- Paraguay
Paraguay, südamerikan. Freistaat, zwischen Brasilien und der argentinischen Republik (Buenosayres), am P.- und Paranastrome, 4175 QM. groß, fruchtbar an allen Cerealien, Baumwolle, Zucker, Tabak, Thee, sehr geeignet zur Viehzucht, mit 500000 E., der Mehrzahl nach christlichen Indianern, deren Sprache, die Guaranisprache, auch die herrschende ist. Die Republik ist in 85 Partidos eingetheilt, die Verfassung der nordamerik. nachgebildet; die Staatseinkünfte belaufen sich auf 11/2 Mill. Dollars, Staatsschulden hat P. keine; das stehende Heer wird auf 8000 Mann angegeben. P. wurde 1516 von den Spaniern entdeckt, indessen fast gar nicht beachtet; endlich erhielten die Jesuiten die Erlaubniß, unter den wilden Indianern Missionsstationen zu errichten, ohne daß span. Einwanderer od. Beamte sie stören sollten, wogegen sie von jedem Indianer 11/2 Piaster Kopfgeld entrichteten. Ihre Missionen wuchsen bis auf 40 an und begriffen in den Bezirken (Reductionen) mehr als 100000 wahrhast civilisirte Indianer. Die höchste Obrigkeit einer solchen Niederlassung war der Pfarrer, der die Polizei durch einen gewählten Indianer übte. Jeder Bewohner hatte bestimmte Arbeit: Anbau von Cerealien, Tabak, Baumwolle, Einsammeln von Thee, Viehzucht, Handwerke etc. Der Ertrag der Arbeit wurde in öffentlichen Magazinen niedergelegt, aus denen jede Familie das zu ihrem Unterhalte Dienliche erhielt; davon wurden ferner die Unterhaltung der Kirchen, der Tribut an Spanien, die Ausgaben für Waffen etc. bestritten. Die Indianer waren auch militärisch gut organisirt und fochten gegen wilde Indianer sowie gegen Angriffe der Portugiesen sehr tapfer; ebenso waren sie im Lesen und Schreiben unterrichtet und behielten dessenungeachtet ihre Nationalsprache (Guaranisprache). Sie befanden sich in jeder Beziehung wohl, waren keinerlei Mißhandlung ausgesetzt und nach allen Zeugnissen, selbst denen der Jesuitenfeinde, ruhige, fleißige, sittliche, religiöse und zufriedene Menschen. Dieser Zustand fand durch die Rohheit der Portugiesen, denen Spanien 1756 einige Bezirke abtrat, sein Ende, sowie durch den Argwohn der span. Regierung, welche den von den Jesuitenfeinden ausgestreuten Gerüchten glaubte, der Orden habe ein eigenes Reich organisirt u. sei im Besitze unermeßlicher Reichthümer aus seinen Goldgruben. Die Missionen gingen durch Waffengewalt, durch Beamtenbrutalität und weiße Einwanderer zu Grunde, die Gesittung jedoch, welche der Jesuitenorden gepflanzt hatte, konnte nicht ganz ausgerottet werden und hat P. bis jetzt eine bessere Existenz gesichert, als den andern span. Colonialländern seit 1810 zugefallen ist. P. schlug zuerst die Truppen von Buenosayres, die das Land revolutioniren und ihrer Republik einverleiben wollten, zurück, erklärte sich jedoch 1811 für frei und blieb durch seine Lage von jedem Kriege verschont. Seit 1812 befand sich der merkwürdige Dr. Francia im Besitz der Gewalt, die er bis zu seinem Tode 1810 behauptete. Er schloß P. wieder von dem Auslande ab und gestattete nur den nothwendigen Verkehr mit Buenosayres, den er aber streng beaufsichtigte; das Staatseinkommen verwaltete er so, daß er die wenigen Beamten und das kleine stehende Heer pünktlich zu bezahlen vermochte; die wenigen Creolen, die allein Unruhen erregen konnten, hielt er mit eiserner Strenge in Ruhe, die Indianer aber waren ihm eben deßwegen um so treuer, da sie wieder ungestört wie zur Zeit der Jesuiten ihren friedlichen Geschäften leben konnten. Selbst nach Francias Tode blieb P. ruhig u. hält trotzdem, daß die Absperrung aufgehoben ist, den Zudrang europ. und amerik. Einwanderer zurück.
http://www.zeno.org/Herder-1854.