- Joseph II.
Joseph II., deutscher Kaiser, geb. 13. März 1741, Sohn Franz I. und Maria Theresias, folgte seinem Vater als Kaiser den 18. Aug. 1765, wurde zugleich von seiner Mutter zum Mitregenten der Erblande ernannt (Maria Theresia st. 1780); ein Monarch von scharfem Verstande, Entschlossenheit und dem redlichsten Willen, der jedoch in der Wahl seiner Mittel oft rücksichtslos verfuhr, im Geiste seines Jahrhunderts das Bessere durch Befehl herzustellen glaubte und, obwohl Friedrichs II. voltairische Ansicht von der christlichen Religion keineswegs theilend, in seinem Eifer für Aufklärung die Rechte der Kirche vielfach verletzte. Viele seiner Entwürfe waren vortrefflich, aber indem er. statt sie für die nähere oder fernere Zukunft vorzubereiten und anzubahnen, dieselben für die Gegenwart durchführen wollte, stieß er auf Widerwillen und Widerstand und sah die meisten scheitern. Er verbesserte das Heerwesen, die Verwaltung, die Rechtspflege, den Zustand der Bauern, der Juden, förderte Industrie und Handel, führte ein neues Zollsystem ein, gab ein Toleranzgesetz, der Presse mehr Freiheit, achtete dabei aber oft weder auf altes Recht u. Herkommen, noch brachte er die Zeitverhältnisse in Berechnung, daher er gegen Ende seines Lebens fast alle seine Verordnungen zurücknahm, als in Belgien offener Aufruhr ausbrach, in Ungarn das Gleiche drohte u die andern Länder mißstimmt waren. Er hob 700 Klöster auf, beschränkte die bestehenden in vielen Rechten, griff in die kirchliche Regierung, Verwaltung und Disciplin ein und ließ sich durch einen persönlichen Besuch Papst Pius VI. in seinem Verfahren nicht aufhalten. Wie sein Streben, einen Staat mit einheitlicher Gesetzgebung und Verwaltung herzustellen, größtentheils mißlang, so war er auch in seiner auswärtigen Politik wenig glücklich. Gegen die Holländer setzte er 1782 die Aufhebung des Barrièrentractats durch, konnte aber 1785 die Oeffnung der Schelde nicht erzwingen. weil die andern Mächte es nicht zu dulden Miene machten; 1772 erwarb er bet der ersten Theilung Polens 1400 QM.; an der Einverleibung Bayerns hinderte ihn Friedrich II. zweimal; der 1788 gegen die Türken im Bunde mit Katharina II. unternommene Krieg brachte statt Serbiens und der Walachei unerwartetes Mißgeschick, das die Lebenskraft des gebeugten Kaisers vollends brach. Er st. 20. Febr. 1790; trotz seiner Fehler anerkennt ihn die civilisierte Welt als den besten Fürsten des vorigen Jahrhunderts, wenn sie Friedrich II. als den größten rühmt; er erwartet noch einen würdigen Geschichtschreiber.
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