- Jury
Jury, Schwurgericht, das, einheimisch in England für Straf- u. Civilprocesse, übertragen nach Nordamerika und Australien, für Strafsachen mit wesentlichen Abänderungen nach Frankreich; in neuerer Zeit in mehren Staaten Deutschlands und in der Schweiz bald mehr dem Vorbilde Englands, bald Frankreichs nachgebildet. Das Wesen der J. liegt in den 3 Puncten: 1. öffentliches und mündliches Verfahren; 2. keine festen Beweisregeln, sondern freie, gewissenhafte Ueberzeugung; 3. Geschworne aus dem Volke, je für den einzelnen Fall oder für die Sitzungsperiode gewählt, mit der Aufgabe, die Schuldfrage zu bejahen oder zu verneinen (es gibt keine Verdachtsurtheile oder absolutiones ab instantia), worauf die vorsitzenden Richter (Assisenrichter) die Strafe oder die Freisprechung erkennen. Nach der Voruntersuchung entscheidet in England die Anklage- oder kleine J. über die Zulassung der Anklage, anderwärts kommt diese Function der Anklagekammer zu. Aus der Wahlliste des Landes – für deren Erstellung verschiedene Vorsichtsmaßregeln (Census, Ehrenfähigkeit u.s.w.) gelten – werden durchs Loos 36 Namen gezogen, von denen der Staatsanwalt und der Angeklagte jeder 12 ausschließen (recusiren) kann; die 12 Uebrigbleibenden bilden dann die Urtheils- J. Von diesen führen in England der Ankläger und Vertheidiger (Kreuzverhör der Zeugen), in Frankreich der Assisenpräsident das gesammte An- u. Entschuldigungsmaterial vor, auf das gestützt dann die förmliche Anklage und Vertheidigung folgt. Der Assisenpräsident gibt hierauf sein Resumé (Schlußbetrachtung über all das vorgebrachte Material und Erläuterung der Rechts fragen, in England nur das letztere) und der Assisenhof legt den Geschwornen die bestimmten Schuldfragen vor. Diese ziehen sich in ihr Berathungszimmer zurück und wenn sie sich geeinigt haben (in England erfordert es Einstimmigkeit, in Frankreich 2/3 Stimmen für die Schuld), kehren sie wieder in den Gerichtssaal und verkünden durch den Obmann ihren Spruch. Lautet derselbe auf Schuld, so erkennen die Assisenrichter alsdann auf die gesetzliche Strafe. Es gibt keine Appellation. Wären aber gesetzliche Vorschriften nicht beobachtet worden, so kann von dem Cassationsgericht das Urtheil gestürzt werden, in welchem Fall ein neues Schwurgericht zu bilden ist und die Verhandlung von neuem beginnt.
http://www.zeno.org/Herder-1854.