Griechische Philosophie

Griechische Philosophie

Griechische Philosophie oder hellenische Philosophie, nennen wir den durch die alten Griechen bewerkstelligten ersten Versuch des Menschengeschlechtes, lediglich durch denkende Betrachtung der Dinge und aus eigener Kraft zu Gott u. zur Glückseligkeit zu gelangen, ein Versuch, großartig in seinem etwa 900jähr. Verlaufe, tragisch in seinem Ausgange. Darin, daß die griech. Volksreligion den Bedürfnissen des Geistes u. Herzens nicht dauernd genügen konnte u. das Christenthum mit seinen Ansprüchen auf absolute Wahrheit den Griechen erst am Ende ihrer nationalen Entwicklung erschien, liegt der Grund für die Unbefangenheit der griech. Forschung und damit der Hauptunterschied der g.n Ph. von jeder spätern. Die Uranfänge der g.n Ph. sind bei den gnomischen Dichtern, aber seit Aristoteles läßt man dieselbe mit Thales beginnen und theilt sie jetzt gewöhnlich in 3 Perioden, nämlich a) vorsokratische Ph., b) Sokrates, Plato, Aristoteles u. c) nacharistotelische Ph. (Ueber die einzelnen Schulen und Philosophen s. die betr. Art.) In der 1. Periode suchen die jonischen Philosophen (Thales, Anaximenes, Anaximander) das allgemeine Wesen aller Dinge und finden dasselbe in den Elementen, im Urstoff, die Pythagoräer (6. Jahrh. v. Chr.) aber in den Verhältnissen u. Dimensionen der Materie, in Zahl und Maß, die Eleaten (Xenophanes, Parmenides, Zeno) im unveränderlichen reinen Sein. Heraklit (um 500 v. Chr.) dagegen betrachtete das Werden, den ewigen Fluß aller Dinge als Princip, das Feuer als Kraft u. Mittel der Bewegung. Empedokles fand, daß alles Werden das Mischen und Entmischen der 4 Elemente, Liebe und Haß die bewegenden Kräfte seien. Die Atomistiker (Leukipp u. Demokrit) zerlegten das reine, an sich unveränderliche Sein nicht in 4 Elemente, sondern in unendlich viele Stofftheilchen; das Werden ist auch ihnen nur mechanische Ortsveränderung, zugleich aber mit Nothwendigkeit vorher bestimmt und ohne Zweck. Anaxagoras schloß den vorsokratischen Realismus ab, indem er die Principien seiner Vorgänger zusammenfaßte, und begann eine neue Entwicklung, weil er dem Stoffe ein ideelles Princip, eine weltbildende Intelligenz, zur Seite setzte u. diese als die Ursache aller Ordnung und Zweckmäßigkeit in der Welt aussprach. Der Geist, das Denken steht über der Natur, somit ist der Mensch das Maß aller Dinge – hieß der Grundgedanke der Sophisten, aber indem sie den einzelnen Menschen, das Ich als Höchstes setzten, wurden sie zum beredten Ausdrucke der Selbstsucht ihrer Zeit, zu Aufklärern in religiösen und polit. Angelegenheiten, zu Zerstörern alles Bestehenden. Den sehr zahlreichen Sophisten (Protagoras, Gorgias, später Kritias der Tyrann, Hippias, Prodikus u.a.) trat bekanntlich Sokrates entgegen, welcher neben seinem tiefsinnigen Schüler Platon, dem Schöpfer des ersten philosoph. Systems, und neben dem universellen Aristoteles, der dem einseitigen Idealismus Platons entsagte und nicht nur das ganze Wissen seiner Zeit systematisch durcharbeitete, sondern ganz neue Zweige des Wissens hervorrief, die Hauptperson der 2. Periode der g.n Ph. wurde. Der Grundgedanke des Sokrates, ein universeller und an sich selbst wahrer Zweck müsse den Menschen bestimmen, Wissen und Tugend seien eins und Glückseligkeit ihr Lohn, wurde in der 3. Periode (300 vor bis 233 nach Chr.) zum Fundament der Sittenlehre und von den sog. unvollkommenen Sokratikern verschieden und einseitig fortgebildet: Anthistenes und die Cyniker (Diogenes), Aristipp u. die Cyrenaiker, Euklides und die Megariker. Weder Platons ältere Akademie noch Aristoteles peripatetische Schule haben mehr gethan, als die Ideen der Meister in kleine Münzen verwandelt u. Zeugnisse geliefert, die schöpferische Kraft der g.n Ph. sei vorüber u. sehr wenig geeignet, dem Menschen einen Halt im Leben od. gar im Sterben zu gewähren. Der Stoicismus (Zenon, Kleanthes, Chrysipp) war Eklekticismus, dabei aber das praktische Leben, die Sittenlehre sein Hauptinteresse, das pantheistische Aufgeben aller persönl. Ansprüche an das Leben, ein abstractes Tugendideal sein charakterist. Merkmal. Die Epikuräer, denen die Philosophie eine Thätigkeit war, »welche durch Begriffe u. Beweise ein glückliches Leben bewirkt«, fanden das Glück im Genusse des Lebens u. wurden zu »Schweinen« ihres Meisters. Schon Pyrrhon, ein Zeitgenosse des Aristoteles, hatte die Verzweiflung an der Erforschung der Wahrheit ausgesprochen, die neuere Akademie (Arkesilaus, Karneades) begnügte sich beim Mangel eines Kriteriums der Wahrheit mit Wahrscheinlichkeit. Die Römer trieben Philosophie, weil große Bibliotheken, griech. Gelehrte und vor allem der zunehmende Mangel an polit. Thätigkeit sie dazu einluden, aber sie blieben Gegner lustiger Speculation u. Eklektiker, wie ihr philosoph. Haupt Cicero einer gewesen. Das Christenthum brachte die von der g.n Ph. umsonst angestrebte Versöhnung zwischen Gott und Welt, Geist und Natur; durch dasselbe angeregt versuchte der Neuplatonismus (Plotin, Porphyrius, Jamblichus, Proklus) ihm eine »absolute Philosophie« entgegenzustellen, aber er bezeugte nur die Sehnsucht des Heidenthums nach Gott und das Verirren der von Gott nicht beherrschten Vernunft in eine falsche Mystik und abenteurliche Schwärmerei.


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