Russisch-deutscher Krieg 1812–15

Russisch-deutscher Krieg 1812–15

Russisch-deutscher Krieg 1812–15. Napoleon I. nöthigte Rußland zum Kriege, indem er das Continentalsystem zur Bedingung seines Bundes mit dem Czaren machte, wodurch Rußlands Ausfuhr vernichtet worden wäre; Alexander I. konnte das Continentalsystem auch deßwegen nicht beibehalten, weil er sonst als ein Vasall in den Augen der russischen Nation erschienen wäre, welche ein solches Verhältniß nie geduldet hätte. Napoleon war wegen des fortdauernden spanischen Krieges entschlossen, dem russ. ein schleuniges Ende zu machen. Zu diesem Zwecke vereinigte er im April 1812 über 600000 Mann mit 1372 Geschützen an den russ. Gränzen u. überschritt am 24. Juni mit der Hauptmacht den Niemen; ein franz.-preuß. Corps unter Macdonald und York deckte die eine Flanke, indem es gegen Riga vordrang, ein österr.-sächs. unter Reynier und Schwarzenberg die andere, indem es in Volhynien vorrückte. Die russ. Streitkräfte betrugen Napoleon gegenüber 218000 M. mit 942 Geschützen; Kaiser Alexander I. befolgte den von deutschen Generalen ausgearbeiteten Plan, sich vor dem Feinde in das Innere des ungeheuren Reichs zurückzuziehen und erst dann, wenn die feindliche Macht durch Strapazen und Mangel hinlänglich geschwächt sein würde, den eigentlichen Kampf zu beginnen. Dieser Plan gelang auch vollständig; Napoleon drang über Wilna, Witepsk u. Smolensk vor, die russ. Armee mit Ungestümm drängend; diese vertheidigte aber nur Smolensk durch ihren Nachtrab mit Hartnäckigkeit u. stellte sich erst bei Borodino auf, um wo möglich Moskau durch eine Schlacht zu retten. Napoleon hatte bereits nicht mehr die Ueberzahl, doch gewann er am 6. Sept. die blutige Schlacht, ohne jedoch das russ. Heer vernichten zu können, das Moskau preisgebend bei Kaluga Stellung nahm. Der Besitz der Hauptstadt sicherte im besten Falle die Existenz der franz. Armee nur auf kurze Zeit, indem sie Obdach, Kleidung und Wohnung darbot, aber im Mittelpunkte eines feindlichen Landes, fern von seiner Operationsbasis, auf seine Armee beschränkt, konnte Napoleon sich unmöglich halten, selbst wenn Moskau nicht von den Russen angezündet worden wäre. Ein schneller Rückzug hätte einen Theil des Heeres gerettet, allein Napoleon trat diesen zu spät an (15. Oct.). Am 10. Novbr. fiel eine Kälte von 8–10° ein, welche die bivouakirenden Franzosen zu Tausenden aufrieb. Smolensk bot der retirirenden Armee keine Vorräthe, die Bande der Disciplin lösten sich immer mehr, doch blieb immer noch ein geordnetes Corps von etwa 30000 Mann übrig, mit dem Napoleon am 26.–28. Nov. den Uebergang über die Beresina erzwang, obwohl er die russ. Hauptarmee im Rücken und die von der türk. Gränze herangezogene russ. Armee unter Tschitschakow vor sich auf dem anderen Ufer der Beresina hatte. Der Uebergang kostete die Franzosen übrigens 20000 Mann, die Ordnung löste sich vollständig, Napoleon gab sein Heer selbst auf, verließ es am 6. Dec. und eilte durch Polen und Deutschland nach Paris, wo er am 19. Decbr. eintraf, während die Reste des Heeres sich allmälig in die Festungen an der Weichsel und Oder retteten. Schwarzenberg hatte sich mit den Oesterreichern zeitig zurückgezogen, der preuß. General York aber ließ Macdonald im Stich, indem er durch die Convention von Tauroggen seinem Corps die ungehinderte Rückkehr nach Ostpreußen auswirkte. Yorks eigenmächtiges und gewagtes Verfahren gab gleichsam das Signal zu der allgemeinen Erhebung Norddeutschlands, der am 16. März 1813 die preuß. Kriegserklärung folgte. Napoleon hatte starke Besatzungen in Danzig, Thorn, Magdeburg, Torgau, Küstrin und Glogau, gebot über die Kräfte des Rheinbunds, Frankreichs und Italiens; er erschien auch unerwartet schnell an der Elbe mit Streitkräften, welche den russ.-preuß. nur an Reiterei nicht überlegen waren, gewann 2. Mai bei Lützen, 20. u. 21. Mai bei Bautzen blutige Siege u. durch den Waffenstillstand von Poischwitz (4. Juni) eine vortheilhafte Operationsbasis. Unterhandlungen während des Waffenstillstandes, die Oesterreich zu Prag eingeleitet hatte, führten nicht zum Ziele, weil Napoleon nicht ein Dorf abtreten wollte, vielleicht auch nicht konnte, ohne bei den Franzosen seine Glorie zu verlieren, welche seine Herrschaft sicherte. Nun aber entschied Oesterreich mit 300000 Mann die Uebermacht der Verbündeten, die überdies durch ein Corps Schweden verstärkt wurden. Napoleon hielt die Elbe als seine Operationsbasis fest, während seine Gegner ihm eine Nordarmee unter Bernadotte, eine schlesische unter Blücher und eine Hauptarmee unter Schwarzenberg entgegenstellten, eine österr. Armee gegen die Lombardei vorrückte und ein österr. Corps am Inn Bayern beobachtete. Er warf sich zuerst auf Blücher, dieser wich aber zurück u. unterdessen brach die Hauptarmee aus Böhmen vor und bestürmte am 26. August Dresden, wurde aber von Napoleon vollständig geschlagen. Dieser große Sieg blieb ohne Folgen, denn General Vandamme, der sich auf die Rückzugslinie des Feindes warf, wurde nicht unterstützt und sein Corps am 30. Aug. bei Kulm vernichtet; außerdem war Regnier am 23. Aug. von Bülow bei Großbeeren, Macdonald von Blücher am 26. an der Katzbach geschlagen worden und nicht besser ging es Ney am 6. Septbr. bei Dennewitz. Die Folge von diesen Schlägen war, daß auch das westl. Deutschland sich allmälig gegen Napoleon erhob; ein fliegendes Corps unter Czernitscheff machte dem Königreich Westfalen ein Ende, Bayern unterhandelte mit Oesterreich und schloß mit ihm den 8. Octbr. den Vertrag von Ried, am 4. Octbr. aber führte die schles. Armee eine der glänzendsten Operationen aus: den Elbübergang bei Wartenberg, wodurch Napoleon nur die Wahl zwischen einem Rückzuge über den Rhein oder einer Hauptschlacht gelassen wurde. Er nahm letztere an und verlor sie 16.–19. Octbr. bei Leipzig und damit sein Heer, von dem er, nachdem er sich bei Hanau durch die bayer.-österr. Armee unter Wrede mit großem Verlust einen Weg gebahnt hatte, noch 60000 Mann nach Mainz brachte; die meisten von diesen starben aber in den Lazarethen weg. Nun fielen alle Rheinbundsfürsten von ihm ab, die meisten sehr ungerne, während ihre Unterthanen die Kriegserklärung gegen Napoleon mit Jubel begrüßten; diese Stimmung der Deutschen gegen Napoleon gab dem Kriege den Charakter eines Volkskrieges. Auch die Holländer empörten sich gegen Napoleon u. in Spanien wurden seine Heere von Wellington geschlagen, so daß im Jan. u. Febr. 1814 die franz. Gränze am Rheine, an den Pyrenäen und am Jura von feindlichen Heeresmassen überschritten wurde. Napoleon konnte denselben kaum ein Fünftheil entgegenstellen; die Franzosen waren des Krieges und der Militärherrschaft überdrüssig, u. erst der Druck, den die fremden Armeen nothwendig über die Bevölkerung bringen mußte, erzeugte partielle, bei der ungeheuren Uebermacht der Verbündeten jedoch unwichtige Aufstände. Die Schlacht bei Brienne (od. La Rothière), 1. Febr., bewies bereits Napoleons verzweifelte Lage und obwohl er im Laufe des Februar die vereinzelten Heerestheile der Verbündeten mehrmals schlug und die ganze Masse zum Rückzuge nöthigte, lieferte er am 27. Febr. die Schlacht bei Bar sur Aube ohne Gewinn, verlor 9. März die bei Laon, konnte am 20. Schwarzenberg bei Arcis sur Aube nicht überwältigen, und als er die verbündete Hauptarmee umging, marschirte diese gegen Paris, schlug am 25. März Marmont und Mortier bei La Fère Champenoise und bemächtigte sich am 30. nach blutigem Kampfe des Montmartre vor Paris. Die Stadt capitulirte, die Partei der Bourbons wagte sich auf die Straßen, und Napoleon, den die meisten seiner Marschälle und Generale verließen, sah sich genöthigt, seinen Marsch gegen Paris aufzugeben und dem französ. Thron zu entsagen. – Die Restauration der Bourbons war durch fremde Waffenmacht geschehen und deßwegen vielen Franzosen verhaßt; andere fürchteten die Rache der Royalisten, das Heer aber, das durch die Rückkehr der Garnisonen aus so vielen Festungen im Auslande und der zahlreichen Kriegsgefangenen eine bedeutende Stärke erlangt hatte, haßte die neue Ordnung der Dinge und fand seine Demüthigung unerträglich. Als daher Napoleon am 1. März von Elba kommend in Frankreich mit einem Gardebataillon landete, erklärte sich das Militär u. die Bevölkerung der Städte für ihn, so daß er am 20. März im Triumphe in den Tuilerien einzog. Der Congreß zu Wien sprach aber über ihn die Acht aus, verwarf alle seine Friedensanträge und setzte fast 11/2 Mill. Soldaten in Bewegung. Napoleon stürzte sich löwenartig auf die Heere, die Wellington und Blücher in den Niederlanden befehligten; er schlug Blücher den 16. Juni bei Ligny, während Ney gegen Wellington bei Quatrebras nur zögernd operirte u. sich den Vortheil der Ueberraschung entschlüpfen ließ. Die Schlacht bei Waterloo am 18. Juni entschied gegen Napoleon; Grouchy schlug sich bei Wawre mit einem Corps Preußen, statt dem Kanonendonner von Waterloo zu folgen, Napoleon war von dem Glücke ebenso verlassen als seine Marschälle von dem alten genialen Muthe; er dankte zum zweitenmale ab und so hatte der große Krieg gegen alle Erwartung durch die 3 Schlachten vom 16. und 18. Juni sein Ende gefunden.


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