- Jansen
Jansen, Cornelius, der Urheber des J.ismus, geb. 1585 zu Akkoi in der holländ. Grafschaft Leerdam, wurde durch Jean du Vergier dʼHauranne. den spätern Abt von St. Cyran, Lehrer am Collége zu Bayonne, nachdem er in Utrecht und Löwen studiert hatte, vertiefte sich mit seinem Freunde in den Augustinus, meinte zu finden. daß der vor kurzem verketzerte Bajus in Löwen mit seiner Gnadenlehre auf dem rechten Wege gewesen und beschloß, der scholastischen Dogmatik der Jesuiten eine neue und ihrer »verweltlichten« Moral eine strenge Ascese entgegenzusetzen. J. wurde 1630 Prof. der hl. Schrift zu Löwen u. eine Zierde der Universität, 1636 Bischof von Ypern, wozu sein Mars gallicus (1635), eine Satire auf die franz. Könige, beigetragen haben soll, st. 1638. Trotz allen Bemühungen der Jesuiten erschien mit weltlicher und kirchlicher Approbation 1640 J.s Werk: »Augustinus sive doctrina S. Augustini de humanae naturae sanitate aegritudine et medicina adversus Pelagianos et Massilienses« u. das Signal zu einem folgenschweren Kampfe war gegeben, in dessen 100jährigem verwickelten Verlaufe die subtilsten Fragen über das Verhältniß der Wissenschaft u. der Staatsgewalt zur Kirche zu theoretischen und praktischen Erörterungen gelangten. J. erklärte in der genannten Schrift, die Philosophie sei die Mutter aller Häresien, die moderne pelagianische Scholastik habe die Moral verderbt, so daß dieselbe Alles probabel zu machen verstände; er verfiel jedoch selber in den entgegengesetzten Fehler des Probabilismus, so daß er die Gnadenlehre (s. d. Art. Gnade) verunstaltete u. nicht einmal mehr die Verdienstlichkeit der guten Werke festhielt. Schon früher hatte der Abt von St. Cyran in Frankreich das Bernhardinerinenklöster Portroyal, die einflußreiche Familie St. Arnauld und in Paris Personen vom höchsten Range für seine augustinische Gemüthstheologie und strenge Lebensordnung seines Einsiedlervereines gewonnen, das Pensionat von Portroyal übte weitgreifenden Einfluß. St. Cyran wurde von Richelieu 1638–42 gefangen gehalten (er starb 1643), Papst Urban VIII. verbot 1642 in der Bulle In eminenti alle Disputationen über J.s Buch, allein die J. isten waren zahlreich, in Belgien wurde die Bestätigung der Bulle bis 1647 hinausgeschoben, in Frankreich erhob die Sorbonne 24 Bedenken gegen dieselbe und St. Arnauld trat noch 1642 gegen die Jesuiten mit der Schrift De la fréquente communion, 1644 mit einer Apologie des J.ismus in die Schranken. Als 60 J.isten ihre reinkirchliche Sache an das Parlament brachten, gewann dieselbe politische Bedeutung. Innocenz X. verdammte 1653 folgende Sätze als ketzerisch: 1) einige Gebote Gottes sind für die Gerechten nach den Kräften, die sie haben, zu erfüllen unmöglich; 2) der innern Gnade widersteht man im Zustande der gefallenen Natur niemals; 3) um im Zustande der gefallenen Natur Verdienst oder Mißverdienst zu erlangen, bedarf der Mensch nicht einer Freiheit von der innern Nothwendigkeit, sondern nur einer Freiheit vom äußern Zwang; 4) die Semipelagianer waren darin Ketzer, daß sie lehrten, der menschliche Wille könne der innern zuvorkommenden Gnade widerstehen; 5) es ist semipelagianisch, zu sagen, Christus sei für alle Menschen gestorben. Die Bulle fand Annahme in Frankreich und Belgien, die J.isten suchten sich durch »ehrerbietiges Schweigen« zu helfen, aber Pascal griff in den classisch geschriebenen Lettres écrites par L. Montalte etc. die Jesuiten an, die Nonnen von Portroyal wollten die Bulle nicht anerkennen und als sie 1663 u. 1666 gemaßregelt wurden, traten 4 Bischöfe für sie auf, bis 1668 die Angelegenheit vermittelt war. Die Schriften des Nicole und Arnauld sowie der Regalstreit. der in Frankreich nur 2 Bischöfe und zwar jansenistisch gesinnte auf der Seite Roms fand, brachte neue Stürme über die J.isten und 1679 über Portroyal. Eine neue Ausgabe von erbauenden Betrachtungen über die hl. Schrift. welche 1671 der Oratorianer Pasquier Quesnel herausgegeben u. die Bischöfe Bossuet und Noailles sehr günstig beurtheilt hatten, bot Anlaß zur gewaltsamen Unterdrückung des J.ismus. Der Papst erklärte 1705. das »ehrerbietige Schweigen« genüge keineswegs. u. als die Bewohner von Portroyal des Champs allein unfügsam blieben, wurden sie zerstreut. die Klostergebäude zerstört. selbst die Leichname weggeschafft. um Wallfahrten zu verhüten (1708). Nun ließ der Papst Quesnels Buch in Rom durch franz. Geistliche mit Ausschluß der Jesuiten prüfen. Die Folge war die Bulle Unigenitus vom 8. Sept. 1713, wodurch 101 Sätze Quesnels als ketzerisch verdammt wurden. Aber Noailles mit 14 Bischöfen u. vielen Doctoren der Sorbonne appellierten gegen die Bulle an ein allgemeines Concil; sie standen als »Appellanten« der übrigen Geistlichkeit gegenüber und als 1728 Noailles sich dem Papste endlich unterwarf, wanderten viele J.isten aus. Der Unsinn, den viele J.isten auf dem Kirchhofe St. Medardus zu Paris am Grabe ihres Heiligen, des 1727 verstorbenen Franz von Paris trieben, bewog die franz. Regierung 1732 zum polizeilichen Einschreiten gegen die »Convulsionaires« und damit zur Unterdrückung des J.ismus. Aber dieser wirkte geistig fort, denn die Parlamente waren nunmehr gewöhnt, Kirchliches u. Weltliches zu vermengen u. vor ihr Forum zu ziehen, anderseits war im Volke die Opposition gegen Rom und das Königthum als einer Despotie über die Gewissen gestärkt. – In den Niederlanden leben die J.isten als »Schüler des hl. Augustin« unter einem Erzbischof in Utrecht und 2 Bischöfen in Deventer und Harlem fort. Jeder neugewählte Bischof meldet seine Wahl nach Rom und bittet um Bestätigung. jeder wird abgewiesen, weil bisher keiner etwas von Anerkennung der Bulle Unigenitus wissen wollte. Die J.isten zählen im Ganzen nur 25 Gemeinden mit etwa 5000 Seelen, 30 Priestern und einem Priesterseminar zu Amersfoort. S. Reuchlin »Geschichte von Port-Royal«, Hamburg und Gotha 1839–44, 2 B.
http://www.zeno.org/Herder-1854.