- Abdelkader
Abdelkader (Knecht des Allmächtigen), Sohn des Marabut Mahiddin, geb. 1807 unweit Maskara, pilgerte mit seinem Vater im achten Jahre nach Mekka und wurde dadurch Hadschi, sah 1827 Aegypten und dort europäische Einrichtungen. Als 1830 die Franzosen Algier eroberten, empörten sich die arab, Stämme unter Abdelkaders Vater gegen die Türken und wählten auf dessen Antrag den Sohn zu ihrem Emir, der in Maskara seinen Sitz aufschlug. Oran bestürmte er vergebens, dagegen zerstörte er Arzew, bestand in den Jahren 1833 u. 34 blutige Gefechte mit General Demichles und erzwang einen günstigen Vertrag. Diese Frist benutzte Abdelkader um die Stämme der Provinzen Oran und Titeri zu unterwerfen und die Städte Medeah und Milianah zu erobern. So erweiterte der Emir sein Gebiet zu einem Reiche und ließ sich von den Arabern Sultan nennen; den General Drouet dʼErlon aber machte er glauben, er handle im Interesse Frankreichs als Werkzeug von dessen civilisirender Herrschaft. General Trezel, ein Soldat von Waterloo, durchschaute den Araber und griff zu den Waffen, erlitt aber an der Makta eine schmähliche Niederlage (28. Juni 1835). Nun wurde der Marschall Clauzel gegen Abdelkader geschickt, der auch Maskara eroberte, aber außer Stand es zu behaupten diese Residenz Abdelkaders verbrannte. Die Franzosen behielten in der Regel das Feld, so oft man sich ernstlich schlug, Abdelkader aber nöthigte sie durch die Unterbrechung ihrer Verbindungen jedes mal wieder zum Rückzuge an die Küste. Am 25. April 1836 schlug Abdelkader den General dʼArlanges und schloß sein Korps an der Mündung der Tafna ein. Nun schickte Louis Philippe den General Bugeaud, der die eingeschlossenen Franzosen befreite und Abdelkadern durch die Niederlage an der Sikah in das Innere zurückdrängte und einige Stämme zum Abfall bewog. Hierauf machte aber Clauzel seinen unglücklichen Zug gegen Constantine (Nov. 1836), und als die Franzosen im folgenden Jahre diese Scharte auswetzen mußten, fanden sie für gut mit Abdelkadern am 30. Mai 1837 den Vertrag an der Tafna abzuschließen, in welchem Abdelkader unter der Oberhoheit Frankreichs und gegen einige Lieferungen als Beherrscher großer Landstriche anerkannt wurde. Diesen Frieden benutzte Abdelkader vortrefflich; er theilte sein Gebiet in zwei Statthalterschaften und 12 Agaliks, erhob regelmäßige Abgaben, verschaffte sich große Vorräthe von Kriegsbedarf, zog zahlreiche Deserteurs besonders von der Fremdenlegion an sich, durch welche er eine reguläre Infanterie organisirte und ein Laboratorium einrichtete. Doch begann er schon im Nov. 1839 den Krieg abermals und trug die Flamme der Verwüstung bis vor Algier. Der Frühlings- und Herbstfeldzug der Franzosen hatte keinen Erfolg, und erst General Bugeaud führte im Jahr 1841 den Krieg zum ernstlichen Nachtheile Abdelkaders. Er eroberte Tekedempt, Maskara, Saida, Tarfua, Tlemsen, vernichtete Abdelkaders Reguläre, bewog die meisten Stämme zum Abfall und zwang den Emir seine Zuflucht auf marokkanischem Gebiete zu suchen. 1842 erschien er wieder auf dem Boden Algiers, aber nur für kurze Zeit und wurde nun dem Kaiser von Marokko gefährlicher als den Franzosen, indem er die kriegerische Bevölkerung des Gränzgebietes fanatisirte. Dies bewog den Kaiser ein Heer an die Grenze zu schicken, das gegen seinen Willen mit den Franzosen anband und am Isly den 12. Aug. 1844 die bekannte Niederlage erlitt. Abdelkader wurde nun von den Marokkanern bedrängt, seine getreue Schaar beinahe aufgerieben, so daß er sich 1847 an den General Lamoricière und den Herzog von Aumale ergab unter den nämlichen Bedingungen, wie 1815 Napoleon an den Kapitän Maitland. Sein Schicksal war ein ähnliches; es schien der Regierung Louis Philippes und später der republikanischen zu gefährlich ihn nach Mekka, wie er wünschte, wallfahrten zu lassen; er und seine Familie wurden in ehrenhafter Gefangenschaft gehalten, zuletzt auf dem Schlosse Amboise, bis Louis Napoleon, als er den Kaiserthron errichtet hatte, im December 1852 den Emir freigab und nach Brussa entließ, wo er mit 100000 Fr. Jahresgehalt fortan wohnen soll. Von Gestalt ist er schlank und schmächtig, sein schwarzer Bart hebt die Blässe seines Gesichtes noch mehr hervor, das länglich und edel geformt einen so milden Ausdruck zeigt, daß es den Krieger, der soviel Blut vergossen, nicht ahnen läßt.
http://www.zeno.org/Herder-1854.