Sophokles

Sophokles

Sophokles, der größte unter den 3 großen hellenischen Trauerspieldichtern, minder erhaben als Aeschyl aber kunstmäßiger, dabei nicht so rhetorisch und weit glücklicher in der Charakterzeichnung als Euripides, wurde 497 v. Chr. im attischen Demos Kolonos aus einer ziemlich wohlhabenden Familie geb. u. sorgfältig erzogen, zumal er mit großer Körperschönheit die glücklichsten Anlagen verband u. namentlich eine frühe Vorliebe für Musik und Orchestrik zeigte. Schon 480 nach der Schlacht bei Salamis hatte er die Ehre, bei der Aufführung des Siegespäans als Chorführer um die Siegestrophäen tanzen zu dürfen; bereits 471 wurde ihm als tragischem Dichter der Preis vor Aeschyl zuerkannt u. fortan blieb er der Liebling seines Volkes, weil er besser als der alternde Schöpfer des Trauerspiels einsah, das feingebildete u. freie Zeitalter des Perikles wolle auf der Bühne nicht mehr schreckenüberfüllte Auftritte und viel Politik, sondern möglichst wahre und treue Charaktere u. Rührung. Namentlich deßhalb, um S. für die Aufführung seiner »Antigone«, vielleicht des vollendetsten Meisterwerkes der dramatischen Kunst aller Zeiten, zu belohnen, wurde er 441 mit Perikles zum Feldherrn gegen Samos ernannt, soll übrigens in dieser Stellung wenig Lorbeern eingeärntet haben. Als S. in seinen alten Tagen von seinem ungerathenen Sohne Iophon angeklagt wurde, er sei wahnwitzig u. könne deßhalb sein Vermögen nicht mehr verwalten, las der Dichter seinen Richtern einige Scenen aus dem »Oedipus auf Kolonos« vor und wurde sofort freigesprochen. Trotz den ehrenvollsten Einladungen auswärtiger Herrscher blieb er stets in seiner Heimath und st. 406 v. Chr. S. soll 130 Stücke gedichtet haben u. die Antigone das 32. sein, aber schon die Alten selber witterten Unterschiebungen, nachweisbar stammten viele aus der sophokleischen Schule und von allen sind nur 7 vollständig erhalten, nämlich 1) der geißeltragende Ajax, 2) Elektra, 3) Oedipus der Herrscher, 4) die Antigone, 5) Oedipus auf Kolonos (nach S. Tod von seinem Sohne Iophon aufgeführt), 6) die Trachinierinen (nach Schlegels Ansicht von der sophokleischen Schule mindestens modificirt) und 7) der Philoktet. Von andern Dichtungen sind nur Bruchstücke (die der »Klytemnestra« anerkannt unächt) und meist nur Titel übrig, gegen das Satirdrama hegte S. einen großen Widerwillen. S. vervollständigte das ganze Theaterwesen und trat manchmal selbst als Schauspieler auf; in formeller Beziehung erweiterte er namentlich die eigentlich dramatische Handlung, indem er 3 und auch 4 redende Personen auf die Bühne brachte, dagegen den bei Aeschyl sehr vorherrschenden Chor beschränkte und zur dramatischen Handlung in das rechte Verhältniß setzte. Hinsichtlich der Sprache verstand es die »attische Biene« classisch einfach u. ächt poetisch zugleich zu sein, das größte Verdienst des S. aber liegt erstens in seiner sittlichen Haltung und Auffassung des antiken Fatums, wodurch er neben Sokrates und Platon über dem Alterthum u. unendlich hoch über den modernen Schicksalstragödianten (s. Schicksalstragödie) steht; zweitens in der lebensfrischen Wahrheit und im moralischen Adel seiner Charaktere, wie er denn hinsichtlich der so schwer richtig zu treffenden Zeichnung weiblicher Charaktere wohl der Göthe des Alterthums genannt werden dürfte; drittens endlich in der Wahrheit, Stärke und Tiefe seines Gefühles, durch dessen vollendeten Ausdruck er noch heute den Leser fortreißt, die Zu schauer seiner Zeit aber mit einem Enthusiasmus er füllen mußte, der gegenwärtig unbekannt ist. – Erste Gesammtausgabe bei Aldus in Venedig 1502, in unserer Zeit von Brunk, Erfurdt, Elmsley, Dindorf, Schneidewin und besonders von E. Wunder, da zu viele treffliche Ausgaben einzelner Stücke z.B. die Antigone von Döbel, neuestens von Lobedanz; deutsche Uebersetzungen von Solger (s. d.), Thudichum, Minckwitz u. Donner. G. E. Lessing wollte der Lebensbeschreiber des S. werden, vollendete aber die Arbeit nicht, sondern hinterließ nur vortreffliche Notizen (besonders herausgegb. von J. J. Eschenburg, Berl. 1790), A. Schöll lieferte: S., sein Leben und Wirken, Frankfurt 1842. Vgl. M. Wilhelm Engelmanns: Bibliotheca scriptorum classicorum, Leipz. 1847, S. 234–239.


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