet ist, seit dem Bestehen der Republik herrschte aber mit geringen Zwischenräumen die Anarchie oder die Militärdictatur. Gegenwärtig besteht die Republik aus 21 Staaten (Yucatan, Tabasco, Chiapas, Oaxaca, Veracruz, Puebla, Guerrero, Mechoacan, Xalisco, Queretaro, Guanaxuato, San-Louis-Potosi, Tamaulipas, Cinaloa, Sonora, Zacatecas, Durango Cohahuila, Neu Leon und Chihuahua), u. 4 Districten: der Bundesstadt M., Tlascala, Colima u. California. Die Staatsschuld beläuft sich auf mehr als 170 Mill. Thlr., das stehende Heer auf etwa 35000 Mann; die Seemacht besteht aus einigen kleinern Dampfern und mehren Kanonenbooten. – Als die Spanier Amerika entdeckten, war M. eine Monarchie von bedeutendem Umfange. Nach einheimischen Berichten wanderten im 7. Jahrh. n. Chr. die Tolteken ein, ein gebildetes Volk von sanften Sitten; ihnen folgten im 12. Jahrh. aus dem Nordwesten her die Azteken, ein wilder kriegerischer Stamm, die eigentlichen Mexikaner. Diese waren anfangs den Colhuas unterworfen, erkämpften sich aber nach der Erbauung der Stadt M. (Tenochtitlan) die Freiheit u. bezwangen allmälig die übrigen Stämme. Ihr Reich war noch im Anwachsen begriffen, als die Spanier erschienen und demselben ein Ende machten. Der König war früher durch den Adel gewählt und seine Macht sehr eingeschränkt, kurz vor der span. Eroberung aber war die unbeschränkte Herrschaft hergestellt worden. Den Adel bildeten die Azteken, die den größten Grundbesitz besaßen, alle Staatsämter u. auch das Priesterthum verwalteten; das Volk bestand aus den kleinen Grundbesitzern, den Gewerbsleuten und zum größten Theil aus Leibeigenen. Die Befehle des Königs wurden durch Eilboten rasch an ihren Bestimmungsort befördert u. auf die gleiche Weise empfing er die Berichte der Statthalter. Die Spanier fanden viele und große Städte, große Gebäude aus Backsteinen, namentlich Teocallis, d.h. Opfertempel, die auf abgestutzten Pyramiden errichtet waren. Ackerbau u. Gartenbau wurden sorgsam u. geschickt betrieben, ebenso mancherlei Handwerke, die Entwicklung derselben wurde jedoch durch den Mangel an Eisen sowie an Zug- und Lastthieren gehemmt. Die Bildhauerei u. Malerei waren roh, die Schrift eine Bilderschrift, die auf eine Art Papier aus Agaveblättern gemalt wurde. Ihre Zeitrechnung sowie ihr Kalender waren dagegen ziemlich genau, ebenso kannten sie den Thierkreis. Die Religion war eine rohe Vielgötterei u. der Götterdienst forderte jährlich mehre tausend Menschen zum Opfer, deren Fleisch zu einer Festspeise diente. Die Eroberung durch Cortez (s. d.) hatte für die Volksmasse nur vortheilhafte Folgen; die Leibeigenschaft hörte auf, Frohndienste forderte auch die Regierung nicht, der Adel behielt Grundbesitz und Titel, das Heidenthum mit seinen Gräueln (Menschenopfern u. unnatürlichen Ausschweifungen) wurde allmälig von dem Christenthume verdrängt. M. wurde unter dem Namen Neuspanien von einem Vicekönig regiert u. allen Fremder streng verschlossen. Der reiche, einheimische Adel haßte die span. Herrschaft weil die höchsten Staats- und Militärämter von gebornen Spaniern begleitet wurden u. aus einem ähnlichen Grund war die einheimische niedere Geistlichkeit nicht besser gestimmt; das nach der Mischung des Bluts in viele Klassen geschiedene gemeine Volk hatte natürlich keine Anhänglichkeit an die zum Befehlen über das Meer kommenden Europäer. Napoleons Versuch, Spanier 1808 seinem Bruder Joseph zu unterwerfen, erschütterte auch M.; der Vicekönig wollte dem creolischen Adel einer Antheil an der Regierung geben, wurde aber daran durch den Widerstand der Spanier gehindert. Ein Aufstand des Pfarrers Hidalgo wurde 1811 mit Hilfe des creolischen Adels unterdrückt, weil derselbe republikanischer Natur war und ein Racenkrieg zu werden drohte. Nur Guerrero hielt sich mit einigen Banden im Nordwesten und hatte 1820 Boden gewonnen. Da die span. Revolution von 1820 dem Vicekönig alle Verstärkung aus Spanien entzog, mußte er dem Creolenoffizier Iturbide das Commando gegen die Insurgenten übergeben, diesen fiel aber ab und der ganze verschworne creolische Adel mit ihm. Die wenigen Spanier konnten keinen Widerstand leisten, M. war unabhängig und als die span. Cortes ihre Zustimmung verweigerten u. M. keinen span. Prinzen zum König erhielt, wie der Adel und die Geistlichkeit gewollt hatten, gelang es dem Iturbide (s. d.) durch die bewaffnete Macht sich eine kurze Kaiserrolle zu erringen. Ebenso kläglich hat sich aber seit 1824 die republikanische Staatsform bewiesen; die Partei der Centralisten und Föderalisten (Escosesos und Yorkinos) bekämpft sich seit dieser Zeit mit abwechselndem Erfolge. Die eine, aus den höhern Ständen bestehend, sieht mit Recht nur in einer centralisirten Verfassung die Möglichkeit den Staat zusammenzuhalten, da jede Provinz und selbst einzelne Districte unabhängig hausen wollen; aber gerade in dieser Unbändigkeit finden ehrgeizige Häuptlinge die Mittel zu Aufständen, durch welche sie sich an die Spitze des Staates zu stellen suchen. So wurde der 2. Präsident Pedrazza 1828 nach 3 Monaten von General Santa Anna gestürzt, sein Nachfolger General Guerrero 1829 von General Bustamente, dieser 1833 von Pedrazza, Santa Anna wurde 1836 in Texas gefangen, kam nach seiner Freilassung wieder an das Ruder, mußte 1844 Herrera weichen, dieser 1845 dem General Paredes, dieser dem General Sales, dieser dem Dictator Santa Anna, dieser Herrera; diesem folgte regelmäßig General Arista, diesen stürzte 1852 General Cevallos, und endlich wurde 1853 Santa Anna zum Regenten berufen, der sich zum lebenslänglichen Präsidenten erklärte u. durch eine unerbittliche Militärdictatur die Ordnung wieder herstellen wollte. Allein im Westen erhob sich General Alvarez gegen ihn, dem er im Sommer 1855 weichen mußte. Daß bei einer solchen schmählichen Wirthschaft der Staatscredit unterging, versteht sich von selbst, u. die vielen Generale u. Freiheitshelden, die im Selbstlobe überströmen, konnten es nicht verhindern, daß in Yucatan die Indianer u. Farbigen durch Metzeleien die Oberherrschaft errangen, die nordwestl. Provinzen aber von den berittenen Indianerstämmen verwüstet werden, so daß das platte Land entvölkert ist. In Texas fand dasselbe statt, bis einwandernde Nordamerikaner sich festsetzten, die sich 1836 unabhängig erklärten und sich gegen die mexikan. Landmacht siegreich behaupteten. Mit Frankreich gerieth M. 1838 in Streit, weil es für Ungerechtigkeiten, die an franz. Unterthanen verübt worden, nicht Genugthuung geben wollte wurde aber durch die Beschießung von Fort San Juan dʼUlloa und die Blokade der Häfen zur Nachgibigkeit gezwungen. Texas endlich führte zum Bruche mit der nordamerikan. Republik, welche dasselbe 1845 auf dessen Ansuchen als Unionsstaat aufgenommen hatte. General Taylor drang 1847 u. 1848 siegreich vom Riogrande über Monterey, Saltillo und Buenavista in das Centrum des Landes vor, General Scott nahm Veracruz, marschirte gegen die Hauptstadt selbst, schlug die mexik. Armee bei Churubusco und nahm M. am 15. Septbr. 1848. Im Frieden von Guadalupe-Hidalgo (2. Febr. 1849) trat M. Texas, Neumexiko, Utah und Obercalifornien ab. d.h. es verlor die Hälfte seines Gebiets ohne die geringste Bürgschaft zu gewinnen, daß die Nordamerikaner nicht von Texas und Obercalifornien aus sich über die benachbarten von den Indianern verwüsteten Provinzen verbreiten würden.
http://www.zeno.org/Herder-1854.