- Heidelberg
Heidelberg, die altberühmte Universitätsstadt und ehemalige Hauptstadt der Pfalzgrafen bei Rhein, bis ins 18. Jahrh. der Kurfürsten von der Pfalz, jetzt Amtssitz im bad. Unterrheinkreise, liegt 4 St. oberhalb Mannheim, mit dem es durch die bad. Staatseisenbahn verbunden ist, am linken Neckarufer, längs dem Fuße des Riesensteines und Königsstuhles in reizender Gegend, ist unregelmäßig gebaut, zeigt jedoch außer der großartigen Schloßruine merkwürdige und mitunter schöne Gebäude, namentlich die zwischen den Katholiken u. Protestanten getheilte Peterskirche, die Heiliggeistkirche, das alterthümliche Haus zum Hirschen, das Karlsthor, die Universität sammt Bibliothek, das Museum, den Marstall u.a., den Bahnhof und die großen Gasthöfe sammt der 700' langen steinernen Neckarbrücke nicht zu vergessen. Die Einwohnerzahl beträgt nahezu 15000, worunter die Protestanten neben Katholiken und Juden die Mehrzahl ausmachen u. die ihr Einkommen zumeist von der Universität haben, außerdem Handel und Gewerbe, namentl. Bierbrauerei, Fabriken in Tabak, Leder, Krapp, Potasche u.s.f., Wein-, Obstbau u. Landwirthschaft betreiben. H. ist uralt und durch seine Hochschule, welche 1386 als die 3. des deutschen Reiches gestiftet wurde u. schon im Stiftungsjahr 525 Studenten zählte, emporgekommen. In der Reformationszeit lehrten u. lebten hier Bucer, Brenz, Gerlacher, Pelican, Fagius u.a., die Opposition gegen die Kirche wurde schon 1502 lebhaft, 1518 hielt Luther im Augustinerkloster seine berühmte Disputation, doch erst zwischen 1546–59 drang die helvetische Confession durch u. 1562 kamen der bekannte H.er Katechismus, in Folge des Grundsatzes cujus regio ejus et religio Ungemach und Religionswechsel im Ueberfluß. Im 30jährigen Krieg hatte H. viel zu leiden, die Abführung eines großen Theiles der H.er Bibliothek 1622 war wohl das Mindeste davon, zumal 1815 viel zurückkam und Großherzog Ludwig die Klosterbibliothek von Salmansweiler der Universität verkaufte. Unbeschreibliches Elend brachte das Zeitalter Ludwigs XIV. durch die Mordbrenner Türenne, Melac u.a., namentlich 1674, 1688, wo auch das Schloß großentheils zerstört wurde, und 1693–97. Im 18. Jahrh. litt die Universität, zumal von 1705–73, auch erwählte der Kurfürst Mannheim zur Residenz. Karl Theodor that übrigens seit 1743 vieles für H., wollte selbst das Schloß wieder aufbauen und baute das sog. große Faß, das 283200 Flaschen hält, aber seit 1769 leer ist. Im J. 1803 wurde H. badisch, die Sorgfalt der Regierung und die Friedensjahre brachten die Universität in neuen Flor. Dieselbe zählte 1846 und 47 über 80 Lehrer u. beinahe 1000 Studenten, 1852 nur 732, gegenwärtig wieder einige mehr. Zu ihr gehört die Bibliothek mit 130000 B., etwa 50000 Dissertationen, 1300 Handschriften und 1000 Urkunden, eine neue Anatomie, eine Sternwarte, Entbindungsanstalt, vielerlei Sammlungen u.s.f. Das Gymnasium wurde 1846 zum Lyceum. In H. lehrten einst Reuchlin, Wessel, Seb. Münster, Gruterus und Godofred, Freher, Pufendorf, in neuerer Zeit Gatterer, Voß, Paulus, Hegel, Daub, Neander, Thibaut, Zachariä, Creuzer, Nägele u. viele a. Berühmtheiten; gegenwärtig: Schlosser u. Häußer, Kortüm, Schweins, Bähr, Roßhirt, Mittermaier, Vangerow, Chelius, K. Zell u.s.f. Nahe bei H. weilt im Stifte Neuburg die Wittwe des in der kathol. Welt gefeierten und 1851 gest. J. F. H. Schlosser.
http://www.zeno.org/Herder-1854.