- Thomasius
Thomasius, Christian, ein berühmter Gelehrter, geb. 1655 zu Leipzig, der Sohn des Professors Jakob T., bei welchem auch Leibniz Philosophie hörte, trat frühzeitig als Docent der Philosophie u. Rechtswissenschaft auf u. ärntete außerordentlichen Beifall, denn erstens war er ein witziger u. gewandter Gegner der aristotelisch-scholastischen Methode und gelehrten Pedanterie seiner Zeit, zweitens war er der erste Gelehrte vom Fach, welcher Vorlesungen in deutscher Sprache hielt und Bücher in derselben abfaßte. Natürlich fehlte es einem solchen Neuerer nicht an Widersachern; als er die Zahl derselben durch eine seit 1688 herauskommende Literaturzeitung (Freimüthige, lustige u. ernsthafte, jedoch vernunft- und gesetzmäßige Gedanken u.s.f. über Bücher) vermehrte, auch Angriffe auf Heiliges und persönliche Beleidigungen sich erlaubte, zudem eine damals unerhörte Toleranz gegen Reformirte u. Katholiken offenbarte u. die Pietisten in Schutz nahm, da vermochte ihn sein Hauptbeschützer in Dresden, ein Oberhofmarschall von Haugwitz, nicht mehr zu halten, er mußte 1690 Leipzig meiden. Er durfte jedoch in Halle Vorlesungen halten u. als 1694 die Universität daselbst errichtet wurde, wurde er Professor der Rechte, kurfürstl. Rath, später königl. Geheimerath, Director der Akademie, und starb 1728. Als speculativer Philosoph hat T. wenig oder nichts zu bedeuten, dagegen popularisirte er philosophische Ideen, machte sich um die deutsche Sprache u. Literatur verdient, ebenso um das Naturrecht (er trennte die Rechtsgesetze scharf von den Sitten- oder Tugendgesetzen u. Anstandsregeln, faßte das Naturrecht lediglich als Lehre von den Rechtsgesetzen oder von dem im äußern Verkehr der Menschen Erzwingbaren auf, fand somit in der Erzwingbarkeit den durchgreifendsten Unterschied zwischen Recht und Moral, eine Anschauung, über die wir nicht hinausgelangten) und bekämpfte die Folter sowie die Zauberei, Hexerei u. Bestrafung derselben als grober Verbrechen, worin übrigens der Jesuit Spee u.a. ihm längst vorangegangen waren. Seine vielen Schriften sind vergessen, seine Verdienste würdigte Luden in der von Joh. von Müller bevorworteten Schrift: C. Thomasius nach seinen Schicksalen u. Schriften (Berlin 1805).
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