- Satire
Satire (dies Wort wird selten mehr von den Satyren der alten Mythologie abgeleitet u. deßhalb auch selten mehr mit y geschrieben, soll von (lanx) satura, die mit allerlei Früchten od. Gerichten angefüllte Schüssel, herkommen), die Spottrede, Verspottung, im engern Sinne die kunstgemäße Darstellung des Verkehrten und Schlimmen von seiner lächerlichen Seite. Je nach dem Zweck der S. richtet sich ihr Ton; ihr Feld ist so unübersehbar als die Summe des Lächerlichen und Verspottungswürdigen in der Menschenwelt; dabei ist sie weder an prosaische noch an poetische Redeweise und überhaupt an keine bestimmte Kunstform gebunden, sondern alle mit komischen, witzigen und humoristischen Anlagen begabten Schriftsteller und Dichter sind mehr oder weniger auch zugleich Satiriker, die S. kann Schriften politischen Inhaltes ebenso gut beherrschen und Kanzelreden stellenweise durchbrechen, als Grundcharakter eines Romanes, Schauspieles, Heldengedichtes u.s.f. sein. Wie viel sie im Bunde mit andern namentlich den zeichnenden Künsten ausrichtet, daran mahnen die Namen: Charivari, Punch, Fliegende Blätter (aus München); daß es satirische Zeichnungen, Gemälde, sogar Statuen gibt, die gar keines Textes bedürfen, ist bekannt genug (Holbein, Hogarth, Dantan). Gemäß dieser Auffassung ist die Zahl der satirischen Geisteserzeugnisse auch in der deutschen Literatur von den Schwänken des Mittelalters an bis herauf zu Börne und H. Heine (st. 1856) nicht gering, obwohl England u. Frankreich die eigentliche Heimath der kunstmäßigen S. sind. Im engsten Sinne aber versteht man unter S. jene Art des Lehrgedichtes, in welcher unter den Alten die Römer und unter diesen Horaz, Persius u. Juvenal die uns bekannten Meister waren und die in verschiedenen Formen bis heute auch von den Neuern gepflegt wurde. Als hervorragende Satiriker seien hier genannt die Italiener Ariost und Alfieri, die Spanier Cervantes, Quevedo, Saavedra, die Franzosen Boileau und besonders Voltaire, die Engländer Pope, Swift, Ch. Dickens, lauter Männer, neben denen die Deutschen: Sebastian Brandt, Moscherosch, der Pastor Schupp, der Pater Abraham à Santa Clara, Liscov, Rabener ziemlich unbedeutend dastehen, freilich zum guten Theil ohne ihre Schuld, wie denn Lichtenberg, Jean Paul u.a. beweisen, daß Witz und Humor nur eines minder eng umzäunten Feldes bedürften, um in Leistungen mit Franzosen und Engländern zu wetteifern.
http://www.zeno.org/Herder-1854.