- Elektricität
Elektricität. Wenn man Bernstein an Wolle reibt, so erlangt er die Eigenschaft, nahe, leichte Körperchen, z.B. seine Papierschnitzel, anzuziehen, einige Zeit festzuhalten und dann wieder abzustoßen, was schon den Alten bekannt war. Um das Jahr 1600 fand der Engländer Gilbert, daß noch andere Stoffe durch Reiben diese Eigenschaft erlangen, wie Glas, Harz, Schwefel etc. Ist ein solcher Körper von beträchtlicher Größe und wird er stärker gerieben, so sieht man ihm, wenn man die Fingerspitze ganz nahe bringt, einen knisternden Funken entströmen. Die diesen Erscheinungen zu Grunde liegende Ursache nun nennt man E., und einen Körper, der diese Erscheinungen zeigt, elektrisch. Außer durch Reiben wird E. hauptsächlich noch erregt durch unmittelbare Berührung zweier verschiedener Körper, u. man unterscheidet deßhalb 2 Hauptarten von E., nämlich Reibungs-E., oder E. im engern Sinn, u. Contact-E. oder Galvanismus (s. d. Art.). Hier von der erstern Art. Nicht alle Körper haben die Fähigkeit, durch Reiben elektrisch zu werden, wie z.B. die Metalle; diese nannte man unelektrische Körper. Dagegen haben diese unelektrischen Körper die Eigenschaft, durch Mittheilung elektrisch zu werden, d.h. von einem elektrischen Körper die E. gerne aufzunehmen u. auch wieder an andere Körper leicht abzuleiten, während die durch Reiben elektrisch werdenden Körper der Fortbewegung der E. großes Hinderniß entgegensetzen. Man nannte jene deßhalb Leiter der E., diese Nichtleiter. Bekommt ein Nichtleiter E. durch Mittheilung von einem andern Körper, so wird er nur an der Stelle elektrisch, welche von letzterem berührt wird; bei einem Leiter dagegen verbreitet sich die mitgetheilte E. sogleich über die ganze Oberfläche derselben. Soll aber ein Leiter durch Mittheilung wirklich elektrisch werden, so darf er nicht wieder mit einem Leiter in Berührung stehen, sondern er muß mit Nichtleitern umgeben, oder wie man sagt, isolirt werden, z.B. durch eine Unterlage von Glas od. durch Aufhängen an einem Seidenfaden. Die besten Leiter sind die Metalle, dann Kohle, Wasser und wässerige Flüssigkeit enthaltende Körper, wie Thiere, Pflanzen, feuchte Luft (daher gelingen elektrische Versuche in feuchter Luft nicht gut). Die besten Nichtleiter, Glas, Harz, Bernstein, Schwefel, Schellak, Seide, Wolle, trockene Luft. Diese Entdeckung machte Grey 1729, u. da es nun möglich war, die E. mitzutheilen und durch Isolirung festzuhalten, so beobachtete man bald eine Verschiedenheit im Verhalten der E. des geriebenen Glases u. der des geriebenen Harzes. Ein an einem Seidenfaden aufgehängtes Hollunderkügelchen wird von einer elektrischen Glasstange wie von einer elektrischen Harz- oder Siegellackstange zuerst angezogen, dann abgestoßen, und das Kügelchen ist durch Mittheilung nun selbst elektrisch geworden. Macht man 2 solcher Kügelchen durch eine elektrische Glasstange elektrisch, so stoßen sich nachher beide Kügelchen gegenseitig ab, eben so, wenn sie die E. von einer geriebenen Siegellackstange erhielten. Macht man dagegen das eine Kügelchen durch die Glasstange elektrisch, das andere durch Siegellack, so ziehen sich alsdann beide Kügelchen mit großer Kraft an, u. verlieren im Augenblick der Berührung alle Spuren von E. Es geht hieraus hervor, daß die E. des Glases anderer Natur ist, als die E. des Harzes, und zum Unterschiede nannte man die erstere Glas-E. oder positive E. (+ E), die zweite Harz-E. od. negative E. (– E). Zur Erklärung dieser Erscheinungen nimmt man das Vorhandensein einer elektrischen Materie in der Natur an, die sich wieder dualistisch in 2 entgegengesetzte Stoffe trenne, nämlich einen positiv elektrischen und einen negativ elektrischen. So lange in einem Körper beide mit einander in gleichem Maße verbunden sind, zeigt der Körper keine E., er wird aber elektrisch, sobald diese Verbindung von + E und – E aufgehoben wird. Es gilt hierbei das Gesetz, daß gleichnamige E.en einander abstoßen, ungleichnamige sich anziehen, u. da alle Körper durch Reibung oder Mittheilung in den elektrischen Zustand gebracht werden können, so muß die elektrische Materie allgemein durch die ganze Erde verbreitet sein. – Bringt man in die Nähe eines elektrischen Körpers einen nicht elektrischen isolirten Leiter, so wirkt die E. des erstern vertheilend auf die bis dahin gleichmäßig verbundenen E.en des isolirten Leiters, nach dem obigen Gesetze der Anziehung u. Abstoßung. Hat der erste Körper + E, so zieht diese die – E des Leiters an, stößt dagegen die gleichnamige, also +E desselben ab, jene sammelt sich deßhalb auf der dem elektrischen Körper zugekehrten Seite des Leiters, diese auf der abgewandten. Dies heißt man Vertheilung der E. Entfernt man den elektrischen Körper, so vereinigen sich die vertheilten + und – E.en des Leiters sogleich wieder und er zeigt keine E. mehr. Bringt man hingegen den ursprünglich elektrischen Körper dem Leiter noch näher, so wirkt die Anziehung der + E des ersten auf die – E des Leiters so stark, daß sich beide mit einander verbinden, und zwar mit einer Lichterscheinung, dem elektrischen Funken; die vorher abgestoßene – E des Leiters bleibt in diesem zurück und vertheilt sich nun auf seiner ganzen Oberfläche, und der Leiter ist elektrisch geblieben. Wird bei der ursprünglichen Stellung des elektrischen Körpers zum Leiter dieser letztere mit der Erde in leitende Verbindung gesetzt, die Isolirung also aufgehoben, so wird allein die abgestoßene + E desselben zur Erde abgeleitet, die – E dagegen wird von der + E des elektrischen Körpers festgehalten; man nennt sie deßhalb gebundene E. Stellt man sodann die Isolirung wieder her und entfernt den elektrischen Körper, so vertheilt sich die im Leiter zurückgebliebene – E auf dessen ganzer Oberfläche, wie im ersten Fall die + E, und er ist wieder elektrisch. Die Vertheilung der E. auf der Oberfläche eines Leiters geschieht um so gleichförmiger, je mehr dieselbe abgerundet ist; an Kanten, Ecken und besonders Spitzen dagegen sammelt sie sich weit stärker an, so daß sie an den Spitzen sogar den Widerstand der Luft überwindet und ausströmt. – Auf der E.serregung durch Vertheilung beruht die Wirkung der Elektrisirmaschine (s. d. Art.), des Elektrophors (s. d. Art.) und der Leydener Flasche. Diese, auch Kleistʼsche Flasche genannt, besteht aus einem innen und außen mit einem guten Leiter, gewöhnlich Staniol, überzogenen Glasgefäß, indeß mit Freilassung des oberen Randes bis etwa 2''. Wird durch eine Metallkette positive E. auf den innern Beleg geleitet, so wirkt diese vertheilend auf den äußern Beleg u. bindet daselbst negative E., man sagt, die Flasche sei geladen; die Entladung geschieht, indem man beide Belege in leitende Verbindung bringt, die beiden ungleichnamigen E.en vereinigen sich dann mit außerordentlicher Schnelligkeit, wodurch viel stärkere Wirkungen erreicht werden als bei der einfachen Elektrisirmaschine. Eine Verbindung mehrer solcher Flaschen, deren innere und äußere Belege sämmtlich mit einander in Verbindung stehen, heißt elektrische Batterie; die Wirkung läßt sich dadurch außerordentlich steigern.
http://www.zeno.org/Herder-1854.