- Wieland [1]
Wieland Christoph Martin, ein von Klopstock und Lessing durch aus verschiedener Dichter, aber mit diesen die Dreizahl unserer ältern Classiker ausmachend, geb. 1733 zu Oberholzheim bei Biberach, Predigerssohn, sorgfältig erzogen und ein frühreifes Talent, das sich in der Schule zu Kloster-Bergen bei Magdeburg u. zu Erfurt entwickelte, von 1750 an als Student in Tübingen der Rechtswissenschaft keinen Geschmack abzugewinnen vermochte. Voll unklarer Schwärmerei und Ueberschwänglichkeit machte er Verse und las alles mögliche durcheinander, knüpfte ein Liebesverhältniß an, verherrlichte von 1752 an bei Bodmer in Zürich seine Doris und die Religion und als die Geliebte 1754 heirathete, wurde er durch diesen Schlag sowie durch Einflüsse seiner Umgebung zum strengen Asceten, der wider alle Sänger der Freude heftig eiferte, sich in den Kirchenvätern begrub, Empfindungen eines Christen, religiöse Hymnen, platonische Betrachtungen über den Menschen u. dgl. lieferte. Aber seine eigene Natur trieb ihn, minder fromme Gesellschaften aufzusuchen, die erste platonische Liebe ob einer 2. u. 3. zu vergessen, er ging bei d'Alembert, Voltaire, Shaftesbury u.a.m. in die Lehre, wurde zum Lebemann und poetischen Vertreter der Encyklopädisten in Deutschland. 1760 kehrte er als Kanzleidirector in seine Vaterstadt zurück, wurde durch seinen »Agathon« (1766), Idris u. Zenide (1768), Musarion u. dgl. zum Gräuel der Klopstockianer, aber zum Liebling der vornehmen Welt; er kam 1769 als Professor der Literatur an die kurmainzische Universität Erfurt, 1772 als Prinzenerzieher nach Weimar. Hier und auf seinem Gute Osmannstädt lebte Hofrath W. heitere Tage, beschäftigte sich unermüdlich mit eignen Dichtungen, Bearbeitungen und Uebersetzungen sowie mit der Herausgabe literarischer Zeitschriften, von Göthe, Schiller u. Herder unendlich überflügelt, aber als Aeltester des »Musenhofes« geehrt, 1808 von Napoleon I. mit dem Kreuz der Ehrenlegion bedacht; er st. 20. Jan. 1813, Göthe hielt ihm die Grabrede. Von W.s Werken ist heutzutage außer dem wirklich vortrefflichen romantischen Epos Oberon (1780) und der Satire »die Abderiten« (1774) so ziemlich alles vergessen, vieles (Agathon, Diogenes von Sinope, Don Sylvio de Rosalva, der goldene Spiegel, die dramatischen Leistungen) ganz ungenießbar, aber als »Repräsentant des Zeitalters Ludwigs XV. in Deutschland«, wie ihn Vilmar nennt, wurde er zu seiner Zeit über Klopstock und noch weit mehr über E. Lessing erhoben; die Wahrheit möchte in dem Urtheile liegen, W. sei kein großer Dichter aber ein gewandter Versmacher, kein originelles Talent aber ein guter Nachahmer, weit mehr ein behaglicher Weltphilosoph als ein gedankenreicher Kopf od. ein tiefes Gemüth gewesen, aber große Vielseitigkeit der Bildung, horazischen Geist u. Meisterschaft der Sprache kann ihm niemand absprechen; er hat in die gelehrtsentimentale Stubenluft unserer Literatur französ. Geist und mit diesem auch viel Gutes hineingebracht, sich als Uebersetzer große Verdienste erworben, namentlich Shakespeare in Deutschland eingeführt und an Horazens Satiren und Briefen wie an Ciceros Briefen Muster für Erklärung u. Uebersetzung der Alten aufgestellt. Gesammtausgaben von Gruber, dann von Göschen, die neueste in 30 Bänden, Leipz. 1839. Dazu des Dichters ausgewählte (Zürich 1815, 4 B.), denkwürdige (Wien 1815, 2 B.) Briefe sowie die Briefe an Sophie Laroche (eine geborne Gutermann, seine erste Jugendliebe), Berlin 1820.
http://www.zeno.org/Herder-1854.