- Staël-Holstein
Staël-Holstein, Anne Louise Germaine, Madame von, eine der interessantesten Frauen aus der Zeit der Revolution von 1789 und Napoleons I., geb. 1766 zu Paris, war eine Tochter des später so weltbekannt gewordenen franz. Ministers I. Necker, erhielt eine vielseitige Erziehung und wurde 1786 mit dem schwed. Gesandten Baron S.-H. verheirathet. Weil sie die Mode mitgemacht hatte, für J. J. Rousseau zu schwärmen, weil ferner ihr Vater für einige Zeit plötzlich der erste Mann der Nation wurde und weil sie endlich dem damaligen Liberalismus eines bedeutenden Theiles der Pariser Salonwelt aufrichtig huldigte, kokettirte sie so lange mit der Revolution, bis diese nach dem 10. August u. den Septembertagen ihre blutige Faust auch nach ihrem Halse ausstreckte. Sie floh 1792 nach Coppet, hierauf nach England und schrieb hier 1793 ihre »Betrachtungen über den Tod der Königin« u. dergl. m. Unter dem Directorium lebte sie wiederum in Paris, gefiel sich darin, ein Mittelpunkt der Opposition zu sein, die sich in den Salons gegen die niederträchtige Directorialregierung geltend machte, dichtete u. schrieb allerlei (Erzählungen, Schauspiele, über den Einfluß der Leidenschaft auf das Glück der einzelnen Menschen und der Völker). 1798 st. ihr Mann, von dem sie sich vorher noch getrennt hatte, um dieselbe Zeit lernte sie den General Bonaparte kennen, doch gefielen sich beide einander nicht lange. Nachdem er Konsul geworden, spielte die eitle Frau die Rolle, die sie zur Zeit der Directoren innegehabt, kecker als je und machte ein Epigramm nach dem andern auf den »Robespierre zu Pferd«, wie sie den Konsul Bonaparte taufte; dieser verlor bald die Geduld, verbannte sie aus Paris und trug dadurch vielleicht das Namhafteste zu ihrem Ruhme bei. Die S. reiste jetzt mit A. W. Schlegel in Deutschland herum, wurde mit der deutschen Literatur und zu Weimar mit den Heroen derselben persönlich bekannt, lebte dann in Italien und in einigen Städten Frankreichs, 1807 in Wien, später zu Coppet. 1809 wollte sie ihr Werk über Deutschland drucken lassen, doch erschien es erst 1813 zu London und 1814 zu Leipzig, denn der Polizeiminister Savary unterdrückte die Schrift, verwies die Verfasserin aus ganz Frankreich und duldete nicht einmal, daß zu Coppet A. W. Schlegel und Besuche aus Frankreich sich aufhalten durften. Sie hatte 1810 einen franz. Offizier de Rocca geheirathet, nahm jedoch seinen Namen nicht an, um ihren berühmtgewordenen zu behalten, floh 1812 mit ihrem Manne nach Wien und lebte nacheinander in Rußland, Schweden, England, nach der Restauration fast ununterbrochen zu Paris im Umgange mit Benj. Constant, Guizot u.a. und st. 1817 daselbst. In der »Corinna oder Italien«, ihrem berühmtesten Werke, der Frucht einer mit A. W. Schlegel durch Italien unternommenen Reise, setzte sie auch ihrem Vater ein Denkmal; in ihrem Werke über Deutschland gab sie Urtheile ab in Sachen, von denen sie niemals ein rechtes Verständniß hatte, nämlich über deutsche Poesie, Philosophie und Religion, doch bleibt auch dies immerhin ein Zeugniß, wie bildend der persönliche Umgang mit ausgezeichneten Geistern sei, sowie daß sie selber Geist und Bildung hatte. Ihre »Betrachtungen über die Revolution« übersetzte A. W. Schlegel ins Deutsche (Heidelb. 1818), auch ihre meisten andern Schriften (Zehn Jahre in der Verbannung u.s.w.) fanden deutsche Uebersetzer u. Abnehmer genug, die ob der ungewöhnlichen Ehre entzückt waren und blieben, daß mindestens eine aus Deutschland stammende Französin den deutschen Geist einiger Aufmerksamkeit würdigte. Oeuvres, Par. 1818–21, 18 Bde. I. Ch. Schlosser schrieb seiner Zeit eine Parallele zwischen der S.-H. u. Madame Roland, neuestens Mary Norris: Life and times of madame de Staël, Lond. 1853.
http://www.zeno.org/Herder-1854.