Schulen

Schulen

Schulen (vom lat. schola), Anstalten zum Unterricht der Jugend, erscheinen überall als Bedürfniß, wo das Volksleben einige Ausbildung erlangt hat. Die Ansicht jedoch, als ob die Tüchtigkeit eines Individuums oder Volks sich nach seiner Beschulung abmessen lasse, ist eine grundfalsche, denn die Ausbildung durch das Leben ist allseitiger und durchgreifender; die Schule gibt nur die Grundlage eines Wissens, das durch das Leben weiter ausgebildet und seine Anwendung auf die Handlungsweise in bestimmten Fällen finden soll. Weil der Unterricht der Jugend ein allgemeines Bedürfniß ist, so muß der Staat dafür sorgen, was theils unmittelbar durch Staatsanstalten, theils mittelbar durch die Schulgesetzgebung und die Unterstützung von Privat-, Gemeinde-, Bezirks- etc. S. geschieht. Centralisirt der Staat das Schulwesen in durchgreifender Weise, so wird die Richtung der Schulbildung dem politischen Systeme angepaßt, dem die Regierung gerade huldigt; wird die Schule dagegen Privaten und Gemeinden allein überlassen, so zeigt sich in der Regel eine einseitige Richtung auf das sog. praktische Wissen mit Vernachlässigung der Grundlagen für die höhere Ausbildung. Daß die Kirche ein Aufsichtsrecht über die Schule zu üben berufen ist, ergibt sich schon aus ihrer Aufgabe, für die sittliche und religiöse Ausbildung des Menschen zu sorgen; sie ist die höchste Erziehungsanstalt, die ihre Wirksamkeit über jedes Lebensalter und jeden Stand ausdehnt, sie muß deßwegen auch darüber wachen, daß in der Schule, welcher Art diese immer sein möge, das christliche Element gefördert und weder durch Vernachlässigung, noch durch feindseliges Lehren od. Handeln beeinträchtigt werde. Ueber die verschiedenen Arten von S.s. Elementarunterricht, Gewerbe-, Real-, polytechnische etc. S., Akademie, Gymnasium, Lyceum, Universität. – Die S., welche in allen Theilen des röm. Reichs eingerichtet waren, gingen in den Stürmen der Völkerwanderung unter und wie die ganze neue Cultur verdankt auch das Schulwesen seinen Ursprung u. seine erste Pflege der Kirche. Die Geistlichen waren Jahrhunderte lang die fast ausschließlichen Träger aller höhern Bildung, die einzigen Lehrer in den Elementarkenntnissen sowohl als in den Wissenschaften; S. fanden sich in den Klöstern, namentlich in den Benedictinerklöstern, bei den Domstiften, bei den Pfarreien der Städte. Das Aufblühen der Städte hatte die Errichtung städtischer Unterrichtsanstalten zur Folge; die Lehrer an denselben waren aber in der Regel Geistliche, wohl auch Studenten, welche auf eine bestimmte Zeit gedungen wurden. In manchen Städten waren die S. dotirt, die Schüler hatten in dem Schulgebäude Wohnung, empfingen etwelche Unterstützung an Lebensmitteln und Gewand, hatten das Recht Almosen zu ersingen und zu erbetteln etc., daher sich an solche S. auch aus der Ferne her viele Schüler sammelten (fahrende Schüler). Derartige S. entsprachen ungefähr unsern heutigen Gymnasien; der Elementarunterricht war noch durchgängig Privatunterricht, der meistens durch Glieder des untern Klerus oder Studenten ertheilt wurde, erst Gerhard Groote (Gerhardus magnus), der Stifter der Brüder des gemeinsamen Lebens (s. d.) errichtete um 1386 eigentliche Elementarschulen für Knaben und Mädchen, für welche letztere jedoch die weiblichen Orden u. Vereine (vgl. Beguinen) hauptsächlich sorgten. Daß für die Entwicklung des höhern und niedern Schulwesens die Erfindung der Buchdruckerkunst Epoche machte, leuchtet von selbst ein, dazu kam bald darauf die gewaltige Bewegung der Geister durch die Reformation, welche in der Schule eine ihrer Hauptstützen suchte und dieselbe eben darum organisiren mußte. Den prot. S. gegenüber entwickelte der Jesuitenorden seine erfolgreiche pädagogische Wirksamkeit (s. Jesuiten) sowie überhaupt die Rivalität der Katholiken und Protestanten um die Früchte und den Ruhm der größeren Bildung das Schulwesen, namentlich auch das Volksschulwesen, außerordentlich gefördert hat. Alle S. trugen auch ein sehr deutliches confessionelles Gepräge, das kein Theil zu verwischen trachtete; erst als der Krieg der neuen Philosophie gegen die Kirche vom engl., namentlich aber vom franz. Boden aus nach Deutschland herübergespielt wurde und Rousseaus Pädagogik ihre Anhänger fand, machte sich eine Reaction gegen den Einfluß der Kirche auf die Schule geltend. Der religiösen Erziehung wurde eine vernünftige (philosophische) entgegengestellt, der Pflicht des Gehorsams von Seiten der Kinder und Schüler die Pflicht der Eltern u. Lehrer, die freie Selbstbestimmung der Kinder und Schüler zu respectiren; gleichzeitig u. folgerichtig wurde auch eine neue Methode des Unterrichts proclamirt, durch welche das Lernen leicht und angenehm werden sollte, während es früher schwer u. mühsam war. (Vgl. Rousseau, Basedow, Campe, Salzmann, Pestalozzi.) Das revolutionäre Princip trug aber in der Pädagogik die gleichen Früchte wie in der Politik, und wenn auch in der Methodik wesentliche Fortschritte gemacht wurden, so entsprachen doch die Leistungen der neuen Schule den Ankündigungen und Erwartungen keineswegs. Die franz. Kriege lenkten die Aufmerksamkeit von der Pädagogik etwas ab, nach denselben aber wurde in Deutschland das Schulwesen von den meisten Regierungen sehr eifrig reorganisirt. Daß sich das höhere Schulwesen gehoben hat, beweisen die Leistungen der deutschen Gelehrten in allen Wissenschaften; ebenso ist durch die Errichtung oder Erweiterung von Anstalten, in welchen die Schüler die wissenschaftlichen Kenntnisse zur Betreibung der verschiedenen Zweige des Gewerblebens erhalten sollen, für den Bürgerstand viel gethan worden. Die Elementar- od. Volksschule hat in Deutschland gleichfalls eine ausgebreitetere Wirksamkeit als in jedem andern europäischen Staate, aber hierin sind auch die größten Fehler begangen worden. Fast überall wird ihr eine zu weite Aufgabe gestellt; die Zahl der Unterrichtsgegenstände ist zu groß, daher wird zu wenig gelernt, vielerlei aber nicht viel, und durch diese mangelhafte Elementarbildung leidet nicht nur die intellectuelle Seite, sondern dadurch wird auch die Ausbildung des sittlichen Charakters beeinträchtigt. Die Bildung der Lehrer krankt, wie es nicht anders sein kann, an den nämlichen Gebrechen; überdies hat das herrschende System, das jetzt theilweise modificirt wird, die Lehrer den Geistlichen in gewisser Weise entgegengestellt, dem Volke (namentlich auf dem Lande) entfremdet, ihnen so eine Art Herrenstempel aufgedrückt u. dabei den Gehalt eines Tagelöhners angewiesen, so daß, wenn man dies alles berücksichtigt, die gegenwärtig unter dem Lehrerstande vorherrschende Verstimmung nicht befremden kann.


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