Ketzergericht, weltliches

Ketzergericht, weltliches

Ketzergericht, weltliches, Staats-Inquisitionen, kamen auf, indem sich die Staatsgewalt der kirchlichen Inquisition bemächtigte, die Competenz derselben beliebig erweiterte und diese Einrichtung hinter dem Schilde des Eifers für den Glauben für Erreichung besonderer politischer Zwecke ausbeutete. So in Venedig 1249, wo übrigens das K. 1289 päpstliche Bestätigung erlangte und bis 1787 fortbestand; so in Frankreich, wo die Inquisition 1312–1560 mehr oder minder den Interessen des Königthums dienstbar sein mußte. In Portugal wurde die alte kirchliche Inquisition 1492 zur Hof- und Staatsinquisition und blieb es bis 1821; von Portugal aus wurde sie 1580 nach Goa in Ostindien verpflanzt und hier 1815 aufgehoben. Uebrigens verfuhr das portugies. K. von vornherein ziemlich mild und ließ namentlich Appellationen nach Rom zu: was in Spanien selten der Fall war. Die ungleich mehr verschrieene als schreckliche span. Staatsinquisition kam unter Ferdinand und Isabella in Castilien auf. In Aragonien fristete die alte kirchliche Inquisition noch lange ihren Fortbestand, in Castilien dagegen gab es neben den offenkundigen Juden viele verkappte, Maranos, welche einen großen Theil des Nationalvermögens an sich zu reißen, Granden und sogar Bischöfe zu werden und Proselyten zu machen trefflich verstanden. Unaufhörliche Klagen gegen diese Maranos boten Anlaß, 1478 ein K. zu errichten, das Staatsanstalt sein und dessen Inquisitoren vom König ernannt und abgesetzt werden sollten. Es wurde noch 1478 vom Papste bestätigt, 1481 entstand der erste K.shof zu Sevilla (2 Dominikaner nebst 2 Hoftheologen). Schon 1482 klagte der Papst wegen Erschleichung der Bestätigung, aber am 17. Oktbr. 1483 wurde der Dominikanerprior Th. Torquemada vom König zum Großinquisitor von Castilien und Aragonien ernannt; dieser errichtete neben Sevilla noch K.shöfe zu Cordova, Jaen und Villa real (letzterer kam bald nach Toledo), gab Statuten und entwickelte eine Thätigkeit, die freilich mit Glaubensfreiheit u. christlicher Liebe blutwenig. dagegen mit Herstellung einer absoluten Königsmacht sehr viel zu schaffen hatte. Als 1492 den Juden u. nach dem Fall u. erneuerten Aufstand von Granada den Mauren lediglich die Wahl zwischen Auswanderung oder Bekehrung gelassen wurde, wanderten 100000 Juden aus. sehr viele sammt den meisten Mauren (Moriskos) jedoch ließen sich taufen, lediglich um bleiben zu können u. wurden fortan von der Inquisition keineswegs grundlos mit Argwohn überwacht – will doch der Engländer G. Borrow noch 1836 sogar unter dem span. Klerus heimliche Juden getroffen haben! – Beim Volke wurde das K. populär, weil im Volke der alte Haß gegen Juden und Moriskos und der alte Stolz auf die westgothische und christliche Abstammung fortlebte, ferner weil das K. sehr gerne den Adeligen u. höhern Klerikern zu Leibe ging. Letzteres war leicht möglich, indem die Inquisition sich nicht nur mit Glaubenssachen befaßte, sondern auch Sodomiterei, Vielweiberei, Verführungen, Verletzer des Cölibates, Mörder, Wucherer, Zauberer, Bereiter von Liebestränken, in Kriegszeiten sogar Schmuggler in ihre Competenz zog. Dadurch war das K. das wirksamste aller Mittel für Emporhebung der herabgekommenen Königsgewalt u. mochten die Päpste Sixtus IV., Leo X., Gregor XIII., Paul III. u.a. noch so kräftig protestieren – das K. wurde reich und das Königthum absolut. Daß die span. Inquisition vorherrschend ein Staatsinstitut war. darüber sind protestant. Historiker wie Ranke, Leo u. Guizot mit den kathol. einig u. damit stimmt überein, daß der Kirchenfeind Pombal das K. liebte. Daß übrigens die K.e nicht allzu barbarisch verfuhren, beweisen gerade die verrufenen Auto da Féʼs (actus fidei = Handlungen des Glaubens), die öffentlichen Urtheilsvollstreckungen, welche das Volk als Gnadenacte betrachtete. In der That waren Freierklärungen der Unschuldigen, Kirchenbußen der Reuigen, Geld- u. Freiheitsstrafen für bedeutende Verbrechen Regel, der Feuertod nur bei hartnäckigen Ketzern und großen Verbrechern üblich. In Toledo wurden 1486 bei dem Auto da Fé vom 12. Febr. 750 Schuldige lediglich mit öffentlicher Kirchenbuße bestraft, bei dem vom 2. April von 900 Angeklagten nicht ein einziger getödtet. Llorente erwähnt, daß 118 Gelehrte vor die Inquisition gestellt wurden; man muß beifügen, daß alle 118 frei ausgingen, daß viele Gelehrte das K. lobten und endlich, daß zur Zeit der Blüte desselben die span. Literatur ihr goldenes Zeitalter feierte. Bei den Auto da Féʼs wurde der Sanbenito (saco bendito = geweihter Sack), Büßersack, getragen, eine Art Mönchskutte von gelber Farbe, die mit einer Mütze, Caroza, die Armensünderkleidung ausmachte und bei Todeswürdigen mit Kreuzen, Flammenbildern u. Teufelsfratzen verziert war. – Nicht einmal in ganz Spanien, geschweige in den span. Nebenländern gelangen die Versuche, an die Stelle des alten kirchlichen K.s das weltliche zu setzen. Neapel, Mailand (1563), die Niederlande wehrten sich beharrlich. Allmälig milderte sich das K. in Spanien selbst; 1781 geschah die letzte Hinrichtung, zugleich die erste des 18. Jahrh., das K. wurde zur Büchercensur, 1808 von König Joseph, 1813 von den Kortes ganz aufgehoben, fand von 1814 bis 1820 keinen Halt mehr u. seit 1830 sind selbst die 1825 eingerichteten bischöfl. Glaubensgerichte verschwunden. Vergl. Hefele: Ximenes, u. im Kirchenlexikon von Wetzer und Welte den Art. Inquisition; Bumüllers Weltgeschichte 3. Ausg. B. II.


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