Kirchengüter

Kirchengüter

Kirchengüter, bona ecclesiastica, Kirchenvermögen, patrimonium ecclesiae, die Gesammtheit des Eigenthums einer Kirche, bestehend in beweglichen und unbeweglichen Sachen, Grundbesitz, Kapitalien, nutzbringenden Rechten u. Renten, womit eine Kirche bei ihrer Gründung ausgestattet wurde und welche später durch Zehenten, Schenkungen, Erbschaften, Vermächtnisse, Stiftung von Wochenmessen, Jahrtagen und andern Andachten, Intercalargefälle, Ersitzung u.s.w. vermehrt wurde. Zu den K.n gehören zunächst die res sacrae, d.h. heiligen Sachen, nämlich Gegenstände, die beim Gottesdienst unmittelbar gebraucht und deßhalb consecriert und benediciert werden: Kirchengebäude aller Art. das Kirchengeräthe (s. d.), die Kirchhöfe; dann die res ecclesiasticae, die einfachen K., welche mittelbar kirchlichen Zwecken dienen, indem ihr Ertrag dazu verwendet wird, den Unterhalt der Geistlichen und die Kirchenbedürfnisse zu bestreiten. Das Eigenthumsrecht der Kirche bedarf zu seiner Begründung keineswegs des Hinweises, daß die Kirche auf dieser Welt auch sinnlicher Mittel bedürfe, um sich zu erhalten u. für ihren Zweck zu wirken, daß schon der Heiland mit den Aposteln eine gemeinsame Kasse führte, daß Joses, genannt Barnabas, einen Acker verkaufte und das Geld den Aposteln brachte u.s.w.; die Erwerbs- und Eigenthumsfähigkeit der Kirche folgert einfach aus ihrem Wesen als Korporation, besteht rechtlich, seitdem Konstantin d. Gr. 312 die Erbfähigkeit der einzelnen heidnisch en Götter auf den Einen wahren Gott übertrug, wurde in den folgenden Jahrhunderten vielfach begünstigt u. ist auch von den neuesten Verfassungen der einzelnen Länder ausdrücklich mindestens anerkannt. Die kathol. Ansicht, die Gesammtkirche sei Eigenthümerin des Kirchenvermögens der einzelnen Gemeinde, stimmt vollkommen mit dem Grundsatze von der Einheit der Kirche zusammen und die thatsächliche und rechtliche Anerkennung desselben konnte erst mancherorts in Frage gestellt werden, seitdem protestantische Kirchenrechtslehrer für die Zustände der nachkonstantinischen Zeit seltsam genug die Zustände der vorkonstantinischen maßgebend finden wollten. Nicht das Eigenthumsrecht, wohl aber das Recht des Nießbrauches kann vom Geber oder Stifter von Kn auf eine einzelne bestimmte Gemeinde oder kirchliche Anstalt sowie auf die Kirchen einer einzelnen Diöcese od. eines Landes beschränkt werden und ist tausendfältig also beschränkt worden. Die unmittelbare Verwaltung des Kirchengutes seiner Diöcese besorgte gemäß den Bestimmungen der Concilien schon im 4. Jahrh. der Bischof zuerst in eigener Person, seit 451 nach Chr. durch einen zum Oekonomen bestellten Kleriker; als dies unmöglich wurde, weil mit den Pfarreien u. kirchlichen Stiftern die K. sich mehrten und die Bisthumssitze selbst zu Vermögen kamen, erhielten die Kirchenvögte, Stiftsvorstände oder Pfarrer die unmittelbare Verwaltung der K. ihrer Pfarrei, letztere zogen für die Besorgung derselben einige besonders verpflichtete Mitglieder der Kirchengemeinde bei und legten bei der jährlichen Visitation des Bischofes oder Archidiakons diesem Rechnung ab. Seit dem 14. Jahrh. wurde die Verwaltung des Kirchenkastens oder der Fabrica ecclesiae (s. Fabrica) einigen Männern der Gemeinde (Heiligenpfleger, Kastenvögte, Kirchenpröpste u.s.w.) übertragen. Sie wurden für diesen Zweck eigens beeidigt und mußten über ihre Amtsführung alljährlich dem Pfarrer od. Dekan genaue Rechenschaft ablegen. Bekanntlich wurde die Kirche während des Mittelalters unermeßlich reich und unleugbar schlug dieser Reichthum durch den Mißbrauch der Menschen zum Verderben vieler einzelnen Kirchen u. Stifte aus. Hatte das Mittelalter zu wenig gethan, um dem Mißbrauch vorzubeugen, so geschah hierin seit der Reformationszeit offenkundig viel zu viel, indem man auch in katholischen oder paritätischen Staaten nicht nur die Erwerbs- u. Eigenthumsfähigkeit der Kirche beschränkte, erschwerte und theilweise ganz verbot und die Verwaltung der K. der strengsten Kontrolle unterwarf oder mindestens thatsächlich ganz und gar dem Staate übertrug, sondern K. wegnahm und mehr oder minder willkürlich zu beliebigen weltlichen Zwecken verwendete. Hatte schon die Reformation das Kirchengut ungeheuer geschmälert, so begannen mit der Aufhebung des Jesuitenordens und mit Kaiser Joseph II. die bis heute fortdauernden Klosteraufhebungen, Säcularisationen und Zehentablösungen in katholischen u. paritätischen Ländern. In Frankreich wurden die K. 1789 Nationalgut u. bald veräußert; im deutschen Reich entzog der Reichsdeputationshauptschluß von 1803, welcher lediglich in Oesterreich nicht vollzogen wurde. der Kirche ein jährliches Einkommen von 21026000 fl.; in Portugal wurde 1834 säcularisirt, in Spanien begann man damit 1835 und steht 1855 im Begriffe, mit der Arbeit fertig zu machen; 1841 zog der russ. Czar Nikolaus alle katholischen K. ein und wies die Besoldung der Geistlichen auf die Staatskasse an, im gleichen Jahr ging der Schweizerkanton Aargau an die Klosteraufhebungen, die erst seit 1848 eine unsichere Unterbrechung fanden, gegenwärtig eifert der Schweiz das benachbarte Sardinien nach. Im Allgemeinen hat sich bezüglich der Säcularisationen thatsächlich gezeigt: 1) daß kein Segen in ihnen liegt, indem die größten Summen spurlos verschwinden, keine weltliche Anstalt auf den Ruinen einer kirchlichen gedeihen will und der Verarmung des Volkes durch die Einziehungen von K.n nicht im mindesten vorgebeugt wurde; 2) daß die K. als solche in der Armuth freudiger gedeiht als im Reichthum und 3) daß derselbe Geist, der im Mittelalter die Kirche bereicherte, noch heute fortwirkt, indem die kirchlichen Stiftungen. Vermächtnisse u.s.f. alljährlich sich mehren. Die Rechtszustände der K. haben sich in den verschiedenen Ländern sehr verschieden gestaltet; zweifelsohne darf der Staat für den öffentlichen Schutz, den er der Kirche gewährt, verlangen, daß sie an den Staatslasten ihr Verhältnißmäßiges beitrage, sowie, daß er eine gewisse, mit der Kirchengewalt näher zu vereinbarende Mitaufsicht über die Verwaltung und Verwendung der K. habe. Die Theorien, Kirchengut sei Staatsgut und der Landesherr Eigenthümer desselben oder der Staat habe ein Obereigenthum über die K, sind von den neuesten Staatsgesetzgebungen vielfach verworfen worden, dabei aber vielfach praktisch geblieben oder geworden.


http://www.zeno.org/Herder-1854.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Kirchengüter — (Bona ecclesiastica), die Vermögensobjecte, welche die Kirche u. die mit ihr verbundenen kirchlichen Anstalten besitzen. Man theilt sie in Stiftungsgüter (Dos). welche der Kirche bei der Stiftung als Grundvermögen gegeben, u. neuerworbene Güter… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Kirchengut — Als Kirchengüter (Bona ecclesiastica), in einigen Fällen auch Klostergüter, bezeichnet man die im Besitz der Kirche und der mit ihr verbundenen Institutionen befindlichen Vermögensobjekte. Man teilt sie ein in Stiftungsgüter (Dos), mit denen die… …   Deutsch Wikipedia

  • Spanien [3] — Spanien (Gesch.). I. Vorgeschichtliche Zeit. Die Pyrenäische Halbinsel war den Griechen lange unbekannt; als man Kunde von dem Lande erhalten hatte, hieß der östliche Theil Iberia, der südöstliche od. südwestliche Theil jenseit der Säulen… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Römisch-Katholische Kirche — Römisch Katholische Kirche. Schon in den ersten christlichen Jahrhunderten sprachen die Kirchenväter von einer Katholischen Kirche u. dachten sich darunter im Gegensatz zu den häretischen Richtungen die große, allgemeine, auf den apostolischen… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Geistlichkeit — Geistlichkeit, 1) Inbegriff aller zum Versehen eines kirchlichen Amtes von dem Staate angestellten Personen; 2) im engeren Sinne die ordinirten od. geweihten Kirchendiener, welche predigen, die Sacramente spenden u. überhaupt die pfarramtliche… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Ursprüngliche Akkumulation — [1] ist ein Begriff, den Karl Marx in Anlehnung an die Klassische Nationalökonomie insbesondere Adam Smith in seinem Werk Das Kapital darstellt. Die ursprüngliche Akkumulation soll erklären, wie es zu einer kapitalistischen Akkumulation kommen… …   Deutsch Wikipedia

  • Sardinische Monarchie [2] — Sardinische Monarchie (Gesch.). Die S. M. od. das Königreich Sardinien besteht als solches erst seit dem Vertrage vom 24. August 1720, wo die Insel Sardinien u. das frühere Herzogthum Savoyen (seit 1713 Königreich) unter König Victor Amadeus I.… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Concordāt — (v. lat.), 1) Vertrag zwischen dem Papste, als Oberhaupt der Katholischen Kirche, u. der Regierung eines Staates, zur Feststellung der katholisch kirchlichen Verhältnisse desselben. C e im eigentlichen Sinne schließt der Papst blos mit… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Mexiko [1] — Mexiko (Estados unidos de Méjico, spr. mĕchiko: hierzu die Karte »Mexiko«), Bundesrepublik im südlichen Nordamerika, zwischen 14°56 –32°22 nördl. Br. und 86°49 –117°9 westl. L., zur Hälfte nördlich, zur Hälfte südlich vom Wendekreise des Krebses… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Kirchengut — 1. Kirchengut bringt weder Blüte noch Früchte. Es versteht sich, dass alle die Sprichwörter, welche Kirchen und Pfaffengut als ein Rührmichnichtan betrachten, von Priestern in der Absicht erfunden worden sind, um von der Erwerbung von… …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”