Schlosser [3]

Schlosser [3]

Schlosser, Joh. Friedr. Heinr., ein trefflicher Rechtsgelehrter und Schriftsteller u. dabei ein noch trefflicherer Charakter, dem alle Bitterkeiten des Lebens die ursprüngliche Kindlichkeit des Gemüthes niemals zu nehmen vermochten, geb. 1780 zu Frankfurt a. M. aus der angesehenen Familie des Publicisten Joh. Georg S. (s. d.), studierte die Rechte auf verschiedenen Hochschulen, namentlich auch zu Jena, bei welcher Gelegenheit er mit dem ihm blutsverwandten Göthe u. dem Weimarer Musenhof vielfach in Berührung kam. Nach Vollendung seiner Studien begleitete er verschiedene Aemter in seiner Vaterstadt für die er 1811 Materialien zu einem neuen Handelsgesetzbuche lieferte, und namentlich auch als Schul- u. Studienrath thätig war. Nachdem das Großherzogthum Frankfurt ein Ende genommen, half S. einen Entwurf zu einer neuen Verfassung der Stadt ausarbeiten, doch machte er sich dadurch bei der Partei, welche das Ruder der Regierung in die Hände bekam und welche namentlich von der Gleichberechtigung der christlichen Confessionen nichts wissen wollte, keineswegs beliebt, und wurde um so entschiedener bei der ersten Gelegenheit zur Seite geschoben, weil bereits 1811 ein trefflicher Bruder von ihm, Christian, in Rom zur Kirche zurückgetreten war und weil er selber mit seiner Gattin, einer geb. du Fay, zu Wien am 21. Dezember 1814 diesem Beispiele nachfolgte. S. war beim Wienercongreß und später beim Frankfurter Bundestage thätig; er erwarb sich um die katholische Kirche und namentlich um die katholische Gemeinde seiner Vaterstadt große Verdienste, zog sich jedoch 1824 ganz aus dem öffentlichen Leben zurück u. widmete sich den Musen, bis er am 22. Januar 1851 st.; mit ihm ist eines der alten Geschlechter Frankfurts zu Grabe getragen worden. Mit seinem Freunde, dem Freiherrn von Stein, hatte sich S. um die Stiftung u. Entwickelung des Vereins für ältere deutsche Geschichtskunde sehr bemüht, trat als Publicist und Literarhistoriker (über gemischte Ehen 1838; die morgenländische orthodoxe Kirche Rußlands u. das europ. Abendland 1845; Friedrich Logau und sein Zeitalter) mit Erfolg auf u. war auch Dichter, doch seine Hauptthätigkeit richtete er auf die Uebersetzung und Ausgaben religiöser Dichtungen und Werke. Sein Hauptwerk »Die Kirche in ihren Liedern durch alle Jahrhunderte« (mit Porträt und einer geistvollen Charakteristik S.s von Beda Weber, Mainz 1851–52, 2 Bde.) wird seinen großen Werth dauernd bewahren; außerdem übersetzte er die Lieder des heiligen Franziskus (1842), die Betrachtungen und Gebete der Herzogin von Duras (1812), gab Thomas von Kempens Nachfolge Christi, Taulers Nachfolge des arm en Leb ens Jesu, Briefe des Erasmus von Rotterdam an den Papst Adrian V. heraus u.a.m. – Die bereits genannte Wittwe S.s, eine höchst ausgezeichnete Dame. im Sommer auf ihrem herrlichen Landsitze Stift Neuburg bei Heidelberg weilend, beschäftigt sich gegenwärtig mit der Herausgabe des bedeutenden literarischen Nachlasses ihres Gatten. unter dem sich namentlich Bearbeitungen von Legenden und Uebersetzungen von Poesien aus 17 Sprachen befinden.


http://www.zeno.org/Herder-1854.

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