- Wurstgift
Wurstgift. In den Würsten u. zwar hauptsächlich in den halbgeräucherten Blut- und Leberwürsten entwickelt sich unter bis jetzt noch nicht bekannten Umständen, hauptsächlich in den Frühlingsmonaten April, März, auch Februar, ein thierisches Gift, das dem Genuß solcher verdorbenen Würste schon häufig tödtliche Wirkung verliehen hat. Am häufigsten sind diese Vergiftungen in Süddeutschland u. namentlich in Schwaben beobachtet worden. Solche Würste unterscheiden sich oft nicht auffällig von unverdorbener Waare. Gewisse erweichte, mißfarbige Stellen, die sich bei einem glatten Querschnitt dem Auge bemerklich machen, ein etwas mulsteriger unangenehmer Geruch u. ein eigener von manchen als bitterlich, von andern als säuerlich beschriebener Geschmack, nebst der meistens schimmligen Außenfläche des Darms können als die besten Anhaltspunkte gelten. Die Folgen des Genusses einer solchen Wurst sind gemeiniglich allmälige. Es tritt nur selten heftiges Fieber auf, dagegen kommen als Haupterscheinungen Würgen und Erbrechen, Magenschmerz, Verstopfung oder Abgang fester lettenartiger Kothmassen, sehr heftiger Durst, Schlingbeschwerden, rauhe Stimme, selbst Stimmlosigkeit, Husten, Trockenheit der Nase und des Mundes, selbst der ganzen Hautoberfläche. Dabei haben die Kranken. das größte Schwächegefühl, Schwindel, Beeinträchtigung der Sehkraft, Lähmungserscheinungen einzelner Muskeln. Die Secretionen sind meistens sehr vermindert. Die Prognose dieser Vergiftung ist sehr schlimm; kommt der Mensch auch davon, so ist die Reconvalescenz eine sehr langsame; man hat schon jahrelanges Siechthum gesehen. Die Leichen solcher Vergifteten zeichnen sich durch ihre Muskelsteifheit und ihre geringe Neigung zu verwesen aus, u. haben dadurch Aehnlichkeit mit den Leichen von Arsenikvergifteten. Specifische Heilmethode ist noch keine aufgefunden, Entfernung der genossenen Speisen durch Brechmittel ist natürlich das nächste Hilfsmittel. Die übrige Behandlung ist mehr oder weniger eine symptomatische Die Ansichten über die Natur des W.es waren zu verschiedenen Zeiten verschiedene. Liebig vergleicht die W. bildung mit dem Gährungsproceß; Professor Schloßberger in Tübingen sucht das giftige Princip in einem flüchtigen Alcaloid stickstoffhaltiger Natur.
http://www.zeno.org/Herder-1854.