Herder [1]

Herder [1]

Herder, Joh. Gottfr. von, der deutsche Classiker, welcher »hellenische Lebensfrische mit oriental. Lebenswürde verband«, war der am 25. Aug. 1744 zu Morungen geb. Sohn eines Schulmeisters, verlebte eine arme u. zieml. freudlose Jugend, wollte 1762 mit einem russ. Wundarzt nach Petersburg, um selbst Wundarzt zu werden, fand aber zu Königsberg Gelegenheit zu theol. u. philos. Studien, eine Lehrstelle, geistige Anregung durch Kant, Hamann u.a., wurde schon 1765 Prediger zu Riga, 1769 Reiseprediger eines Prinzen, wirkte in Straßburg wohlthätig auf den jungen Göthe ein u. kam 1771 als Hofprediger u. Consistorialrath nach Bückeburg. H. sollte 1775 eine Professorenstelle zu Göttingen antreten, kam jedoch vorher durch Göthes Vermittlung als Hofprediger u. Oberconsistorialrath an seine rechte Stelle, nämlich nach Weimar, wurde Mitglied des Musenhofes, reiste 1788 in Italien, erlebte als Vicepräsident (seit 1793) und als Präsident des Oberconsistoriums (seit 1801) viel Unangenehmes, 1801 die Erhebung in den Adelstand durch den Kurfürsten von Bayern u. st. am 18. Dez. 1803 vereinsamt u. bitter geworden. Gleich Lessing wirkte H. äußerst anregend u. umgestaltend auf die wissenschaftl. u. schöne Literatur, aber seine Thätigkeit ging von einer edeln Phantasie statt von einem durchdringend scharfen Verstande aus. Er steht an der Spitze der neuern Lyrik, insofern er in seinem poet. Hauptwerke »Stimmen der Völker in Liedern« (1778) den Sinn für das Volkslied weckte. Seine eigenen Dramen, Gedichte u. Kirchenlieder sind ohne besondere Originalität und Tiefe, zu allegorisch und stets mit Reflexion überwuchert. Doch machen sein »Cid« (1802) und die Legendendichtungen hievon eine Ausnahme und anderseits führte er der Nation poet. Bildungsstoffe zu, indem er die span. Volksromanze bei uns bekannt und den Anfang zur Uebersetzung oriental. Dichtungen machte. In zahlreichen prosaischen Schriften, von denen die »Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit« als sein nicht durchaus musterhaftes, aber einflußreichstes Hauptwerk betrachtet werden dürfen u. Bruchstück blieben, bekämpfte er als Philosoph und Theolog die bereits in Flachheiten müde werdende Nüchternheit des Rationalismus, drang bei eigener Unsicherheit u. Unklarheit auf ein poet. Erfassen der Bibel u. Offenbarung (die älteste Urkunde des Menschengeschlechtes 1774, Geist der ebräischen Poesie 1782, Briefe über das Studium der Theologie, die christl. Schriften 1794 u.s.f.). Als Polemiker u. Kritiker erhob er die Alten, Ossian u. Shakespeare u. schloß sich im Ganzen an Lessing an. Seine gesammte Weltanschauung lief hinaus auf eine Menschheitsreligion ohne dogmatisch-kirchliche Gegensätze u. Streitigkeiten, auf eine Humanität, für deren vorwiegend class. Bildung das Christenthum poet. Schmuck herleihen sollte, endlich auf die pantheistische Idee von der unendlichen Vervollkommnungsfähigkeit des irdischen Menschen und seines Geschlechtes. Neueste Gesammtausgabe in 40 Bdn., Stuttg. bei Cotta (noch nicht ganz vollendet). – H., Marie Karoline v., geb. Flachsland, Gattin des Vorigen, geb. 1750, gest. 1815, schrieb »Erinnerungen aus H.s Leben«, Stuttg. 1820; vollständiger gab Emil Gottfried von H. das »Lebensbild« seines Vaters heraus (Erlangen 1846–47, 6 Thle.), welcher am 25. Aug. 1850 zu Weimar ein Standbild aus Erz erhielt.


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