Gefängniß

Gefängniß

Gefängniß, bisweilen noch für Schuldner, die nicht zahlen können (Schuldverhaft); allgemein für schwer Angeklagte während der Untersuchung, damit sie sich nicht flüchten noch sich mit andern verabreden können (Untersuchungs- oder Inquisitions-G.); endlich als vom Richter durch Urtheil verhängte Strafart, von nur einem Tage bis lebenslänglich; bald leichtern Charakters, bloßer Entzug der Freiheit, ohne Entehrung, im Genuß der eigenen Kleider, Betten, Speisen u. ohne Arbeitszwang (Civil-, correctionelles, Polizei-G.), bald verschärft durch rauhe uniforme Kleidung, Nahrung, harte Arbeit, Entehrung, ohne oder mit Ketten (Arbeits-, Zucht-, Pönitentiarhäuser, Kettenstrafe). G.e kamen schon bei den Hebräern, Griechen u. Römern vor, häufiger im Mittelalter, aber als allgemeinste Strafart doch erst in neuerer Zeit (18. Jahrh.), seitdem die Hinrichtungen, körperlichen Züchtigungen und Verbannungen mehr und mehr dadurch verdrängt wurden. Um die Verbesserung des G.wesens, das in argem Zustande lag (alte ungesunde Gebäude, Unreinlichkeit, Müßiggang, lüderliches Leben), machten sich vor allem Howard und Elisabetha Fry verdient. Man fing an, darauf zu denken, wie mittelst des G.es auf die sittliche Besserung der Verbrecher hingewirkt werden könne. Man führte Reinlichkeit, Arbeit, Disciplin, Unterricht, Gottesdienst in die G.e ein. In Nordamerika entwickelten sich im G. bau 2 Systeme, die beinahe überall herrschend geworden sind: das in Auburn mit gemeinschaftl. Arbeitssälen, Einzelnzellen zum Schlafen und stetem Stillschweigen (Gent, Genf, St. Gallen, Turin, Bruchsal weibl., – Auburnʼsches od. Schweigsystem) u. das in Philadelphia in Pennsylvanien mit absoluter Isolirung in Einzelnzellen bei Tag und Nacht, im Spazierhof und in der Kirche (Pentonville, Bruchsal, Moabit; – pennsylv.-philadelphisches, Zellensystem). Ueber den Vorrang des einen oder andern Systems, hinsichtlich körperlicher oder geistiger Gesundheit, moral. Besserung u. Kosten herrscht immer noch unentschiedener Streit. Ein 3. System repräsentirt Obermaier, früher in Kaiserslautern, jetzt in München: gemeinschaftl. Arbeits- n. Schlafsäle, wesentlich Selbstcontrole der Büßer u. in den Freistunden außer der Arbeitszeit erlaubtes Reden. In vielen Ländern entstanden für Ueberwachung und Versorgung entlassener Sträflinge freiwillige Unterstützungsvereine. Während so auf der einen Seite das Möglichste gethan wird, die Verbrecher sittlich u. ökonomisch zu retten, ertönt von anderer Seite der Vorwurf, die G.e seien nur Verbrecherschulen, sie würden immer mehr überfüllt u. es sei Abhilfe zu schaffen durch Deportation u. landwirthschaftl. Colonien. Schriftsteller: Julius, Aubanel, Lucas, Oskar, Mittermaier, Jagemann, Würth, Mooser u.a.m.


http://www.zeno.org/Herder-1854.

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