Aeschylus

Aeschylus

Aeschylus wurde im Jahre 525 zu Eleusis geboren und brachte einen großen Theil seines Lebens zu Athen zu. In dieser Zeit hat der griechische Geist bekanntlich wie durch den Ruhm und Glanz seiner Thaten, so durch die vollendete Kunstform seiner geistigen Schöpfungen rasch den höchsten Aufschwung entfaltet. Was das erstgenannte Feld griech. Tüchtigkeit betrifft, so hat A. an den Freiheitskämpfen, in welchen sein Vaterland die ungeheuere Kriegsmacht Persiens mit verhältnißmäßig geringen Kräften siegreich bestand, persönlich Antheil genommen und bei Marathon, später bei Salamis und Platää in den Reihen seiner Landsleute gefochten. In Absicht auf Unterricht und Erziehung war er durch und durch philosophisch gebildet und brachte die Mysterien, in welche er eingeweiht war, sogar auf die Bühne. Durch diese Veröffentlichung in eine Klage wegen Entweihung derselben verwickelt, entging er einer Verurtheilung nur dadurch, daß man seine frühern Verdienste in die andere Wagschale legte. Vielleicht daß diese Erfahrungen oder die dem Gemüth des Dichters widerwärtigen demokratischen Bestrebungen in ihm den Entschluß hervorriefen, aus seinem Vaterlande nach Sicilien zu gehen. Ob dies einmal oder öfter geschehen sei, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Gewiß ist nur, daß er zu Gela in Sicilien 456 v. Christus gestorben und beigesetzt ist. Dies ist alles, was wir von dem äußern Leben des Dichters wissen, welcher als der eigentliche Begründer der attischen Tragödie betrachtet werden muß. Denn A. war es, der nicht nur der Bühne eine würdigere Einrichtung gab, sondern auch den zweiten Schauspieler einführte und dadurch den dramatischen Dialog begründete. Und während er den bis jetzt vorherrschend gewesenen Chor beschränkte und der eigentlichen Handlung einen weitern Spielraum gewährte, suchte er zugleich auch die rechte Einheit zwischen dem Vortrag des Schauspielers und den Liedern des Chores herzustellen. Indeß schlägt bei A. das epische und lyrische Element oft noch zu sehr vor, während die Handlung in den Hintergrund tritt und die einfache Anlage seiner Dramen keine Verwicklungen und Auflösungen kennt. Wenn aber auch die künstlerische Vollendung des attischen Trauerspieles erst dem etwas jüngern Sophokles zugeschrieben werden muß, so ist A. doch einer der drei Meister der tragischen Kunst der alten Griechen. Den Grundcharakter des A. bildet das Feierliche, Großartige und Erhabene; sanfte Rührung liegt weder im Gemüthe des Dichters noch im Geiste seiner Zeit. Darum liebt es A. Riesengestalten zu zeichnen in einer Sprache, die wegen der Großartigkeit des Ausdrucks, der Neuheit der Bildungen und Vergleichungen dem Dichter von Leuten, die ihn nicht zu begreifen vermochten, Tadel zugezogen hat. Die Tragödie macht bekanntlich die ernste Seite des Lebens, die Mühsale, Leiden und Kämpfe der Menschen zum Gegenstande ihrer Darstellung. Gerade an solchen, die höchsten Fragen des menschlichen Geistes in sich begreifenden Stoffen besaßen die alten Griechen einen überreichen Schatz in den nationalen Mythen- und Sagenkreisen, aus welchen auch A., wie alle gleichzeitigen und späteren Dichter seines Volkes, fast ausschließlich geschöpft hat. Nun ist es aber, wie Blümner in seiner vortrefflichen Schrift: »Die Idee des Schicksals in den Tragödien des Aeschylus« S. 136 sagt, die hergebrachte Meinung, daß in der griech. Tragödie ein grober Fatalismus herrsche; daß ein tyrannisches Wesen darin walte, welches ohne Rücksicht auf Verschuldung Leiden auflegt, ja sogar den Menschen zum Verbrechen nöthigt und ihn dafür büßen läßt. »Wie aber auch – fährt Blümner a. a. O. fort – die Alten zum Theil darüber gedacht haben mögen, von den bessern Dichtern wurden diese Vorstellungen nicht begünstigt, oder, wenn die gewählten mythischen Stoffe darauf leiteten, wenigstens so gemildert, daß sie das Trostlose und Niederbeugende verlieren mußten. A. namentlich – und es war von dem philosophischen Dichter zu erwarten, daß er sich über einen so wichtigen Gegenstand feste und würdige Ansichten werde gebildet haben – hat die Ereignisse, die er in seinen Tragödien darstellt, allezeit an etwas Höheres geknüpft, sei dies nun Moira oder Moira und Zeus, welches niemals neidisch, grausam, schadenfroh erscheint, – wenn gleich die Handelnden nach ihrer subjectiven Einsicht und Lage es zuweilen so nennen, – sondern erhaben und gerecht. Nie erscheint bei ihm das Leiden durch höhere Hand nach Willkür veranlaßt; entweder ist es für eine große Idee mit Freiheit übernommen, oder Wirkung eigener Unbesonnenheit und Leidenschaft, oder auch früherer Verbrechen, deren Folgen sich allerdings auch auf die Nachkommen erstrecken können. Aber im letzten Falle wird der schuldlos Gestrafte meistens für seine Leiden entschädigt. Tritt eine Vorherbestimmung, eine Verkündigung ein, so ist diese doch immer nur bedingt; ohne eigene Mitwirkung des Menschen würde der Erfolg sich nie so ereignen.« Wie einerseits dieses religiöse Element den Haupt- und Grundton der Dichtungen des A. bildet, so hat derselbe auch das politische Moment theils polemisch, theils poetisch verklärend in den Kreis seiner Dramen gezogen und es vollkommen verstanden, in großartigen, kühnen Schilderungen alles hervorzuheben, wodurch Patriotismus, Eintracht und Mäßigung und damit Ruhm und Größe seines Vaterlandes gefördert werden konnte. A. war ein sehr fruchtbarer Geist, dem man nicht weniger als 90 Stücke zuschreibt, von welchen nur 7 auf unsere Zeit gekommen sind. Unter ihnen sind besonders merkwürdig der Agamemnon, die Choëphoren und Eumeniden. Diese Stücke bilden miteinander ein Ganzes, eine Trilogie, und zwar die einzige, die uns aus dem ganzen griech. Alterthum erhalten ist. Der Gegenstand dieser Trilogie ist die so fruchtbare Orestessage, welche von dem Dichter in wahrhaft künstlerischer Weise behandelt wird, indem der Forderung des Gemüthes, welches nach Versöhnung der Gegensätze ringt, am Ende Genüge gethan wird. Höchst wahrscheinlich waren auch die andern noch vorhandenen Tragödien des A. Glieder solcher Trilogien. Am wahrscheinlichsten ist dies von dem gefesselten Prometheus, einer der tiefsinnigsten und großartigsten Poesien des ganzen Alterthums. Der gefesselte Prometheus bildete offenbar das Mittelstück zu dem feuerentwendenden und dem entfesselten Prometheus. In diesem Stücke herrscht mehr Zeichnung als Handlung, aber die erstere so überwältigend, daß sie alle Handlung ersetzt. Das Ganze ist eine Göttertragödie, in welcher eben darum das Symbolische des Mythus besonders hervortreten mußte. Auch in den Persern waltet keineswegs die Despotie eines blinden, eigenwilligen Schicksals. Ihr Thema ist vielmehr dieß, daß Habsucht, Ehrgeiz und Uebermuth des Xerxes sein Unglück herbeigeführt habe, daß die Gottheit nach dem ewig gleichen Maße des Rechtes einem jeden streng und unerbittlich sein Loos bestimme. Und wollte A. außerdem in den Herzen der Zuschauer durch dieses Stück die großen Gedanken der Freiheit und hingebenden Liebe zum Vaterlande nähren, so sollte es andererseits sie auch lehren, dem eigenen Uebermuthe, zu dem der glückliche Erfolg des Kampfes sie verleiten konnte, Maß und Ziel zu setzen. Die Tragödie: »Die Sieben gegen Theben« athmet einen mehr kriegerischen und epischen als dramatischen Geist und ist dem Dichter, wie Gorgias bei Plutarch sagt, nicht von Dionysos, sondern von Ares eingegeben. In den Schutzflehenden ist der Charakter des Stückes ganz passiv, was seinen Hauptgrund ohne Zweifel darin hat, daß es ursprünglich das Mittelstück einer Trilogie bildete, welche erst im dritten Drama ihre Lösung fand, und im zweiten es lediglich darauf abgesehen hatte, in das Ungewisse des Erfolges, ob die schutzflehenden Jungfrauen aufgenommen werden, die tragische Spannung hineinzulegen. A. bildete offenbar eine Schule. Zu ihr gehören die Söhne des A., Bion, Euphorion und sein Schwestersohn Philokles. Die beiden letztern insbesondere müssen Dichter gewesen sein, die den Geist des A. geerbt hatten, denn beide sind mit Erzeugnissen ihrer Muse sogar gegen Sophokles in die Schranken getreten und haben ihn in einigen Stücken überwunden.


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