Huß

Huß

Huß, eigentlich Hus (tschechisch = Gans), Joh., der bekannte unglückliche Vorläufer Luthers, geb. 1369 od. 1373 zu Husinec (jetzt ein Städtlein im Pilsenerkreis) in Böhmen, der Sohn armer Leute, wurde geistlich u. lehrte seit 1393 zu Prag mit solchem Erfolg, daß er schon 1398 Prof. der freien Künste, 1401 Dekan der philosoph. Facultät, 1402 Rector der Universität wurde. Damals begünstigten verschiedene Umstände und einflußreiche Personen, namentlich die Unthätigkeit des 1400 abgesetzten Kaisers Wenzel und der Eifer des Hieronymus von Prag (s. d.) die Verbreitung der Schriften und Lehren Wikleffs. H.ens Herkunft, Lebenserfahrungen und Hinneigung zum falschen Mysticismus machen es erklärlich, daß er diese Lehren mit Feuereifer ergriff u. predigte, seitdem er 1402 Prediger an der Bethlehemskapelle u. zugleich Beichtvater der 2. Gemahlin Wenzels, Sophiens, geworden war. Als die Universität 45 Sätze Wikleffs censurirte, suchte H. den Ruf der Rechtgläubigkeit wieder zu erobern, fuhr aber fort, gegen die göttliche Einsetzung des Primates und gegen die Geistlichkeit zu predigen. Der durch Wenzels Deutschenhaß herbeigeführte Abzug von 5000 deutschen Professoren und Studenten aus Prag gab dem Kampfe nationale Färbung; Wenzel stand den Prager Erzbischöfen nur dann gegen H.en bei, wenn es gerade in seine Launen od. polit. Plane taugte. Die Sache gedieh dahin, daß H. 1411 in den Bann, 1412 in den großen Bann, sein Aufenthaltsort ins Interdict kam, daß er trotzdem unter dem Schutze böhm. Edelleute Predigten auf dem freien Felde vor außerordentlich großen Zuhörerschaften hielt und sein Hauptwerk »de ecclesia« schrieb, dessen Grundsätze bereits an die modernen Verirrungen des Lamennais streiften. Es ist bekannt, daß H. im Herbst 1414 sich vor dem Konstanzerconcil mit einem Geleitsbriefe Sigismunds stellte u. wegen fortgesetztem rechtswidrigem Benehmen im Jänner 1415 in Haft kam; ferner daß er sich am 5. Juni vor dem Konstanzerconcil ganz ähnlich wie über 100 Jahre später Luther vor dem Reichstage zu Worms benahm, sich auf die Bibel berief, statt sich über seinen Widerruf zu erklären, mit seinen Vorgesetzten disputiren wollte u.s.f.; endlich daß man am 24. Juni seine Bücher, am 6. Juli ihn selbst verbrannte, nachdem er 30 seiner Artikel nicht widerrufen sondern bekräftigt hatte, degradiert und dem Arm der weltlichen Gerechtigkeit übergeben worden war. Minder anerkannt, aber richtig bleibt: 1) hinsichtlich der Lehre H.ens wäre schon der 30. Artikel allein: niemand sei weltliche Obrigkeit, niemand Prälat oder Bischof, der sich in einer Todsünde befinde, geeignet, alle kirchl. u. staatl. Ordnung jederzeit umzustürzen; 2) der Geleitsbrief lautete lediglich auf sichere Reise u. freies Verhör, letzteres verscherzte H. durch Bruch von Bedingungen, die sich in seiner Lage als Gebannter u. Angeklagter von selbst verstanden; 3) H. genoß eine sehr anständige u. leichte Hast u. wurde von den Dominikanern so wenig in ein »Hundeloch« gesperrt, als je eine Sitzung des Concils im Konstanzer Kaufhause statt in der Kathedrale stattfand; 4) nicht das Concil sondern das gemeine peinliche Recht jener Zeit verurtheilte den H. zum Tode; das Concil hat notorisch Alles gethan, sich zur mildesten Form des Widerrufes verstanden u. bis zum letzten Augenblicke es ihm freigelassen, mindestens sein Leben zu erhalten; 5) die letzte Prophezeihung H.ens vom Schwan, der in 100 Jahren kommen würde, gehört unter die Fabeln des 16. Jahrh.; 6) H. konnte in Konstanz keine Reliquien hinterlassen, weil Alles mit ihm verbrannt wurde; die wahre Verbrennungsstätte will man erst vor wenig Jahren wieder aufgefunden haben.


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