Sachsen [1]

Sachsen [1]

Sachsen (Saxones), deutsches Volk, von Sahs, dem kurzen Schwerte, so genannt, werden zuerst von Ptolemäus als ein an der untern Elbe wohnender germanischer Stamm angeführt, im 3. Jahrh. aber erscheinen sie als ein Völkerbund vom Niederrhein bis Holstein, in welchem die Namen Cherusker, Chauken, Brukterer etc. verschwunden sind. Sie machten sich auf ihren leichten Raubschiffen an den gallischen und britischen Küsten furchtbar, nahmen aber an der großen Völkerwanderung nur durch die Eroberung Britanniens Antheil (vergl. Angel-S.). Später zerstörten sie (531) mit den Franken verbündet das Reich der Thüringer und breiteten sich südlich bis an die Unstrut aus. Seitdem erscheinen sie als erbitterte Feinde der Franken, denen sie erst durch Karl den Gr. unterliegen u. das Christenthum annehmen müssen, jedoch ihre eigenen Rechtsverhältnisse behalten; damals waren sie in Westfalen, Engern, Ostfalen u. Nordalbinger getheilt. Unter Kaiser Ludwig dem Frommen erhielt Graf Ludolf um 850 die Herzogswürde, dessen Enkel Heinrich wurde deutscher König. Otto I. Kaiser, der das Herzogthum dem Hermann Billung übertrug, bei dessen Haus es bis 1106 blieb. Neben dem Herzogthum S. bildeten sich durch Eroberungskriege gegen die Slaven die sächsischen Marken: Meißen, Ost- u. Nord-S., gegen die Dänen Schleswig, die ursprünglich nicht unter dem Herzoge, sondern unmittelbar unter dem Kaiser standen. Nach dem Erlöschen des sächs. Kaiserhauses (1024) waren die sächs. Herren, von der uralten norddeutschen Abneigung des Volkes gegen Franken u. Schwaben unterstützt, die hartnäckigsten Feinde des fränk. u. schwäb. Kaiserhauses; Kaiser Friedrich I. zertrümmerte deßwegen das große Herzogthum S. u. es entstand ein Herzogthum Westfalen unter dem Erzbischof von Köln u. ein Herzogthum S. unter dem askanischen Hause, aus dem S.-Wittenberg u. S.-Lauenburg hervorgingen; die Familiengüter der Welfen wurden 1235 zu einem Herzogthum Braunschweig erhoben; die sächs. Pfalzen in Thüringen erhielt der thüring. Landgraf, Meißen wurde unabhängig und der Name S. selbst ging auf die sächs. Marken und das östl. Thüringen über. – Das Kurfürstenthum S. hatte seine Grundlage in der Mark Meißen, die König Heinrich I. aus slav. Eroberungen schuf und mit Deutschen colonisirte. Dieselbe kam 1090 durch Kaiser Heinrich IV. an das Haus Wettin u. wurde gegen Ende des 12. Jahrh. durch die Auffindung der Silberschätze des Erzgebirges und die Stiftung der Leipziger Messen von größerer Bedeutung. Heinrich der Erlauchte (1221–88) erwarb das ehemals reichsunmittelbare Pleißner Land u. den größten Theil Thüringens. Zwar folgten nach diesem Fürsten Theilungen, welche die Bildung einer größeren Macht lange hinderten, jedoch gelangen einzelne Erwerbungen u. 1423 erhielt der Markgraf Friedrich für seine Dienste im Hussitenkriege von Kaiser Sigismund beim Aussterben der wittenberg. Askanier die wittenberg.-sächs. Kur. 1485 erfolgte eine abermalige und dauernde Theilung in die Albertinische u. Ernestinische Linie, welche letztere die Kur und als Hauptbesitz die thüring. Lande erhielt. Große Bedeutung gewann S. durch die Reformation, indem die Kurfürsten Friedrich der Weise (1486–1525) u. Johann der Beständige (1525–1532) Luthers Unternehmen begünstigten u. so an die Spitze der protest. Reichsstände traten; Johann Friedrich der Großmüthige aber verlor 1547 die Kur und den größten Theil seiner Lande an Moritz (s. d.) aus der Albertinischen Linie. Kurfürst Johann Georg I. (1611–1651) erwarb von dem bedrängten Hause Oesterreich die beiden Lausitzen, mußte aber S. durch den 30jährigen Krieg verwüstet sehen. Nach längerer Ruhe unter den Kurfürsten Johann Georg II. (1656–80). Johann Georg III. (1680–91) u. Joh. Georg IV. (1691–94) begann mit August dem Starken (1694–1733), der 1697 zur kath. Kirche zurücktrat, eine lange Periode von Drangsalen. Er wurde als August II. König von Polen, verbündete sich mit Rußland und Dänemark gegen Schweden, wofür S. durch einen Einfall Karls XII. büßen mußte. Unter seinem Sohne, als König von Polen August III. (1733–63), verwickelte der allmächtige Graf Brühl S. in den österr. Erbfolge-, den schlesischen und 7jährigen Krieg; im letzteren occupirte es König Friedrich II. u. sog es systematisch aus. Es bedurfte der ruhigen Zeit unter Friedrich Christian (1763), dem Administrator Xaver (1763–68) und Friedrich August (s. d.). sowie des sächs. Fleißes, daß sich das Land bis zu den napoleonischen Kriegen wieder erholen konnte. – Das Königreich S. Friedrich August hielt seit dem Basler Frieden strenge Neutralität, wurde aber 1806 von Preußen gezwungen, mit 20000 Mann gegen Napoleon zu marschiren. Die sächs. Truppen wurden bei Saalfeld u. Jena von den preuß. Generalen am meisten ausgesetzt, daher war der Beitritt des Kurfürsten zu dem Rheinbunde nicht unpopulär. S. wurde Königreich, Friedrich August 1807 ungerne auch Großherzog von Warschau. Nach der Katastrophe der franz. Armee in Rußland begab sich der König mit Armee und Schatz nach Böhmen, schloß sich aber nach den Schlachten von Lützen und Bautzen wieder an Napoleon an, wurde zu Leipzig von den Alliirten als Gefangener erklärt, sein Land aber zuerst von Russen, dann von Preußen administrirt. Die Forderung Preußens, ganz S. dem preuß. Staate einzuverleiben, scheiterte zwar auf dem Wiener Congresse besonders an dem Widerstreben Oesterreichs und Frankreichs, doch verlor S. 367 QM. mit 864000 E. Friedrich August st. 5. Mai 1827; unter seinem Bruder Anton (1827–36) äußerte sich nach der Julirevolution eine heftige Aufregung, namentlich in Leipzig u. Dresden, in Folge deren 1831 eine constitutionelle Verfassung mit den alten Ständen vereinbart wurde. Friedrich August, Neffe und Nachfolger des Vorigen (1836–54), besiegte im Mai 1849 den Aufstand in Dresden mit preußischer Hilfe und reducirte nachher die Märzerrungenschaften im Wesentlichen auf die Verfassung von 1831. Der gegenwärtige König, Johann, folgte seinem Bruder Friedrich August 1854. als dieser den 9. August im Tyrol durch den Umsturz des Postwagens verunglückt war. (Ueber S. vergl. die Werke von Pölitz, Böttiger, Meynert, Gretschel, Stichart.)


http://www.zeno.org/Herder-1854.

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