Norwegen

Norwegen

Norwegen, dän. u. norweg. Norge, schwed. Norige, bei den Alten Nerigos, der westl. u. nördl. Theil der skandinav. Halbinsel, zwischen der Nordsee, dem Eismeere, Rußland, Schweden u. Skager Rack gelegen, beinahe 5800 QM. groß, ist ganz vom Gebirge erfüllt. Letzteres steigt bis über 7000' Höhe, hat im Süden die Schneelinie mit 5800, im Norden mit 2400' zahlreiche Schnee- u. Eisgletscher. N. bildet meistentheils Hochebenen mit schroffen Abhängen und tiefen Schluchten u. Thalspalten; so ist auch die Küste sehr zerrissen, von schmalen, tiefen Buchten eingeschnitten, an deren Seiten oft mehr als 1000' hohe Felsenmassen emporsteigen, mit Inseln umsäumt. Es hat viele Küstenflüsse u. Seen, bietet überhaupt eine großartige Gebirgsnatur, welche jedoch wegen der eigenthümlichen Gebirgsbildung von jener der Alpen ganz verschieden ist. N. ist reich an Wild; Flüsse. Seen u. besonders das Meer liefern ungeheuer viel Fische, deren Fang so wie die Jagd überall frei ist. Die Viehzucht (Alpenwirthschaft, Sennerei) ist sehr ergibig, der Ackerbau lange nicht zureichend, der Bergbau auf Gold, Silber, Kupfer, Blei, Eisen, Arsenik etc.) von großer Wichtigkeit. Außer Metallen, Fischen, Häuten bilden Holz, Holzwaaren, Theer und Pech die wichtigsten Ausfuhrgegenstände. Der Seehandel beschäftigt 3000 Seeschiffe; die bedeutendsten Hafenorte sind: Christiania, Drammen, Bergen, Stavanger, Drontheim. Die Einw., 1328000, sind mit Ausnahme der wenigen Lappen nordgermanischen Stammes mit eigener Volkssprache (Schriftsprache ist die dänische), kräftigem, ausdauerndem Körperbau; sie sind tapfer, ruhig, im Zorne unbändig. stolz, freiheitliebend, treffliche Seeleute u. in den Elementarkenntnissen wohl unterrichtet, obwohl die Mehrzahl auf einsamen Höfen lebt. Die Verfassung ist eine demokratische, mit dem König, der zugleich die schwed. Krone trägt, an der Spitze. Derselbe muß lutherisch sein (Landesreligion), hat die ausübende Gewalt, erwählt 1 Staatsminister und einen Staatsrath aus 7 Norwegern; 2 derselben sowie der Staatsminister müssen immer bei dem Könige sein. Der König kann in Handels-, Zoll- u. Polizeiangelegenheiten provisorisch verfügen, hat das Begnadigungsrecht, besetzt die Staatsämter, kann wohl Orden aber nicht Adel (derselbe ist erloschen) verleihen und bezieht eine Civilliste von 64000 Spec. Thlr. Die Volksrepräsentation, Storthing, wird mittelbar gewählt; von den Stadtbürgern wählen je 50, von den Bauern je 100 Wahlberechtigte 1 Wahlmann; diese Wahlmänner wählen dann 8 Tage darauf die Deputirten. Das Storthing selbst besteht aus 2 Abtheilungen, dem Lagthing oder gesetzgebenden Körper, einem von ihm selbst gewählten Ausschusse (1/4 der Versammlung) u. dem Odelsthing, den Grundbesitzern. Gesetzesvorschläge, welche 3 mal im ordentlichen Wege von dem Storthing votirt werden, erhalten Gesetzeskraft, auch wenn der König sie nicht sanctionirt. Das Storthing legt die Steuern auf, bewilligt die Staatsausgaben, macht Anleihen, revidirt die Regierungsprotokolle sowie die Verträge mit auswärtigen Mächten. Beschlüsse über das Innere des Storthings, der Nationalisirung von Fremden, Anklage des Staatsraths bedürfen der königl. Bestätigung nicht. Eingetheilt ist N. in 4 Stifte, diese in 16 Aemter, diese in 45 Vogteien. Die lutherisch-protestantische Religion ist Landesreligion; sie hat 5 Bischöfe: Aggerhuus, Christiansand, Bergen, Drontheim u. Nordlandfinnmarken; unter ihnen stehen 53 Pröpste, unter diesen die Pastoren und Kapläne. Das Budget von 1851–1854 zeigt an Ausgaben jährlich 3200000 Speciesthaler (1 Thlr. – 15 Sgr. 4,865 Pfg. preuß Cour.), von denen die Zolleinnahmen 2 Mill. decken. Die Activa des Königreichs (liegende Güter nicht mitgerechnet) betrugen 1849 die Summe von 5600000 Speciesthlr., die Passiva nur 4071000 Speciesthlr. Die Landmacht besteht aus 14324 Mann Linientruppen u. 9160 Mann Landwehr, die Seemacht aus 4 Fregatten, 4 Corvetten, 1 Brigg, 5 Schoonern, 5 Dampfschiffen, 136 Kanonenbooten. Seeleute gibt es im Ganzen über 30000. – Die älteste Geschichte N.s ist Mythe und Sage; die einheimischen Häuptlinge wurden 865–75 von Harald Harfagr bezwungen, was zahlreiche Auswanderungen veranlaßte. Das Christenthum begann Olaf I. 997 einzuführen, allein es siegte erst nach etwa 100 Jahren vollständig. Kanut d. Gr. unterwarf N. 1028, es hatte aber von 1036 an wieder seine eigenen Könige, deren Stamm 1387 auch in weiblicher Linie erlosch; durch Margaretha von Dänemark (der Gemahlin des letzten Königs) kam N. (Kalmarʼsche Union) zu Dänemark, bei dem es bis 1814 blieb. Schweden erhielt damals N. als Preis für den Beitritt zur Allianz gegen Napoleon zugesichert. N. erhob sich zwar dagegen, wählte den dänischen Prinzen Christian (König Christian VIII.), der als Statthalter in N. war, zum König u. gab sich die jetzige Verfassung, konnte aber Karl Johann (Bernadotte) nicht widerstehen. Nach dem Waffenstillstand von Moos (14. August 1814) wurde Karl Johann als König anerkannt, während er seinerseits die Verfassung annahm. (Vergl. Faye. Geschichte von N., Leipzig 1851.)


http://www.zeno.org/Herder-1854.

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