- England
England (Angelland, s. Angeln), der südliche und größere Theil der Insel Britannia, gränzt gegen N. an Schottland, gegen W. an den St. Georgs Kanal und die irische See, gegen S. an den Kanal, gegen O. an die Nordsee u. ist mit den Inseln Anglesea, Man, Wight, den Scilly- und normanischen Inseln 27451/2 QM. groß. Die Küsten sind fast durchgängig steil, aber vielfach und tief eingeschnitten, so daß E. von allen europ. Ländern die meisten und besten natürlichen Häfen besitzt. Die Oberfläche E.s ist im allgemeinen gebirgig oder hügelig, große Ebenen sind keine vorhanden als am Strande und den Flußmündungen. Die bedeutendsten Gebirge sind: das südliche Küstengebirge (Cornwallis) von Cap Landsend bis Exeter, im höchsten Punkte 1680' hoch, verzweigt sich vielfach zu weitauslaufenden Hügelreihen. Das Gebirge von Wales, aus Chlorit, Schiefer und Grauwacke bestehend, erreicht im Snowdon 3575', im Cader-Idris 3550', ist reich an Steinkohlen u. Metallen. Das Centrum von E. bildet das Peakgebirge, reicht von Derby bis Carlisle, erhebt sich im Wharnside 4052', im Ingleborough 3987'; es steht durch einen niedrigen Gebirgszug, Luneforest, mit dem Cheviotgebirge in Verbindung, das im Helvelyn 3026' Höhe erreicht. Das Bewässerungssystem E.s ist ausgezeichnet günstig; zwar erlaubt die Größe E.s und seine Höhenentwicklung keine großartige Strombildung (der größte Fluß, Themse, ist nur 52 M. lang), dagegen hat es außer zahllosen kleineren Wasseradern 50 schiffbare Flüsse, von denen folgende die bedeutendsten sind: Themse, Ouse, Humber, Nen, Stour, Medway, Yare, Wear, Welland, Witham, Tees, Tyne, Tweed, die in die Nordsee münden; in das atlant. Meer: die Severn mit Avon, Arnu, Ouse, Torrydge, Taw, Parret, Wye, Kennet, Ex, Tamar; in die irische See: Mersy, Dee, Ribble, Lime, Eden. Das Kanalsystem E.s hat Seinesgleichen auf Erden nicht; seine Länge beträgt über 600 M., mit einem Kostenaufwande von mehr als 30 Mill. Pf. Sterl. hergestellt, so daß kein bedeutender Ort ohne Verbindung mit dem Meere durch eine Wasserstraße ist. Die Seen sind zahlreich, fischreich und schön, aber nicht besonders groß, z.B. Winandermeer, Derwentwater, Ullessee, Conistonsee, Ennerdalewater, Balasee. – Das Klima von E. ist das oceanische, d.h. feucht, lau, ohne kalte Winter und heiße Sommer; Schnee und Frost sind selten und in London z.B. kann das Thermometer nur von –10° bis +18° R. variiren, während es in der gleichen Breite in Norddeutschland von –24° bis +24° sich auf- und abbewegt. Der atmosphärische Niederschlag in Nebel, Thau und Regen ist außerordentlich stark (London hat 178 Regentage im Jahre); die Ostküste hat weniger Regen als die Westküste. Diese feuchtwarme Luft fördert die Vegetation wunderbar; die verschiedenen Gräser u. Futterpflanzen, sowie alle Arten von Getreide und Obst gedeihen ausgezeichnet, die Weinrebe hat jedoch nicht hinlänglich Sommerwärme, um ihre Traube im Freien zu reisen. Auch dem Thierleben ist das Klima sehr zuträglich, sowie dem Menschen; der englische Ernst und Spleen hat seinen Grund wohl eher in dem Unternehmungsgeiste der Engländer und in der großen Rolle, welche sie auf dem Weltschauplatze spielen, als in der feuchten, oft trüben Luft Alt. E. s. Außerordentlich groß ist der mineralische Reichthum E.s; der Bergbau liefert viel und seines Zinn, Kupfer, Blei, Zink, Galmei, Antimon, Kobalt, trefflichen Graphit, Alaun, Schwefel, die beste Walkererde, besonders aber Eisen und Steinkohlen (von ersterem jährlich 45 Mill. Ctr., von letzterem 25 Mill. Tonnen). Gold findet sich nicht, Silber nicht viel, dagegen Töpferthon, Porzellanerde, Schiefer, Kreide, Alabaster, Marmor, Granit etc.; E. hat Ueberfluß an Salz und zahlreiche, kräftige Mineralwasser. Wenn man zu allem diesem noch bedenkt, wie reich das Meer um E. an Fischen, Austern etc. ist, so muß zugestanden werden, daß es eines der begünstigsten Länder der Erde bleibt. Die Einwohnerzahl belief sich 1851 auf 18066681, der Abstammung nach ein Gemisch von Celten, Angelsachsen und franz. Normannen, doch ist das angelsächsische Element vorherrschend. Der Anbau des Landes findet Seinesgleichen nirgends; engl. Ackerwerkzeuge werden in die ganze Welt ausgeführt und nachgeahmt, engl. Fruchtwechsel und Düngung haben eigentlich die Umgestaltung der Landwirthschaft, die wirklich in ganz Europa vor sich geht, herbeigeführt. Dieser Anbau des Bodens hat die Wälder ausgerottet; es gibt nur mehr einige wenige Forste, dagegen viele Haine. Aus derselben Ursache haben sich von dem Wilde nur Hafen und Füchse erhalten; Hochwild gibt es nur in den Parken der Großen. Die Viehzucht ist wo möglich noch ausgebildeter als der Landbau; engl. Pferde, Rinder, Schafe, Schweine, engl. Geflügel sind alle in ihrer Art gleich vortrefflich und die Züchtung ist ganz auf die specielle Bestimmung des Thieres berechnet; z.B. je nachdem das Pferd Rennpferd, Kutschenpferd, schweres Zugpferd etc. werden, das Rind seinen Nutzen durch Milch oder Fleisch geben soll, wird dies durch Kreuzung und Auswahl der Racen und die sorgfältigste Aufzucht des Jungviehs erzielt. Die Industrie in allen ihren Theilen hat in keinem Lande eine solche Vollkommenheit erreicht wie in E.; sein Handel erstreckt sich bekanntlich über die ganze Welt und steht einzig in der Geschichte da; denn einen solchen Umfang hat noch kein handeltreibender Staat der alten und neuern Zeit auch nur annähernd erreicht. Die Consumtion von Lebensmitteln jeder Art, besonders der Fleischnahrung, ferner von Eiern, Butter, Käse, sowie von geistigen Getränken und Colonialwaaren ist in E. verhältnißmäßig stärker als in jedem andern Lande Europas, ebenso der Verbrauch von Seife, Lichtern, Leinwand, Tuch, Papier etc., ein unwiderleglicher Beweis, daß das engl. Volk, trotz der grellen Armuth, die sich in den Städten zeigt, im allgemeinen doch am behaglichsten lebt. – Der politischen Eintheilung nach zerfällt E. in 40 Grafschaften (Shires): Bedford, Berks, Buckingham, Cambridge, Chester, Cornwallis, Cumberland, Derby, Devon, Dorset, Durham, Essex, Gloucester, Hampshire, Hereford, Hertford, Huntington, Kent, Lancaster, Leicester, Lincoln, Middlesex, Monmouth, Norfolk, Northampton, Northumberland, Nottingham, Oxford, Rutland, Shrop, Somerset, Stafford, Suffolk, Surrey, Sussex, Warwick, Westmoreland, Wilts, Worcester, York; Wales in 12: Anglesea, Brecknock, Cardigan, Caermarthen, Caernarvon, Denbigh, Flint, Glamorgan, Merioneth, Montgomery, Pembroke, Radnor. In Wales hat sich ein Zweig der celtischen Sprache erhalten, verliert aber stätig an Boden, in Cornwallis ist er ausgestorben; die engl. Sprache selbst ist wie das engl. Volk eine Mischsprache; das Hauptelement ist das angelsächsische, dann das französische u. lateinische, höchst unbedeutend das celtische. Sie ist an Formen fast arm, im grammatisch. Bau sehr einfach, dagegen sehr reich an Darstellung von Begriffen, und in neuester Zeit hat sie eine ziemliche Anzahl wissenschaftlicher, technischer etc. Bezeichnungen aus den alten und neuen Sprachen sich angeeignet. Sie ist nicht sonor wie das Ital. und Spanische, aber auch nicht übelklingend, zur kräftigen Darstellung geeignet, der Kürze und Klarheit gleich fähig. Bekannt ist die Schwierigkeit ihrer Aussprache für den Ausländer u. die von der Aussprache fast immer abweichende Orthographie. Sie hat verschiedene Dialekte; die wichtigsten sind der südliche und nördliche, zu dem das Schottische gehört, das sich schon den Rang der Schriftsprache erworben hatte. Die jetzige Schriftsprache und Aussprache hat den Dialekt des südwestlichen E.s zur Grundlage u. hat sich seit den Zeiten der Königin Elisabeth ausgebildet. Die wissenschaftl. Ordnung der engl. Sprache stammt von Johnson (1755), dessen Lexicon, obwohl trotz neuerer Bearbeitungen noch ungenügend, als Autorität gilt; für die Feststellung der Aussprache hat Walker (1791) den erfolgreichsten Versuch gemacht. Engl. Grammatiken gibt es unzählige, nach der Weise Jak. Grimms hat sie Latham historisch behandelt; unter den deutsch. Bearbeitungen des engl. Lexicons ist »Flügels engl.-deutsches Wörterbuch«, 3 Bde., Leipzig 1843–47, die angesehenste. – Ueber engl. Gesetzgebung, Geschichte, Kirche, Handel, Eisenbahnen, Literatur, Staatsschuld, Verfassung etc. s. Großbritannien.
http://www.zeno.org/Herder-1854.